3.000 Quadratmeter misst die Produktionshalle der Großkonditorei Aida in Wien-Floridsdorf, in der 72 Beschäftigte Kuchen, Torten, Plunder und mehr für 21 eigene Geschäfte, zehn Franchisenehmer und die Filialen von Billa Plus erzeugen. Eine Fläche, die natürlich zu groß ist, um sie komplett zu klimatisieren – von der Raumhöhe (sechs Meter!) ganz zu schweigen.
Dass die Betriebsstätte in den 1970er-Jahren errichtet wurde, als vom Klimawandel noch keine Rede war, und sie die Eigenschaften einer damals üblichen Lagerhalle erfüllt, macht die Sache nicht einfacher: Das mit Steinen belegte Flachdach und eine Fassade aus Industrieglas, die sich zumindest auf einer Seite über die Länge der ganzen Halle zieht, sorgen durch die direkte Sonneneinstrahlung im Sommer für Temperaturen von bis zu 36 Grad Celsius. Und dann sind da natürlich noch die sieben Öfen, in denen das Warenangebot mit bis zu 200 Grad gebacken wird.
„Der Erste, der bei uns um 5 Uhr in der Früh in die Halle kommt, läuft dann gleich gegen eine Hitzewand“, berichtet Nathalie Fally. Für die 49-jährige Wienerin, die den Beruf der Konditorin bereits bei Aida gelernt hat, seither im Unternehmen tätig und heute außerdem Betriebsratsvorsitzende ist, sind vor allem die zunehmenden Hitzeperioden ein großes Problem: „Dann wird es wirklich mühsam!“ Nicht zuletzt, weil diese Phasen mit anderen Extremwetterereignissen einhergehen, die zusätzliche Herausforderungen mit sich bringen.
„Viele Mitarbeiter:innen müssen nach Dienstschluss zunächst einmal schlafen, weil die temperaturbedingte Erschöpfung einfach zu groß ist.“
Nathalie Fally, Betriebsratsvorsitzende und Konditorin in der Konditoreikette Aida
„Unsere Halle hat Dachklappenfenster, die früher über Nacht geöffnet waren, damit die Hitze entweichen konnte: Alles, was sich tagsüber aufgestaut hat, ist dann einfach nach oben hin abgezogen. Heute gibt es dafür einerseits zu viele Tropennächte, andererseits zwingen uns die oft ja recht unerwarteten Gewitter dazu, die Fenster zu schließen. So bekommen wir die Hitze auch in der Nacht nicht mehr raus.“
2024 war in Österreich das wärmste Jahr der Messgeschichte. In Wien wurden neue Höchstzahlen an Hitzetagen erreicht (also Tage mit mindestens 30 Grad Celsius), etwa laut Aufzeichnungen der Wetterstationen Innere Stadt (52 Hitzetage) oder Hohe Warte (45 Hitzetage). Die Auswirkungen für die Beschäftigten sind entsprechend, wie auch Harald Bruckner, Referent in der Abteilung Sicherheit, Gesundheit und Arbeit der AK Wien, weiß: „Ab 30 Grad steigt nicht zuletzt die Unfallhäufigkeit nachweislich an. Die Konzentrationsfähigkeit sinkt, man ist weniger aufmerksam. Dazu kommt, dass es meistens um die Mittagszeit so richtig heiß wird, wenn Beschäftigte bereits mehrere Stunden Arbeit in den Knochen haben.“
Bruckners Hauptkritikpunkt: Der gesetzliche Schutz vor Hitze am Arbeitsplatz ist mangelhaft, vor allem weil es keine definierte Temperaturobergrenze gibt, die die AK daher fordert. Eine Ausnahme besteht lediglich im Baugewerbe, wo die Arbeit ab 32,5 Grad Celsius im Schatten niedergelegt werden kann – allerdings nur, wenn der Arbeitgeber zustimmt. „Der Rest ist der Paragraf 66 im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, der aber zu allgemein ist, sowie die Arbeitsstättenverordnung, die nur im Indoorbereich gilt und lediglich Mindesttemperaturen regelt.“
„Manche Firmen sind in Sachen Hitzeschutz bereits durchaus innovativ – aber nicht aus reiner Selbstlosigkeit, sondern weil sie sich Wettbewerbsvorteile erhoffen.“
Harald Bruckner, Referent in der Abteilung Sicherheit, Gesundheit und Arbeit der AK Wien
Entlang der Pole Indoor und Outdoor definiert Bruckner auch die beiden großen Kategorien der betroffenen Arbeitnehmer:innen, so unterschiedlich ihre einzelnen Branchen auch sein mögen. Die fehlenden Temperaturobergrenzen sind ohnehin für alle ein Problem. Bruckner: „Wir hoffen, dass der Gesetzgeber hier rasch nachzieht. Im Regierungsprogramm findet sich ja die Absicht, dass es eine Verordnung zum Schutz vor Hitze bei Arbeiten im Freien geben soll.“
Natürlich sei den Unternehmen die Problematik längst bewusst und sie würden deshalb auch bereits selbst nach Lösungen suchen. Bruckner: „Manche Firmen sind dabei durchaus innovativ. Aber nicht aus reiner Selbstlosigkeit, sondern weil sie sich Wettbewerbsvorteile erhoffen.“ Als Beispiele nennt er das Dämmen von Maschinen oder die Entnahme von Hitze, um sie über Wärmetauscher im Kreislauf zu führen. So lassen sich die heute oft massiven Energiekosten reduzieren, während Großmaßnahmen wie die thermische Sanierung von alten Gebäuden aufgrund der Kosten oftmals auf die lange Bank geschoben werden.
Nathalie Fally bestätigt Harald Bruckner in all diesen Punkten. Sie würde sich vom Gesetzgeber mehr Fördermöglichkeiten für Altbaubestände bei sinnvollen, nachhaltigen Investitionen wünschen – und ergänzt hinsichtlich der wichtigen Präventionsmaßnahmen: „Es hat ja auch keiner etwas davon, wenn dreimal pro Woche die Rettung kommt, weil die Leute zusammenbrechen.“
Zum Glück sei man bei Aida aber ohnehin äußerst ein- und umsichtig: Es besteht die Möglichkeit regelmäßiger Kühl- und Trinkpausen, Ventilatoren sorgen in den meisten Arbeitsbereichen für angenehmen Luftzug, ein beschatteter Garten lädt zum Verweilen ein – und baulich von der großen Halle getrennte Bereiche wie die Chocolaterie und die Eisproduktion seien aus produktionstechnischen Erfordernissen ohnehin klimatisiert.
Dass es im Betrieb auch einige Kühlschränke gibt, die sich im Sommer großer Beliebtheit erfreuen, steht auf einem anderen Blatt. „Kolleg:innen holen dann zum Beispiel sehr gerne einmal die Butter“, lacht Fally – und wird gleich wieder ernst. Denn für viele Beschäftigte geht es nach dem Arbeitstag in teils trockener, teils subtropischer Hitze nicht ins Freibad, sondern ins Bett. „Viele Mitarbeiter:innen berichten, dass sie nach Dienstschluss zunächst einmal eine halbe Stunde schlafen müssen, weil die temperaturbedingte Erschöpfung einfach zu groß ist.“
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Harald Bruckner empfiehlt betroffenen Unternehmen einen Hitzeschutzplan nach „TOP-Prinzip“ – einen Plan also, der eine fundierte Arbeitsplatzevaluierung in Abstimmung des Betriebsrats mit Sicherheitsfachkraft, Sicherheitsvertrauensperson und Arbeitsmedizin vorsieht und das Ergreifen technischer, organisatorischer und persönlicher Maßnahmen inkludiert (siehe Box unten). Nur so kann es gelingen, dass Beschäftigte dauerhaft gesund und produktiv bleiben.
Fally betont nicht zuletzt die Notwendigkeit der Flüssigkeitsaufnahme – „gerade unsere Lehrlinge vergessen darauf leider zu oft“ – und attestiert ihrer Branche zumindest einen kleinen Vorteil: „Da wir im Sommer weniger Absatz haben, können die Beschäftigten bei uns vermehrt auch dann auf Urlaub oder zumindest früher nach Hause gehen.“ Nachsatz: „Wäre Weihnachten im Sommer, hätten wir ein Problem.“