Eine wichtige Aufgabe der Betriebsräte ist innerbetrieblich darauf zu schauen, dass die Beschäftigten korrekt entlohnt werden…
Eva Zeglovits: Anhand der Erhebungen sieht man, dass die Betriebsräte diese Kontrollfunktion gut erfüllen – und für die Beschäftigten insgesamt offenbar mehr herausholen können als in Betrieben ohne Betriebsrat jede/r Einzelne für sich. Wer einen Betriebsrat hat, kann zudem wesentlich öfter auf betriebliche Sozialleistungen zählen.
Gibt es da konkrete Beispiele?
Eva Zeglovits: Eine Kantine oder einen Essenszuschlag können 40 Prozent der Beschäftigten mit Betriebsrat nutzen, aber nur 13 Prozent der Beschäftigten ohne Betriebsrat. Auch einen betrieblichen Fahrtkostenzuschlag oder eine betriebliche Altersvorsorge gibt es weit häufiger in Betrieben mit Betriebsrat.
Liegt das daran, dass Unternehmen mit Betriebsrat oft größer sind und von sich aus eher eine Kantine oder sonstige Sozialleistungen anbieten?
Eva Zeglovits: Bei Unternehmen derselben Größe zeigt sich: Wo es einen Betriebsrat gibt, können die Beschäftigten häufiger auf betriebliche Zusatzleistungen zurückgreifen. Auch bei den kleineren Betrieben mit 20 bis 99 Beschäftigten ist das der Fall.
Unternehmen mit Betriebsrat investieren mehr in die Weiterbildung der Mitarbeiter:innen, zeigten die Daten des European Working Conditions Survey. Gibt es hierzu neuere Befunde aus eurer Forschung?
Eva Zeglovits: Die Ergebnisse aus dem Arbeitsklimaindex von 2020 bestätigen das. Spannend ist, dass dieser Unterschied in Kleinbetrieben mit bis zu 50 Mitarbeiter:innen besonders ausgeprägt ist. In Unternehmen mit Betriebsrat ist die Teilnahme an Weiterbildung zudem egalitärer. Es kommen hier auch Beschäftigte mit formal niedriger Qualifikation zum Zug, während in Unternehmen ohne Betriebsrat bei der bezahlten Weiterbildung oft das Motto herrscht „Wer hat, dem wird gegeben“. In dem Sinne, dass jenen, die ohnedies hoch qualifiziert sind, in Betrieben ohne Betriebsrat häufiger eine zusätzliche Weiterbildung finanziert wird als Beschäftigten mit geringerer formaler Ausbildung.
Gab es auch Ergebnisse, die überraschend waren?
Eva Zeglovits: Hoher Arbeitsdruck belastet die Beschäftigten in unserer schnell-lebigen Arbeitswelt. Beschäftigte mit Betriebsrat können fünfmal häufiger auf Maßnahmen zurückgreifen, die hier helfen können, zum Beispiel berufliches Coaching, Supervision oder Beratung. Dass der Unterschied derart eklatant ist, hat mich überrascht.
Wir alle erinnern uns an ein Arbeitsleben vor der Pandemie und an die Zeit seither. Gibt es Ergebnisse dazu, inwieweit Betriebsräte den Beschäftigten durch die Corona-Hochphase helfen konnten?
Eva Zeglovits: In Betrieben mit Betriebsrat erhielten Beschäftigte in Kurzarbeit häufiger eine freiwillige Aufzahlung durch den Arbeitgeber als in Betrieben ohne Betriebsrat. Auch beim Thema Home-Office konnten Betriebsräte durch das Aushandeln von Betriebsvereinbarungen für die Beschäftigten im Betrieb gute Regelungen schaffen.
Wie kamen die Betriebsrät:innen selbst mit dem Alltag in der Krise zurecht?
Eva Zeglovits: Unsere Befragungen zeigen, dass in der Krise der Kontakt mit den Geschäftsführungen zugenommen hat – weil es eben Kurzarbeits-Vereinbarungen, Home-Office-Regelungen und Ähnliches auszuhandeln galt. Die Betriebsrät:innen selbst sagen auch, dass sie mit der Digitalisierung gut zurechtkommen. Schwieriger wurde es für sie jedoch, alle Gruppen der Beschäftigten gut zu erreichen. Diese Herausforderung bleibt bestehen, vor allem auch dort, wo Home-Office sehr unterschiedlich gelebt wird. Die einen arbeiten wieder die meiste Zeit im Betrieb, die anderen von zuhause. Die Kommunikation mit den Beschäftigten verläuft jetzt über mehr Kanäle als vor der Pandemie – und das wird auch in Zukunft so bleiben.
Mit anderen Worten: alles wird komplizierter?
Eva Zeglovits: In der Kommunikation mit den Beschäftigten hat sich der Aufwand sicher vergrößert. Auch die Interessen der unterschiedlichen Beschäftigtengruppen im Betrieb sind noch heterogener geworden. Hier gute Lösungen für alle zu finden, ist eine Herausforderung. Zugleich haben viele Beschäftigte in der Krise erkannt, wie wichtig es ist, eine gewählte Vertretung im Betrieb zu haben. Alles verändert sich, eine Krise folgt auf die andere; da gibt es ein großes Bedürfnis, jemanden zu haben, der einem hilft und Lösungen aushandelt. Das wissen auch die Betriebsrät:innen und daher schaut die Mehrheit von ihnen durchaus motiviert und selbstbewusst in die Zukunft.