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Recht klar 

Platt­form­arbeit: Ein Blick über den Tel­ler­rand

Einen saf­tigen Bur­ger zu be­stellen und ihn daheim auf der Couch zu ver­zehren, mag be­quem sein. Für jene, die das Es­sen nach Hause lie­fern, sieht das an­ders aus.

Theresa Goisauf
13.06.2024
Frank Ey, AK Wien © Lisi Specht
© Lisi Specht
Frank Ey ist Experte in der Abteilung EU und Internationales in der AK Wien.
„Die Ar­beiter­kam­mer for­dert voll­wertige Be­schäf­ti­gungs­ver­hält­nisse für die über Platt­for­men be­schäf­tigten Per­sonen.“  

Frank Ey, AK Wien

Auch wenn es stürmt, schneit oder 35 Grad hat, sind Fahr­rad­bot:innen im Einsatz – die meisten fahren als freie Dienstnehmer:innen unter schlechten Arbeits­bedingungen. „Wenn etwas gratis ist, kostet das jemand anderem sehr viel“, sagt Robert Walasinski. Als ehemaliger Fahrrad­bote und Gründer des Riders Collective spricht er aus Erfahrung: „Den Unter­nehmen ist es egal, ob es Unfälle gibt oder nicht. Das Einzige, was zählt, ist, dass die Kund:innen zufrieden sind.“ 

Eine App kontrol­liert die Leistung der Rider. Je besser das Ranking ist, desto leichter ist der Zugang zu guten Schichten, die besseren Ver­dienst versprechen. Er schildert mehrere Fälle, wo Kunden ihr Essen nicht bekom­men haben und den Ridern unterstellt wurde, sie hätten das Essen gestohlen.


Flexible Arbeits­zeit als Falle bei Platt­form­arbeit

Allein in Österreich arbeiten rund 360.000 Personen über Platt­formen, EU-weit sind es 43 Millionen. Gemeint sind neben Essens­lieferant:innen auch Taxi­fahrer:innen oder Haus­angestellte, die über Online-Platt­formen vermittelt werden. Foodora, Wolt oder Uber locken ihre Arbeits­­kräfte mit flexiblen Arbeitszeiten. „Alles, was lässig und flexibel klingt, erweist sich aber spätestens nach zwei Monaten als prekär“, so Walasinski. Gemeinsam mit Kollegin Adele Siegl hat er 2017 den Betriebsrat bei Foodora mitgegründet: „Wir haben damals schon gemerkt, dass über uns drüber­gefahren wird und es ein Gegen­gewicht braucht.“


Ungleiche Machtverhältnisse 

Rund 95 Prozent der Belegschaft bei Foodora haben kein stabiles Arbeitsverhältnis. „So erwirtschaften Unternehmen mehr Profit als die Konkurrenz, die sich um sichere Arbeitsplätze mit stabilen Anstellungsverhältnissen bemüht“, kritisiert Walasinski. Damit umgehen Unternehmen nicht nur Mindestlöhne, Feiertagszuschläge, Krankenstände und Urlaube, sondern auch das Recht auf eine betriebliche Vertretung der Beschäftigten. „Es ist zermürbend, dass Unternehmen gut etablierte Systeme zerstören wollen. Es geht null um den:die Arbeitnehmer:in. Deshalb müssen wir über den Tellerrand hinausblicken und sehen, was es bedeutet, wenn diese Form der Organisation der Arbeitswelt unkommentiert bleibt und solche Unternehmen weiterhin agieren können, wie sie wollen.“  


Meist keine Arbeitnehmer:innenvertretung bei Plattformarbeit

Entweder ist es nicht möglich, einen Betriebsrat zu gründen, und falls es einen gibt, vertritt dieser nur einen Teil der Belegschaft – für freie Dienstnehmer:innen ist er rechtlich nicht zuständig. „Dabei geht es um mehrere Tausend Leute, die keine Vertretung im Betrieb haben. Und wenn es einen Betriebsrat gibt, wie im Fall von Foodora, ist er für die Belegschaftsgröße viel zu klein für das, was an Arbeit anfällt“, berichtet der Gewerkschafter.

Das hat zur Folge, dass die Arbeitnehmer:innen, die vorwiegend aus dem migrantischen Umfeld stammen, schlichtweg ausgebeutet werden. Personen müssen sich daher über Protestaktionen Gehör schaffen, und das gelingt in den letzten Jahren immer besser. „Ziel muss es sein, Plattformworker aus prekärer Beschäftigung rauszuholen und in ein unselbstständiges Beschäftigungsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten überzuführen“, so Frank Ey. 


 

Robert Walasinski, ÖGB © ÖGB@Roland De Roo
© ÖGB@Roland De Roo
Robert Walasinski hat den Betriebsrat von Foodora mitbegründet und ist jetzt im internationalen Referat im ÖGB tätig.
„Wenn et­was gra­tis ist, kos­tet das je­ma­nd an­de­rem sehr viel.“  

Robert Walasinski, ÖGB

Neues Gesetz, mehr Rechte 

Ein erster Schritt ist die neue EU-Richtlinie zur Plattformarbeit, die am 24. April 2024 beschlossen wurde. Die EU-Mitgliedstaaten haben nun zwei Jahre Zeit, die neuen Regeln umzusetzen. „Das neue Gesetz soll dafür sorgen, dass Personen, die oft als Scheinselbstständige über Plattformen arbeiten, aus den prekären Arbeitssituationen herausgeholt werden und als unselbstständig Beschäftigte mit allen damit verbundenen Rechten angestellt werden“, fasst Ey zusammen.

Besonders steht nun der österreichische Arbeitsminister in der Verantwortung, damit möglichst alle Scheinselbstständige künftig unselbstständig Beschäftigte werden. Er muss ausgehend von der EU-Richtlinie nun für entsprechend maßgeschneiderte Gesetze in Österreich sorgen.


WEBtipp

Tipp Symbolbild © AK Wien

Riders Collective

Das Riders Collective, das sich als Gewerkschaft von unten versteht, setzt sich für mehr Rechte für Fahrradbot:innen ein. Im „Riders Collective Space“, direkt am Wiener Gürtel gelegen, können sich Rider vernetzen, abkühlen und ausruhen.

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