Zählt der Gang zum WC zur Arbeitszeit? Diese Frage hat zu heftigen Diskussionen in der Schweiz geführt. Der Schweizer Uhrenhersteller Jean Singer et Cie schrieb seinen 400 Mitarbeitenden vor, während der Toilettenpause auszustempeln. Nach einer Klage des Arbeitsamts gab ein Gericht dem Unternehmen allerdings recht. Die Begründung: Der Pausenbegriff sei im Arbeitsgesetz nicht eindeutig genug definiert. Müssen nun auch Arbeitnehmer:innen in Österreich damit rechnen, dass die Zeit am stillen Örtchen künftig von der Arbeitszeit ausgenommen ist?
„Der Gang zur Toilette ist ein menschliches Grundrecht und keine Pause. In Deutschland und Österreich zählt diese Zeit zur Arbeitszeit“, stellt Harald Bruckner, Referent in der Abteilung Sicherheit, Gesundheit und Arbeit der AK Wien, klar. Wie die sanitäre Infrastruktur in Büros, Produktionsbetrieben oder in Verkaufslokalen aussehen muss, regelt die Arbeitsstättenverordnung.
Geschlechtertrennung & Hygiene
Eine Vorgabe lautet: Maximal 15 Arbeitnehmer:innen pro Toilette. Zudem muss sich die WC-Anlage in der Nähe des ständigen Arbeitsplatzes befinden. Eine Geschlechtertrennung ist laut Verordnung erst dann vorzunehmen, wenn von beiden Geschlechtern je fünf Personen im Betrieb beschäftigt sind. „Die Anzahl der Toiletten und die geschlechterspezifische Aufteilung sorgen in vielen Betrieben immer wieder für Unmut. Auch verschmutzte WC-Anlagen stehen oft in der Kritik“, sagt Bruckner. Die Arbeitsstättenverordnung fordert zwar, dass Toiletten „hygienisch zu halten sind“, konkrete Hygienestandards sind allerdings nicht definiert.
Möglichkeiten des Betriebsrats
Dennoch hat der Betriebsrat Möglichkeiten, Verbesserungen zu bewirken. „Der Betriebsrat kann auf jeden Fall die Situation vor Ort kontrollieren und mit dem Arbeitgeber diskutieren, da eine Anhörungspflicht besteht. Zusätzlich kann die Arbeitsinspektion als Behörde ins Haus geholt werden“, meint der Arbeitnehmer:innenschutzexperte.
Gravierende Gesundheitsfolgen
Auf Baustellen gibt die Bauarbeiterschutzverordnung die Regeln für die WC-Infrastruktur vor. Hier gilt eine Toilette pro 20 Mitarbeitenden als Mindestanforderung. Komplexer wird es bei den sogenannten auswärtigen Arbeitsstätten. Also bei Arbeitnehmer:innen, die regelmäßig im Freien arbeiten, ständig unterwegs oder bei Kund:innen sind.
„Busfahrer:innen oder Triebfahrzeugführer:innen der Eisenbahn haben während des Dienstes meist keine Zeit oder keine Möglichkeit, eine Toilette zu nutzen,“ berichtet Stefanie Pressinger, AK Referentin für Klima, Umwelt und Verkehr. Mit menschenunwürdigen Folgen: Einige benutzen sogar Urinflaschen und Windeln, andere verzichten auf das Trinken und halten den Harndrang zurück. Die negativen Auswirkungen auf ihre Gesundheit sind gravierend und reichen von Harnwegs- und Blasenerkrankungen bis hin zu schweren Nierenerkrankungen.
An Fürsorgepflicht erinnern
„Eine rechtliche Handhabe gibt es für den Betriebsrat in diesem Bereich leider nicht“, sagt Pressinger. Sie sieht einerseits Bund und Länder in der Pflicht, für mehr öffentliche WC-Anlagen zu sorgen. Andererseits sollten beispielsweise bei der Ausschreibung von Buslinienführungen auch Sozialvorschriften inkludiert werden, die für eine notwendige Infrastruktur – wie Pausenräume – sorgen.
„Eine Möglichkeit für den Betriebsrat ist es, den Arbeitgeber auf seine Fürsorgepflicht für seine Mitarbeiter:innen anzusprechen. Außerdem sollte es im Interesse des Arbeitgebers sein, die Mitarbeitenden im Betrieb zu halten. Und das funktioniert auf Dauer nur bei menschenwürdigen Arbeitsbedingungen“, erklärt Pressinger.
Sie rät den Betriebsrät:innen auch, sich Verstärkung bei der Gewerkschaft zu holen und gemeinsame, öffentlichkeitswirksame Aktionen zu starten. „Der Welttag der Toilette am 19. November bietet einen guten Anlass dafür“.