Isabell Koberwein, GPA
Ewald Lochner: Wir treiben alle im selben Ozean, der massive Wellen schlägt, was die Teuerung betrifft. Manche müssen das in einem Tretboot bewältigen, während andere im Luxusliner sitzen. Für die, die sich im Tretboot befinden, ist der Druck enorm. Manche versuchen, sich mit Substanzen zu helfen.
Ewald Lochner: Rund neun Prozent der Erwachsenen greifen zu leistungssteigernden Substanzen. Bei Männern ist speziell Alkohol ein Thema. Aber auch immer mehr Frauen bauen Druck über Alkohol ab. Psychisch belastet sind vor allem jene im unteren Einkommensdrittel, Alleinerzieher:innen und Menschen unter dreißig.
Isabel Koberwein: In der Arbeitswelt gibt es viele Faktoren, die Sucht begünstigen können. Lange Arbeitszeiten, wachsender Arbeitsdruck und das Verschwimmen von Arbeit und Freizeit zählen dazu. Zusätzlich sind Arbeitnehmer:innen enormen Anforderungen ausgesetzt. Das wird oftmals durch Alkohol oder andere Substanzen kompensiert.
Ewald Lochner: Seit 2020 steigen die psychischen Belastungen der arbeitenden Menschen kontinuierlich. Eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich kann Abhilfe schaffen. Das nimmt Druck raus, ist gut für die Psyche und wirkt präventiv.
Ewald Lochner, Sucht- und Drogenkoordination Wien
Ewald Lochner: Wenn Menschen eine Suchterkrankung erleiden, spüren sie extremen Druck, weil das ein tabuisiertes Thema ist. Umso wichtiger ist es, offen darüber zu sprechen. Es braucht ein klares Regelwerk, das vorgibt, wie der Betrieb beispielsweise mit Alkoholkonsum umgeht.
Isabel Koberwein: Der Umgang mit Sucht ergibt sich aus dem Arbeitnehmer:innenschutz und dem Thema Gesundheit im Betrieb. Da haben Betriebsrät:innen wichtige Mitbestimmungsrechte. Der Betriebsrat kann sensibilisieren, indem er das Thema aktiv anspricht, und betriebliche Regelungen auf den Weg bringt.
Ewald Lochner: Hier greift das Institut für Suchtprävention unter die Arme und bietet Betriebsrät:innen breite Angebote wie Fortbildungen, Beratungen oder Handlungsleitfäden.
Isabel Koberwein: Gemeinsam mit der Sucht- und Drogenkoordination haben wir eine Musterbetriebsvereinbarung erstellt, die wichtige Aspekte abdeckt: Wie kann ich belastende Situationen verhindern, sodass Suchtprobleme gar nicht erst auftreten? Wer kann was im Akutfall tun?
Ewald Lochner: Ebenso ist die Wiedereingliederung ein darin abgebildeter Punkt. Speziell im Bereich der psychischen Erkrankungen handelt es sich oft um lange Krankenstände. Zum Schutz vor dem Verlust des Arbeitsplatzes kann die Wiedereingliederung entlasten.
Ewald Lochner: Suchterkrankungen wirken sich negativ auf das Betriebsklima aus. Oft kommt es zu mehr Fehlzeiten und weniger Leistung, was andere Kolleg:innen auffangen müssen. Letztlich muss der Arbeitgeber für ein arbeitnehmer:innenfreundliches Arbeitsklima sorgen.
Isabel Koberwein: Auf diese Verantwortung des Arbeitgebers für gesunde Arbeitsbedingungen sollten Betriebsrät:innen pochen. Sie können auch die Betreuung durch Arbeits- und Organisationspsycholog:innen anstoßen, oder auf eine fehlende Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz hinweisen.