„Verkehr ist immer ein Ausdruck des Mangels. Denn wenn man vor Ort keine Arbeit, Schule oder Geschäft vorfindet, muss man sich dorthin bewegen “, ist Heinz Högelsberger überzeugt. Er arbeitet in der Abteilung für Umwelt und Verkehr in der AK Wien. Für eine sozial gerechte und ökologische Mobilitätswende müssen die Wege in die Arbeit erleichtert werden. „Es ist also höchste Zeit, dass Unternehmen ihre Verantwortung wahrnehmen und dafür sorgen, dass ihre Beschäftigten und Kunden kostengünstig, ökologisch und entspannt anreisen können“, sagt der AK Experte.
Zwei Drittel der Arbeitswege werden mit dem PKW zurückgelegt. Dies verursacht gut ein Viertel der C0₂-Emissionen des gesamten Personenverkehrs in Österreich. Viele Regionen sind nicht ausreichend an öffentliche Verkehrsmittel angeschlossen und somit vom Auto abhängig, um täglich in die Arbeit zu kommen. „Der weitere Ausbau von Öffis und die Förderung von Gehen und Radfahren schont das Klima und die Geldbörse“, so Högelsberger.
Heinz Högelsberger, AK Wien
Die Hälfte aller Betriebsstandorte mit über 50 Beschäftigten ist zwar sehr gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar, aber die andere Hälfte schaut durch die Finger. Die AK Wien hat beim Institut für Raumordnung (ÖIR) eine Untersuchung über die Öffi-Anbindung der Arbeitsplätze in Österreich in Auftrag gegeben. Das Resultat ist eine interaktive Landkarte, die auf Anfrage von Betriebsrät:innen genutzt werden kann, Betriebsstandorte mit schlechter Öffi-Anbindung zu identifizieren, um dort entscheidende Verbesserungen einzufordern.
Während es früher zahlreiche Werksbusse gab, verlassen sich heute viele Unternehmen darauf, dass ihre Beschäftigten ein Auto besitzen. „Unternehmen müssen dringend ein konsequentes betriebliches Mobilitätsmanagement umsetzen“, so Heinz Högelsberger. Die AK fordert ein gesetzlich verpflichtendes betriebliches Mobilitätsmanagement ab 50 Beschäftigten. Bis dies verwirklicht wird, kann Mobilitätsmanagement auch in einer Betriebsvereinbarung oder in Kollektivverträgen verankert werden. Ein Best-Practice-Beispiel gibt es bereits.
Im Kollektivvertrag für das Metallgewerbe ist das gratis Klimaticket für Lehrlinge seit 2022 verankert. „Wir sind hier Vorreiter und haben das gratis Klimaticket für Lehrlinge erfolgreich durchgesetzt. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Michael Preyss. Er ist Betriebsratsvorsitzender und vertritt im Bundesbranchenausschuss für das Metallgewerbe in der PRO-GE rund 115.000 Arbeiter:innen und Lehrlinge in Österreich.
Mit geeigneten betrieblichen Maßnahmen, wie dem Klimaticket oder der Anpassung der Arbeitszeiten an die Fahrpläne kann man Beschäftigte motivieren, auf Öffis umzusteigen.
Unternehmen könnten auch Shuttlebusse zum nächsten Bahnhof organisieren, Fahrgemeinschaften fördern, und attraktive Homeoffice Regelungen vereinbaren, rät Högelsberger. Auch Betriebskindergärten erleichtern komplexe Wegketten. Eine weitere Entlastung für das Klima sind steuerfreie Jobtickets: Firmen übernehmen teilweise oder vollständig die Kosten für Fahrkarten (z. B Jahreskarte).
Die Hälfte der Arbeitswege ist kürzer als zehn Kilometer – damit gibt es ein großes Potenzial, mit dem Rad in die Arbeit zu fahren. Die Möglichkeiten für Radfahrer:innen werden verbessert, indem mehr Abstellplätze, Ladestationen, Spinde, Duschen oder Betriebsfahrräder („Jobrad“) angeboten werden. Der Gesundheit tut es jedenfalls gut, denn Radfahrer:innen sind nachweislich gesünder und weisen weniger Krankenstände auf.
Die öffentliche Hand gewährt viele Förderungen für kostenlose Webinare und Beratungen, für den Ankauf von elektrischen Fahrzeugen, den Bau von Radabstellplätzen oder die Anschaffung von E-Bikes und Transporträdern. Für ein betriebliches Mobilitätsmanagement gibt es kostenfreie Beratung für Betriebe. Details unter Klimafit Mobil.
Michael Preyss, PRO-GE
Der Betriebsrat kann zum Beispiel eine Mitarbeiter:innen-Befragung zur Anreise in die Arbeit durchführen mit der Möglichkeit für Verbesserungsvorschläge. Außerdem kann er unterstützen, indem er die Teilnahme an Mitmach-Aktionen (z.B. „Österreich radelt“) fördert und Gewinner:innen ehrt, sowie Aktionswochen und Infotage veranstaltet. „Es ist ganz wichtig, dass die Geschäftsführung vollkommen hinter dem Projekt steht und möglicherweise eine Vorbildfunktion einnimmt. Auch der Betriebsrat muss im vollen Umfang eingebunden sein“, so Högelsberger.
Auch eine Arbeitszeitverkürzung ist klimafreundlich und trägt zur Reduktion der Emissionen bei. Leute, die mehr Zeit haben, können ihren Alltag klimafreundlicher gestalten. „Wenn wir gemeinsam für die 4-Tage-Woche kämpfen und uns das gelingt, würden meine Monteure nur mehr 4 statt 5-mal die Woche mit dem Auto fahren. Dann hätten wir einen wichtigen Teil erreicht“, betont Michael Preyss.
Pendeln ist eine finanzielle, ökologische und psychische Belastung und verursacht ein Viertel der CO2-Emissionen des gesamten Personenverkehrs. Rund eine Million Arbeitnehmer:innen beziehen das Pendlerpauschale; davon stehen drei Viertel keine zumutbaren öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung.
Pendeln stellt für viele eine große finanzielle Belastung dar. Laut einer Rechnung des ÖAMTCs (2021) liegen die durchschnittlichen Kosten für einen Pkw bei 460 Euro pro Monat, während die Ausgaben für öffentlichen Verkehr bei maximal 92 Euro gedeckelt sind (Klimaticket Österreich).
Mit 30. Juni 2023 läuft die befristete Erhöhung von Pendlerpauschale und Pendlereuro aus, die 2022 aufgrund der stark gestiegenen Spritpreise eingeführt wurde. Die AK fordert nun, das Pendlerpauschale einfacher, ökologischer und gerechter zu gestalten.
Die derzeitige Regelung benachteiligt Arbeiter:innen und Angestellte mit kleinen und mittleren Einkommen. Högelsberger: „Von den umweltschädlichen Steuersubventionen profitiert das reichste Viertel am meisten, obwohl der ärmste Bevölkerungsteil am stärksten vom Ausstoß schädlicher Emissionen betroffen ist“. Die Steuerersparnis durch das Pendlerpauschale steigt mit dem Einkommen. Die AK rechnet nach: Ein:e Arbeiter:in mit einem monatlichen Lohn von 1.800 Euro erhält für dieselbe Wegstrecke knapp 450 Euro weniger als ein leitender Angestellter mit einem Monatsbrutto von 9.000 Euro.
Für steuerliche Zwecke spielt es bisher keine Rolle, ob öffentliche Verkehrsmittel zumutbar sind und auch tatsächlich verwendet werden. AK und ÖGB fordern daher ein Reformmodell: „Pendlerabsetzbetrag mit Ökobonus“. Denn Niedrigverdienende müssen dringend entlastet werden. Mit einem Ökobonus bei nachweislicher Nutzung (z.B. eines Klimatickets), könnte ein Anreiz zum Umstieg geschaffen werden. ÖGB und AK schlagen vor, dass Pendler:innen, die öffentliche Verkehrsmittel nutzen, einen Bonus von 200 Euro erhalten sollen. Damit Gutverdienende nicht am meisten profitieren, soll statt des Steuerfreibetrags ein Absetzbetrag eingeführt werden, der die Lohnsteuer verringert und damit allen gleich stark zugutekommt.
Hier findest du den Endbericht: Erreichbarkeit großer Arbeitsplatzstandorte mit dem öffentlichen Verkehr - samt Landkarten.