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Kolumne 
Draufgeschaut

Wenn Arbeit süch­tig macht

Der tie­fe Blick ins Glas und die schein­ba­re Not­wen­dig­keit, sich etwas „ein­werfen“ zu müssen – für viele Men­schen der ein­zige Weg, um mit dem Druck am Arbeits­platz fertig zu wer­den.

Oliver Piller
03.04.2024

Im Büro schenkt sich der Haupt­darsteller ein Glas Whisky ein, setzt sich auf seinen Platz und brütet über einem Problem. Aus Film und Fern­sehen kennen wir genügend solcher Szenen. Was hier als drama­turgische Inszenierung aufblitzt, ist traurige Realität für tausende Erwerbs­tätige in Österreich: Abhängigkeit von Alkohol, Medika­menten und Drogen am Arbeits­platz

Rund neun Prozent aller Beschäf­tigten greifen auf süchtig machende Substanzen zurück, um ihre Arbeits­leistung zu erbringen. Das zieht sich quer durch alle Branchen. Ich selbst, aus der Gastro­nomie kommend, konnte das hautnah miterleben. Wie Kolleg:innen während einer intensiven Schicht dann auch öfter zum Bier greifen – oder zum Joint nach Ende der Arbeits­zeit, um endlich „runter­kommen zu können“.

Oliver Piller, AK Wien © Christian Heiling, Jakob Fielhauer
© Christian Heiling, Jakob Fielhauer
Ein Kommentar von Oliver Piller, AK Wien

Gründe für den Suchtmittelkonsum am Arbeitsplatz

Die Gründe für Sucht­mittel­konsum am Arbeits­platz sind schnell ausgemacht. Hoher Leistungs­druck, ständiger Zeit­mangel und Stress sowie fehlende Anerkennung und Wert­schätzung. Das Unter­nehmen möchte seinen Profit steigern. Die Führungs­ebenen bauen Druck auf, damit die Mit­arbeiter:innen noch mehr, noch besser, noch effizienter arbeiten. Einzelne Kolleg:innen greifen dann auf Substanzen zurück, um besser „zu funktionieren“. Somit schaffen sie es, kurz­fristig produktiver bzw. länger zu arbeiten – auf Kosten ihrer geistigen und körperlichen Gesund­heit

Es ist eines der Phänomene des Kapi­talismus, den Profit zum höchsten Gut zu erklären. Um dieses Ziel zu erreichen, wird die Zerstörung von Mensch und Natur in Kauf genommen. Ständig hoher Druck am Arbeits­platz und lange Arbeits­zeiten machen krank und lassen manche Menschen zur Flasche greifen. 

Hier muss entgegen­gewirkt werden. Ich wünsche mir dabei eine Arbeits­zeit­verkürzung bei vollem Lohn- und Personal­ausgleich, die Rücknahme der Regelungen zum 12-Stunden-Tag und ein Verbot von All-in-Verträgen. Holen wir uns unsere Lebens­zeit tatsächlich zum Leben zurück!


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