Olivia Janisch, vida / ÖBB © Markus Zahradnik
Mitbestimmung

Die perfekte Besprechung

Betriebs­rätin Olivia Janisch ist Expertin für Bespre­chungen und weiß: Vorbereitung und Finger­spitzen­gefühl sind bei Sitzungen alles.
Andreas  Rauschal
06.06.2024

 

Betriebsrätin Olivia Janisch ist Expertin für  Besprechungen. © Markus Zahradnik
© Markus Zahradnik
Betriebsrätin Olivia Janisch ist Expertin für Besprechungen.

Zwischen Sorgfalt und Umsicht 

Mit einem Vorurteil räumt Olivia Janisch gleich einmal auf. Nein, selbst­verständlich sind Betriebsrats­sitzungen keine verlängerten Kaffee­pausen. „Ich weiß gar nicht, woher diese Fehlein­schätzung kommt“, lacht die stell­vertretende Vorsitzende der Gewerkschaft vida und des ÖBB-Konzern­betriebsrats, während sie an ihrem Espresso nippt. „Wobei Kaffee immer richtig ist, wenn er eine Besprechung begleitet.“ 

Denn Besprechungen sind im Rahmen der Betriebs­ratsarbeit ein extrem wichtiges Mittel, das Hingabe und Ernst erfordert. „Man hat ja nicht nur Wohlfühl­themen am Tisch. Davon abgesehen werden Sorgfalt und Umsicht immer benötigt. Dafür sind wir da, darauf vertrauen unsere Kolleg:innen.“


Das Um und Auf bei Besprechungen

„Für Betriebsrats­mitglieder gibt es zwei Besprechungen, die laut Arbeits­verfassungs­gesetz vorgegeben sind“, erklärt die Expertin. „Die Betriebsrats­sitzung und die Betriebs­versammlung.“ Janisch hat Erfahrung mit allen davon, darunter Sitzungen im Zentral­betriebsrat und in der Konzern­vertretung, mit Auswirkung auf Zehn­tausende Beschäftigte.

Was ist das Um und Auf bei einer Betriebs­­ratssitzung? Janisch: „Alles, was wichtig ist, im kleinen Finger oder zur Nachlese dabei zu haben. Dass man die Sitzung rechtzeitig einberuft, dass es eine klare Tagesordnung gibt, dass ein Protokoll der letzten Sitzung vorliegt und ein neues erstellt wird. Natürlich ist auch ein fixer Zeitrahmen entscheidend.“ Auch rechtlich müssen alle formalen Erfordernisse passen. „Eine Betriebs­­versammlung muss zumindest einmal im Kalender­halbjahr stattfinden. Eine Betriebsrats­­sitzung ist laut Arbeits­­verfassungs­gesetz dagegen mindestens einmal im Monat einzuberufen“, erklärt dazu Jurist Hannes Schneller aus der Abteilung Sozialpolitik der AK Wien. 

Einem alten Arbeitsmotto des TV-Moderators Peter Rapp („Vorbereitung ist Schwäche“) folgt Janisch jedenfalls nicht. Im Gegenteil: „Vorbereitung ist alles, von der Abstimmung mit den Kolleg:innen bis zur Aufbereitung der Unterlagen. Natürlich muss auch die Möglichkeit gegeben sein, offene Punkte zu klären.“

Greta Lun, Schriftführerin im Betriebsrat  der velcom GmbH © Reinhard Lang
© Reinhard Lang
Greta Lun, Schriftführerin im Betriebsrat der velcom GmbH
„Das Protokoll muss ver­ständ­lich, voll­stän­dig und präg­nant sein.“

Greta Lun, Schrift­führerin im Be­triebs­rat der velcom GmbH

 

Hannes Schneller, AK Wien © Lukas Beck
© Lukas Beck
Hannes Schneller, Abteilung Sozialpolitik, AK Wien
„Eine Be­triebs­ver­samm­lung muss min­des­tens ein­mal im Halb­jahr statt­fin­den – eine Be­triebs­rats­sit­zung min­des­tens ein­mal im Mo­nat.“

Hannes Schneller, AK Wien

Zentrales Protokoll

Doch nicht nur auf die Vorbereitung kommt es an. „Mindestens genauso wichtig ist die Nach­bereitung, die Archivierung und das Verfolgen von Themen. Womit wir bei der Schrift­führung sind. Das Protokoll, das Gedächtnis aller!“

Greta Lun ist Mitglied des Betriebsrats der velcom GmbH, einer Tochterfirma der Standard Medien AG, und hat dort die Funktion der Schriftführerin inne. Sie arbeitet als Redakteurin der dazugehörigen Corporate Publishing Agentur Egger & Lerch und weiß, was ein gutes Protokoll ausmacht: „Das Protokoll ist ein Arbeits­dokument, das alles Wesentliche beinhalten soll, das besprochen wurde. Wichtig sind Beschlüsse, To­dos, Themen aus der Belegschaft und Verein­barungen zur weiteren Vorgehens­weise. Wer schreibt, bestimmt, was festgehalten wird, und was nicht – das ist eine verant­wortungsvolle Aufgabe. Ein gutes Protokoll muss verständlich, inhaltlich vollständig und trotzdem prägnant sein.“

Lun hat viele Tipps für die Praxis. Zum Beispiel: „Unbedingt am Rechner mitschreiben! Dann kann der Text großteils während des Meetings bearbeitet werden. Und: Eine gute Struktur hilft. Neben Fixelementen wie Datum, Ort und Uhrzeit, Anwesenden und einer durchnummerierten Agenda können auch fett markierte Textstellen sinnvoll sein, um wichtige Themen hervorzustreichen.“


Einsatz von KI bei Besprechungen

Wie sieht es mit dem Einsatz von KI, etwa Transkriptionssoftware, aus? Lun: „Ich verwende Transkriptions­software manchmal in der redaktionellen Arbeit, aber nicht im Betriebsrat. Stichwort Datenschutz. Personen­bezogene Daten sollten in KI-Tools nicht Einzug finden. Und im Betriebsrat werden oft sensible Angelegen­heiten besprochen.“

Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Betriebsratsarbeit beschäftigen auch Olivia Janisch. In Deutschland gilt seit dem Jahr 2021 das Betriebsräte­modernisierungs­gesetz. Janisch: „Deutschland ist uns da voraus. Bei uns müsste man das Arbeits­verfassungs­gesetz anpassen. Für den Betriebsrat ist das Datenschutzrecht und der Abschluss von Betriebsvereinbarungen im Zusammenhang mit dem Einsatz neuer Technologien wie KI relevant.“


Betriebliche Demokratie

Ein besonderes Anliegen sind Janisch Betriebs­versammlungen: „Weil man dabei so viel geben kann und den Kolleg:innen den Rücken stärkt. Nicht zuletzt durch die Beschlüsse bedeutet die Betriebs­versammlung Ermächtigung und ist ein zentraler Hebel der betrieblichen Demokratie. Hier werden viele Facetten der Betriebsrats­kommunikation schlagend. Etwa, wie ich möglichst alle Beteiligten abhole, wenn ich mich an unterschiedliche Belegschaften mit je ganz eigenen Arbeits­realitäten wende.“

Was macht Janisch, wenn eine Besprechung einmal nicht so gut laufen sollte? „Da braucht es zunächst Finger­spitzengefühl und soziale Kompetenz, um herauszufinden, woran es hakt. Wenn ich bemerke, dass nicht mehr alle der Diskussion folgen können, hilft es nachzufragen, was man verbessern könnte. Ist hingegen etwas Unangenehmes vorgefallen, macht es Sinn, erst einmal durchzuatmen.“ Womit wir wieder bei der Kaffeepause wären.


gut zu wissen

Zehn Praxistipps für gelungene Meetings:
Worauf Betriebs­rats­mitglieder achten sollten

  1. Planung ist alles
    Vom Sitzungsraum zur Tages­ordnung: Vorbereitung erleichtert jeden Termin.

  2. Keine Marathons
    Dauersitzungen ermüden. Struktur hilft, Wiede­holungen lähmen. 

  3. Gesprächskultur 
    Höflichkeit hat viele Gesichter. Achte auf den guten Ton! 

  4. Aufgabenteilung 
    Der:die Betriebsrats­vorsitzende ist vieles, aber keine One-(Wo)Man-Show.

  5. Klare Entscheidungen 
    Vermeide Fragezeichen. Verbindlichkeit führt ans Ziel. 

  6. Expertise von außen 
    Keine Angst vor Inputs. Externe Ideen haben Mehrwert. 

  7. Auflockerung 
    Beuge langen Gesichtern vor. Und achte auf Pausen!

  8. Motivation 
    Begeistere deine Kolleg:innen. Zusammen seid ihr mehr. 

  9. Saubere Protokolle 
    Gut dokumentiert ist halb gewonnen. 

  10. Fehler analysieren, Erfolge feiern 
    Aus Pannen lernen, Leistungen zelebrieren. 

 

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