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Recht klar

WC-Pausen: Arbeit oder Freizeit?

In der Schweiz hat ein Gericht ent­schieden: Toiletten­pausen zählen nicht zur Arbeits­zeit. Können Betriebe auch in Österreich von Arbeit­nehmer:innen das Aus­stempeln verlangen? AK-Expert:innen klären über Rechte und menschen­würdige Bedingungen auf.
Markus Mittermüller
11.11.2024

 

Stefanie Pressinger, AK Wien © www.fotostudio-staudigl.at
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„Es sollte im Interesse des Arbeitgebers sein, die Mitarbeitenden im Betrieb zu halten. Und das funktioniert auf Dauer nur bei menschenwürdigen Arbeitsbedingungen.“ Stefanie Pressinger, Referentin in der Abteilung Klima, Umwelt und Verkehr der AK Wien.

 

Harald Bruckner, AK Wien © Erwin Schuh
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„Der Gang zur Toilette ist ein menschliches Grundrecht und keine Pause.“ Harald Bruckner, Referent in der Abteilung Sicherheit, Gesundheit und Arbeit der AK Wien.

Zählt der Gang zum WC zur Arbeitszeit? Diese Frage hat zu heftigen Diskussionen in der Schweiz geführt. Der Schweizer Uhren­hersteller Jean Singer et Cie schrieb seinen 400 Mitarbeitenden vor, während der Toiletten­pause auszu­stempeln. Nach einer Klage des Arbeits­amts gab ein Gericht dem Unter­nehmen allerdings recht. Die Begründung: Der Pausenbegriff sei im Arbeits­gesetz nicht eindeutig genug definiert. Müssen nun auch Arbeit­nehmer:innen in Österreich damit rechnen, dass die Zeit am stillen Örtchen künftig von der Arbeitszeit ausgenommen ist?

„Der Gang zur Toilette ist ein menschliches Grundrecht und keine Pause. In Deutschland und Österreich zählt diese Zeit zur Arbeits­zeit“, stellt Harald Bruckner, Referent in der Abteilung Sicherheit, Gesund­heit und Arbeit der AK Wien, klar. Wie die sanitäre Infrastruktur in Büros, Produktions­betrieben oder in Verkaufs­lokalen aussehen muss, regelt die Arbeits­stätten­verordnung

Geschlechter­trennung & Hygiene

Eine Vorgabe lautet: Maximal 15 Arbeitnehmer:innen pro Toilette. Zudem muss sich die WC-Anlage in der Nähe des ständigen Arbeitsplatzes befinden. Eine Geschlechter­trennung ist laut Verordnung erst dann vorzunehmen, wenn von beiden Geschlechtern je fünf Personen im Betrieb beschäftigt sind. „Die Anzahl der Toiletten und die geschlechter­spezifische Aufteilung sorgen in vielen Betrieben immer wieder für Unmut. Auch ver­schmutzte WC-Anlagen stehen oft in der Kritik“, sagt Bruckner. Die Arbeitsstätten­verordnung fordert zwar, dass Toiletten „hygienisch zu halten sind“, konkrete Hygiene­standards sind allerdings nicht definiert. 


Möglichkeiten des Betriebsrats

Dennoch hat der Betriebs­rat Möglich­keiten, Verbesserungen zu bewirken. „Der Betriebsrat kann auf jeden Fall die Situation vor Ort kontrollieren und mit dem Arbeitgeber diskutieren, da eine Anhörungs­pflicht besteht. Zusätzlich kann die Arbeits­inspektion als Behörde ins Haus geholt werden“, meint der Arbeit­nehmer:innen­schutz­experte.


Gravierende Gesundheitsfolgen

Auf Baustellen gibt die Bauarbeiter­schutz­verordnung die Regeln für die WC-Infrastruktur vor. Hier gilt eine Toilette pro 20 Mitarbeitenden als Mindest­anforderung. Komplexer wird es bei den sogenannten auswärtigen Arbeits­stätten. Also bei Arbeit­nehmer:innen, die regelmäßig im Freien arbeiten, ständig unterwegs oder bei Kund:innen sind. 

„Busfahrer:innen oder Trieb­fahrzeug­führer:innen der Eisenbahn haben während des Dienstes meist keine Zeit oder keine Möglichkeit, eine Toilette zu nutzen,“ berichtet Stefanie Pressinger, AK Referentin für Klima, Umwelt und Verkehr. Mit menschen­unwürdigen Folgen: Einige benutzen sogar Urinflaschen und Windeln, andere verzichten auf das Trinken und halten den Harndrang zurück. Die negativen Auswirkungen auf ihre Gesundheit sind gravierend und reichen von Harnwegs- und Blasenerkrankungen bis hin zu schweren Nierenerkrankungen. 


An Fürsorgepflicht erinnern

„Eine rechtliche Handhabe gibt es für den Betriebsrat in diesem Bereich leider nicht“, sagt Pressinger. Sie sieht einerseits Bund und Länder in der Pflicht, für mehr öffentliche WC-Anlagen zu sorgen. Andererseits sollten beispiels­weise bei der Ausschreibung von Buslinien­führungen auch Sozial­vorschriften inkludiert werden, die für eine not­wendige Infrastruktur – wie Pausen­räume – sorgen. 

„Eine Möglich­keit für den Betriebsrat ist es, den Arbeitgeber auf seine Fürsorge­pflicht für seine Mitarbeiter:innen anzusprechen. Außerdem sollte es im Interesse des Arbeit­gebers sein, die Mitarbeitenden im Betrieb zu halten. Und das funktioniert auf Dauer nur bei menschen­würdigen Arbeits­bedingungen“, erklärt Pressinger. 

Sie rät den Betriebsrät:innen auch, sich Verstärkung bei der Gewerk­schaft zu holen und gemeinsame, öffentlich­keits­wirksame Aktionen zu starten. „Der Welttag der Toilette am 19. November bietet einen guten Anlass dafür“.

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