Imagebild Überwachung am Arbeitsplatz © freepik
Überwachung

Über­wachung am Arbeits­platz: Der Spion, der aus der Tech­nik kommt

Bei der Über­wachung am Arbeits­platz ist viel mehr möglich, als erlaubt ist. Ohne Zu­stimmung der Beleg­schafts­ver­tretung oder der Be­schäf­tigten selbst geht jedoch gar nichts.

Heike Hausensteiner
05.12.2023

Über­wachungs­software und Tracking-­Programme

Die Zustel­ler:innen liefern das Paket an die Haustür? Ihr tragbares Barcode-Lesegerät, das die Lieferung bestätigt, überwacht allerdings auch die Beschäftigten auf Schritt und Tritt. Das Homeoffice boomt – und hat die Kreativität der Industrie noch mehr beflügelt: Überwachungs­software kann längst Telefonate abhören, auf Handys und Computer zugreifen. Sie kann neuerdings offenlegen, wann Mit­arbeiter:innen online oder offline sind, also messen, wie effizient sie arbeiten. Die Tracking-Programme finden reißenden Absatz bei Arbeit­gebern. Die Künstliche Intelligenz in Computern setzt dem noch einiges drauf.

Die betriebliche „Datenmacht“ ist proble­matisch. Wolfie Christl, der zu Überwachung, Daten­schutz, Informations­technologie und Gesell­schaft im digitalen Kapitalis­mus forscht und arbeitet, erklärt: „Beschäftigten­daten sind Macht­faktor und Kapital. Erlaubt ist viel weniger, als es am Markt Möglich­keiten zum Schnüffeln gibt.“

 


Wolfie Christl, Forscher, Netzaktivist und Leiter von Cracked Labs © privat
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Wolfie Christl, Ex­perte für di­gi­ta­len Ka­pi­ta­lis­mus
"Ohne Be­triebs­ver­ein­ba­rung gleicht der 
Ein­satz die­ser Tech­nolo­gien aus Be­schäf­tig­ten­sicht ei­nem 
Blind­flug."

Wolfie Christl, Ex­perte für di­gi­ta­len Ka­pi­ta­lis­mus

Mitbestimmung kaum vorhanden

Der Experte für digitalen Kapita­lismus verweist etwa auf die betrieblichen und gesetzlichen Schranken. „Ohne Betriebs­vereinbarung oder gar ohne Infor­mationen über die genutzten Systeme gleicht der Einsatz derartiger Tech­nologien aus Beschäf­tigten­sicht einem Blind­flug. Mit­bestimmung ist de facto nicht vorhanden.“

Außerdem müssen Unternehmen in Österreich die Daten­schutz­grund­verordnung (DSGVO) der EU einhalten. „Generell ist bei daten­verarbeitenden Systemen, die laufend Verhaltens­daten erfassen, zusammen­führen und die permanent aktualisiert und mit einem Klick erweitert werden können, oft kaum mehr nachvoll­ziehbar, wer welche personen­bezogenen Daten zu welchen Zwecken verarbeitet. Dominante Software­hersteller, gegen die die DSGVO nur unzu­reichend durchgesetzt wird, stellen oft problematische Funktionen zur Verfügung und schieben die Verant­wortung auf die Betriebe ab. Unternehmen wiederum behaupten, man sei von den Herstellern abhängig und eine Einführung sei alternativlos“, so Wolfie Christl.


Gold­standard: Mit Betriebs­rat und Betriebs­verein­barung

Grund­sätzlich gilt: In einem Betrieb mit Betriebsrat dürfen Kontroll­maßnahmen, die die Menschen­würde berühren, nur eingesetzt werden, wenn mit dem Betriebsrat eine Betriebs­vereinbarung abgeschlossen wurde. Etwa bei Video-Überwachung am Arbeits­platz, Ortung von Außendienst-Mitarbeiter:innen mittels GPS, Aufzeichnung der Arbeits­leistung durch Arbeits­mittel oder Maschinen. Martina Chlestil, Juristin in der Abteilung Sozial­politik der AK Wien, stellt klar: „Ohne Abschluss einer entsprechenden Betriebs­vereinbarung ist der Einsatz derartiger Systeme rechtswidrig, und die Kontroll­einrichtungen müssen von den Arbeit­geber:innen entfernt werden.“


In Betrieben ohne Beleg­schafts­vertretung sind solche Maßnahmen nur mit Zu­stimmung der Arbeit­nehmer:innen erlaubt. Kontroll­maßnahmen, die die Menschen­würde verletzen (etwa heimliche Über­wachungs­maßnahmen, Überwachungs­kameras in Wasch­räumen, Sozial­räumen), sind absolut un­zulässig. „Aber auch dann, wenn die Menschen­würde nicht berührt wird, kann eine Betriebs­vereinbarung erfor­derlich sein“, betont AK Expertin Chlestil, „denn in den aller­meisten Fällen handelt es sich um Personal­informations­systeme, mithilfe derer eine Fülle von Beschäf­tigten­daten verbunden und aus­gewertet werden können.“ Kommt auf betrieb­licher Ebene keine Einigung zustande, kann die Schlich­tungs­stelle angerufen werden.



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Über­wachung am Arbeits­platz

Nicht alles, was technisch möglich ist, ist auch erlaubt. Wie weit darf Kontrolle gehen? Hier findest du mehr dazu.

Martina Chlestil, AK Wien © Lukas Beck
© Lukas Beck
„Ohne Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung ist der Einsatz derartiger Systeme rechtswidrig", Martina Chlestil, AK Wien

 


Fridolin Herkommer, AK Wien © Lisi Specht
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"Gute KI-Gestaltung ist nur möglich, wenn Betroffene zu Beteiligten werden", Fridolin Herkommer, AK Wien

Deine Drei helfen


Wie können sich Arbeit­­nehmer:innen gegen rechtswidrige Über­wachung wehren? Primärer Ansprech­partner ist der Betriebsrat. Das Gremium hat Einsichts- und Kontroll­rechte und übt somit in der Praxis eine wichtige regulierende und kontrollie­rende Funktion aus. Für Beratung und Hilfe zur Rechts­durch­setzung stehen natürlich AK und Gewerkschaften ebenfalls zur Verfügung. Betriebsrat wie Arbeit­nehmer:innen können bei unzulässiger Über­wachung schlimmsten­falls beim Arbeits- und Sozial­gericht auf Unterlassung bzw. Beseitigung der Maßnahme klagen. Bei Daten­schutz­verletzungen können betroffene Arbeit­nehmer:innen auch eine Beschwerde bei der Daten­schutz­behörde einbringen.


KI-Verordnung

Was den zunehmenden Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) betrifft: Dazu verhandeln auf EU-Ebene derzeit Rat, Parlament und Kommission (Trilog) ein neues Gesetz – den Artifical Intelligence (AI) Act – aus. Es soll den Umgang mit KI in Forschung und Wirtschaft regeln. In der Arbeitswelt sollen insbesondere KI-Systeme reguliert werden, die im Zusammen­hang mit Ent­scheidungen über Beförderungen, Kündi­gungen, Aufgaben­zuweisung sowie Bewertung von Arbeit­nehmer:innen eingesetzt werden. Die KI-Verordnung dürfte frühestens 2026 in Kraft treten. Österreich möchte davor schon eigene Regeln erlassen.


So soll die demnächst EU-weit vorgeschriebene Behörde für KI noch in diesem Jahr bei der Regulierungs­behörde RTR installiert werden. Unter­nehmen wie Bürger:innen soll sie als Anlauf­stelle dienen und Zertifizierung sowie Markt­überwachung von KI-Systemen übernehmen. Auch Kenn­zeichnungs­pflicht und KI-Workshops in allen Gemeinden kommen.


Betroffene miteinbeziehen

Aus AK Sicht ist es wichtig, dass die geplante KI-Strategie im Sinn der Beschäf­tigten für mehr Arbeits­zufrieden­heit, höhere Arbeits­platz­qualität und Arbeits­produktivität entwickelt wird. Zusätzlich fordert Fridolin Herkommer, Leiter des Büros für Digitale Agenden der AK Wien, die betriebliche Mit­bestimmung sowie die betriebliche Aus- und Weiter­bildung ein.


„Gute KI-Gestaltung ist nur möglich, wenn Betroffene zu Beteiligten werden und Betriebsräte bei der Planung und Ein­führung von KI-Anwendungen so recht­zeitig mitein­bezogen werden, dass eine Technik­folgen­abschätzung möglich wird.“ Zudem sei es wichtig, die Kon­sument:innen­rechte im Auge zu behalten, so Herkommer.


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Daten­schutz für Be­triebs­räte

Nicht zuletzt aufgrund der verstärkten Über­wachungs­möglich­keiten kommt dem Daten­schutz immer größere Bedeutung zu. Lies hier mehr zur Daten­schutz-Grund­verordnung (DSGVO).

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