Mit einem Vorurteil räumt Olivia Janisch gleich einmal auf. Nein, selbstverständlich sind Betriebsratssitzungen keine verlängerten Kaffeepausen. „Ich weiß gar nicht, woher diese Fehleinschätzung kommt“, lacht die stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft vida und des ÖBB-Konzernbetriebsrats, während sie an ihrem Espresso nippt. „Wobei Kaffee immer richtig ist, wenn er eine Besprechung begleitet.“
Denn Besprechungen sind im Rahmen der Betriebsratsarbeit ein extrem wichtiges Mittel, das Hingabe und Ernst erfordert. „Man hat ja nicht nur Wohlfühlthemen am Tisch. Davon abgesehen werden Sorgfalt und Umsicht immer benötigt. Dafür sind wir da, darauf vertrauen unsere Kolleg:innen.“
„Für Betriebsratsmitglieder gibt es zwei Besprechungen, die laut Arbeitsverfassungsgesetz vorgegeben sind“, erklärt die Expertin. „Die Betriebsratssitzung und die Betriebsversammlung.“ Janisch hat Erfahrung mit allen davon, darunter Sitzungen im Zentralbetriebsrat und in der Konzernvertretung, mit Auswirkung auf Zehntausende Beschäftigte.
Was ist das Um und Auf bei einer Betriebsratssitzung? Janisch: „Alles, was wichtig ist, im kleinen Finger oder zur Nachlese dabei zu haben. Dass man die Sitzung rechtzeitig einberuft, dass es eine klare Tagesordnung gibt, dass ein Protokoll der letzten Sitzung vorliegt und ein neues erstellt wird. Natürlich ist auch ein fixer Zeitrahmen entscheidend.“ Auch rechtlich müssen alle formalen Erfordernisse passen. „Eine Betriebsversammlung muss zumindest einmal im Kalenderhalbjahr stattfinden. Eine Betriebsratssitzung ist laut Arbeitsverfassungsgesetz dagegen mindestens einmal im Monat einzuberufen“, erklärt dazu Jurist Hannes Schneller aus der Abteilung Sozialpolitik der AK Wien.
Einem alten Arbeitsmotto des TV-Moderators Peter Rapp („Vorbereitung ist Schwäche“) folgt Janisch jedenfalls nicht. Im Gegenteil: „Vorbereitung ist alles, von der Abstimmung mit den Kolleg:innen bis zur Aufbereitung der Unterlagen. Natürlich muss auch die Möglichkeit gegeben sein, offene Punkte zu klären.“
Greta Lun, Schriftführerin im Betriebsrat der velcom GmbH
Hannes Schneller, AK Wien
Doch nicht nur auf die Vorbereitung kommt es an. „Mindestens genauso wichtig ist die Nachbereitung, die Archivierung und das Verfolgen von Themen. Womit wir bei der Schriftführung sind. Das Protokoll, das Gedächtnis aller!“
Greta Lun ist Mitglied des Betriebsrats der velcom GmbH, einer Tochterfirma der Standard Medien AG, und hat dort die Funktion der Schriftführerin inne. Sie arbeitet als Redakteurin der dazugehörigen Corporate Publishing Agentur Egger & Lerch und weiß, was ein gutes Protokoll ausmacht: „Das Protokoll ist ein Arbeitsdokument, das alles Wesentliche beinhalten soll, das besprochen wurde. Wichtig sind Beschlüsse, Todos, Themen aus der Belegschaft und Vereinbarungen zur weiteren Vorgehensweise. Wer schreibt, bestimmt, was festgehalten wird, und was nicht – das ist eine verantwortungsvolle Aufgabe. Ein gutes Protokoll muss verständlich, inhaltlich vollständig und trotzdem prägnant sein.“
Lun hat viele Tipps für die Praxis. Zum Beispiel: „Unbedingt am Rechner mitschreiben! Dann kann der Text großteils während des Meetings bearbeitet werden. Und: Eine gute Struktur hilft. Neben Fixelementen wie Datum, Ort und Uhrzeit, Anwesenden und einer durchnummerierten Agenda können auch fett markierte Textstellen sinnvoll sein, um wichtige Themen hervorzustreichen.“
Wie sieht es mit dem Einsatz von KI, etwa Transkriptionssoftware, aus? Lun: „Ich verwende Transkriptionssoftware manchmal in der redaktionellen Arbeit, aber nicht im Betriebsrat. Stichwort Datenschutz. Personenbezogene Daten sollten in KI-Tools nicht Einzug finden. Und im Betriebsrat werden oft sensible Angelegenheiten besprochen.“
Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Betriebsratsarbeit beschäftigen auch Olivia Janisch. In Deutschland gilt seit dem Jahr 2021 das Betriebsrätemodernisierungsgesetz. Janisch: „Deutschland ist uns da voraus. Bei uns müsste man das Arbeitsverfassungsgesetz anpassen. Für den Betriebsrat ist das Datenschutzrecht und der Abschluss von Betriebsvereinbarungen im Zusammenhang mit dem Einsatz neuer Technologien wie KI relevant.“
Ein besonderes Anliegen sind Janisch Betriebsversammlungen: „Weil man dabei so viel geben kann und den Kolleg:innen den Rücken stärkt. Nicht zuletzt durch die Beschlüsse bedeutet die Betriebsversammlung Ermächtigung und ist ein zentraler Hebel der betrieblichen Demokratie. Hier werden viele Facetten der Betriebsratskommunikation schlagend. Etwa, wie ich möglichst alle Beteiligten abhole, wenn ich mich an unterschiedliche Belegschaften mit je ganz eigenen Arbeitsrealitäten wende.“
Was macht Janisch, wenn eine Besprechung einmal nicht so gut laufen sollte? „Da braucht es zunächst Fingerspitzengefühl und soziale Kompetenz, um herauszufinden, woran es hakt. Wenn ich bemerke, dass nicht mehr alle der Diskussion folgen können, hilft es nachzufragen, was man verbessern könnte. Ist hingegen etwas Unangenehmes vorgefallen, macht es Sinn, erst einmal durchzuatmen.“ Womit wir wieder bei der Kaffeepause wären.