Sommerliche Temperaturen werden nicht nur in der Dachgeschoßwohnung oder der Straßenbahn zur Belastungsprobe, sondern vor allem auch am Arbeitsplatz. Während das luftige, kurze Outfit im Schanigarten kein Problem ist, gelten bei der Arbeit oft schweißtreibende Kleidervorschriften. Die gute Nachricht: In den meisten Fällen gibt es praktikable Lösungen, wenn alle Beteiligten das Gespräch suchen und die rechtlichen Rahmenbedingungen kennen.
„Bekleidungsvorschriften sind ein Eingriff in die Privatsphäre“, erklärt Jasmin Haindl, Juristin und Arbeitsrechtsexpertin der Arbeiterkammer Wien. „Daher müssen sie sachlich begründet und branchenüblich sein.“ In Bereichen mit Kund:innenkontakt wie in Banken, Gastronomie oder Handel sind formelle Dresscodes zulässig und üblich – etwa das Tragen eines Hemds oder einer Uniform. Kleidungsvorschriften im Büro oder in öffentlichen Einrichtungen sind aber etwas anderes als Vorgaben zum Arbeitsschutz, wie zum Beispiel das Tragen von Sicherheitsausrüstung.
„Bekleidungsvorschriften sind ein Eingriff in die Privatsphäre. Daher müssen sie sachlich begründet und branchenüblich sein.“
Jasmin Haindl, Juristin und Arbeitsrechtsexpertin, AK Wien
Inwiefern darf man die eigene Kleidung also anpassen? Die Krawatte an Hitzetagen wegzulassen, ein Kleid mit kürzeren Ärmeln zu wählen oder das Sakko abzulegen, wird in den meisten Fällen – auch im formelleren Setting – kein Problem sein. Vor allem, weil die meisten Kund:innen dafür Verständnis zeigen. Haindl empfiehlt trotzdem keine Alleingänge, sondern, das Gespräch mit den Vorgesetzten zu suchen. „Ob kurze Hosen oder offene Schuhe erlaubt sind, hängt stark vom Arbeitsplatz ab“, so Haindl.
Gibt es keine schriftlichen Vereinbarungen, gelten auch mündliche Absprachen oder branchenübliche Gepflogenheiten, sofern diese zulässig sind. Lockere, wallende Kleidung zu verbieten, wenn zum Beispiel mit Maschinen gearbeitet wird und eine Gefährdung besteht, ist sachlich gerechtfertigt. „Eine Regelung muss außerdem neutral und für alle gleich sein“, betont Haindl. „Es gibt das Gleichbehandlungsgesetz, das vor Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung schützt.“
„Schutzkleidung oder Berufskleidung darf nicht eigenmächtig abgeändert oder abgelegt werden.“
Petra Streithofer, Referentin in der Abteilung Sicherheit, Gesundheit und Arbeit, AK Wien
Gibt es Konflikte, ist der Betriebsrat die erste Anlaufstelle. Weiters kann man sich an die Arbeiterkammer oder die Gewerkschaft wenden. Sollten Konflikte tatsächlich eskalieren, entscheidet schlussendlich das Gericht. Die Uniform an heißen Tagen einfach abzulegen, sie zu verändern oder ohne Ankündigung in Badeschlapfen in der Kanzlei zu erscheinen, ist auf jeden Fall nicht zu empfehlen – und sogar rechtlich riskant. Das gilt umso mehr bei Kleidung, die zum Schutz der Beschäftigten dient.
„Bei großer Hitze steigt das Risiko für Kreislaufprobleme und Erschöpfung. Vor allem bei schwerer körperlicher Arbeit kann das bis zum Hitzekollaps führen“, warnt Petra Streithofer, Referentin für Sicherheit, Gesundheit und Arbeit der AK Wien. Arbeitgeber sind aufgrund der Fürsorgepflicht aufgefordert, Belastungen durch Hitze nach einem schrittweisen Modell zu reduzieren: Zuerst sollen technische Maßnahmen wie Kühlung oder Beschattung greifen, dann organisatorische wie Schichtverlegung oder zusätzliche Pausen. Erst wenn all das nicht ausreicht, kommen persönliche Maßnahmen – wie Bekleidung – ins Spiel. Das sieht nun auch die neue Hitzeschutzverordnung der Bundesregierung vor, die am 1. Jänner 2026 in Kraft treten soll – AKtuell hat berichtet.
In vielen Branchen, etwa auf Baustellen oder in Gärtnereien, ist Schutzkleidung (wie etwa Sicherheitsschuhe oder Helme) verpflichtend. Weiters gibt es auch Berufskleidung, zum Beispiel in Küchen, die bestimmten Hygieneanforderungen entspricht. „Beides darf nicht eigenmächtig abgeändert oder abgelegt werden“, betont Streithofer.
Bei Tätigkeiten im Freien dient Kleidung sogar zum Schutz vor UV-Strahlung. Falls ein Schutzkleidungs-Modell zu sehr belastet oder aus unangenehmen Materialien gefertigt ist, gibt es aber möglicherweise Alternativen, die der Betriebsrat vorschlagen kann.
Betriebsräte und Sicherheitsvertrauenspersonen sollten bei der Beschaffung von Schutz- oder Arbeitskleidung eingebunden werden. „Das ist bei persönlicher Schutzausrüstung sogar gesetzlich verpflichtend“, so Streithofer. Betriebsinternes Probetragen unterschiedlicher Modelle und Materialien macht schlussendlich für alle Sinn. Die Arbeitnehmer:innenvertretung kann auch gemeinsam mit der Arbeitsmedizin Verbesserungsvorschläge initiieren, beispielsweise synthetische Materialien, wenn möglich, durch andere zu ersetzen.
Erfahre im AK Ratgeber „Arbeiten im Klimawandel“ Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema Klimakrise und Jobs. Jetzt gratis durchblättern oder downloaden.