Nathalie Fally, Aida, Hitze am Arbeitsplatz © Markus Zahradnik


Weitblick

Hitze am Arbeitsplatz: Cool bleiben

Nathalie Fally ist mit Hitze am Arbeitsplatz konfrontiert. Als Betriebsrats­vorsitzende, die am Produktions­standort der Konditorei­kette Aida in Floridsdorf selbst am Backofen steht, weiß sie aber, was sich dagegen machen lässt.
Außerdem in diesem Beitrag: Die neue Hitzeschutz­verordnung der Bundesregierung und ihre Maßnahmen für Beschäftigte im Freien.

Andreas  Rauschal
26.05.2025

3.000 Quadratmeter misst die Produktions­halle der Großkonditorei Aida in Wien-Floridsdorf, in der 72 Beschäftigte Kuchen, Torten, Plunder und mehr für 21 eigene Geschäfte, zehn Franchise­nehmer und die Filialen von Billa Plus erzeugen. Eine Fläche, die natürlich zu groß ist, um sie komplett zu klimatisieren – von der Raumhöhe (sechs Meter!) ganz zu schweigen. 

Dass die Betriebsstätte in den 1970er-Jahren errichtet wurde, als vom Klimawandel noch keine Rede war, und sie die Eigen­schaften einer damals üblichen Lagerhalle erfüllt, macht die Sache nicht einfacher: Das mit Steinen belegte Flachdach und eine Fassade aus Industrieglas, die sich zumindest auf einer Seite über die Länge der ganzen Halle zieht, sorgen durch die direkte Sonnen­einstrahlung im Sommer für Temperaturen von bis zu 36 Grad Celsius. Und dann sind da natürlich noch die sieben Öfen, in denen das Waren­angebot mit bis zu 200 Grad gebacken wird.

Tropennächte und Gewitter

„Der Erste, der bei uns um 5 Uhr in der Früh in die Halle kommt, läuft dann gleich gegen eine Hitzewand“, berichtet Nathalie Fally. Für die 49-jährige Wienerin, die den Beruf der Konditorin bereits bei Aida gelernt hat, seither im Unternehmen tätig und heute außerdem Betriebsrats­vorsitzende ist, sind vor allem die zunehmenden Hitzeperioden ein großes Problem: „Dann wird es wirklich mühsam!“ Nicht zuletzt, weil diese Phasen mit anderen Extremwetterereignissen einhergehen, die zusätzliche Herausforderungen mit sich bringen. 


Nathalie Fally, Aida, Hitze am Arbeitsplatz © Markus Zahradnik
Nathalie Fally, Konditorin und Betriebsratsvorsitzende © Markus Zahradnik

Viele Mitarbeiter:innen müssen nach Dienst­schluss zunächst einmal schlafen, weil die tem­peratur­bedingte Er­schöpfung einfach zu groß ist.


Nathalie Fally, Betriebsratsvorsitzende und Konditorin in der Konditoreikette Aida 


„Unsere Halle hat Dachklappenfenster, die früher über Nacht geöffnet waren, damit die Hitze entweichen konnte: Alles, was sich tagsüber aufgestaut hat, ist dann einfach nach oben hin abgezogen. Heute gibt es dafür einerseits zu viele Tropennächte, andererseits zwingen uns die oft ja recht unerwarteten Gewitter dazu, die Fenster zu schließen. So bekommen wir die Hitze auch in der Nacht nicht mehr raus.“ 

2024 war in Österreich das wärmste Jahr der Messgeschichte. In Wien wurden neue Höchstzahlen an Hitzetagen erreicht (also Tage mit mindestens 30 Grad Celsius), etwa laut Aufzeichnungen der Wetterstationen Innere Stadt (52 Hitzetage) oder Hohe Warte (45 Hitzetage). Die Auswirkungen für die Beschäftigten sind entsprechend, wie auch Harald Bruckner, Referent in der Abteilung Sicherheit, Gesundheit und Arbeit der AK Wien, weiß: „Ab 30 Grad steigt nicht zuletzt die Unfallhäufigkeit nachweislich an. Die Konzentrationsfähigkeit sinkt, man ist weniger aufmerksam. Dazu kommt, dass es meistens um die Mittagszeit so richtig heiß wird, wenn Beschäftigte bereits mehrere Stunden Arbeit in den Knochen haben.“

Neue Hitzeschutzverordnung

Bruckners Hauptkritikpunkt: Der gesetzliche Schutz vor Hitze am Arbeitsplatz war über lange Zeit mangelhaft, vor allem aufgrund fehlender Temperatur­obergren­zen. Lediglich im Bau­gewerbe kann die Arbeit ab 32,5 Grad Celsius im Schatten niedergelegt werden – allerdings nur, wenn der Arbeitgeber zustimmt. „Der Rest ist bisher der Paragraf 66 im Arbeitneh­merInnen­schutz­gesetz, der aber zu allgemein ist, sowie die Arbeits­stätten­verordnung, die nur im Indoor­bereich gilt und lediglich Mindesttemperaturen regelt.“ 


Harald Bruckner, AK Wien © Erwin Schuh
Harald Bruckner, AK Wien © Erwin Schuh

Manche Firmen sind in Sachen Hitze­schutz bereits durch­aus innovativ – aber nicht aus reiner Selbst­losig­keit, sondern weil sie sich Wett­bewerbs­vor­teile erhoffen.


Harald Bruckner, Referent in der Abteilung Sicherheit, Gesundheit und Arbeit der AK Wien



Entlang der Pole Indoor und Outdoor definiert Bruckner auch die beiden großen Kategorien der betroffenen Arbeit­nehmer:innen, so unterschiedlich ihre einzelnen Branchen auch sein mögen. Und zumindest für den Outdoor­bereich zeichnen sich nun wichtige, von der Arbeiter­kammer seit langem geforderte Ver­besserungen ab: Die – derzeit in Begutachtung befindliche – Hitzeschutz­verordnung der Bundes­regierung sieht vor, dass Arbeitgeber Maßnahmen setzen müssen, sobald die GeoSphere Austria eine Hitze­warnung mindestens der Stufe zwei (30 bis 34 Grad Celsius) ausgibt. Im Vorder­grund steht dabei die Gefahren­vermeidung durch technische, organisatorische und persönliche Maßnahmen (Details siehe Infobox). Sie sollen dazu beitragen, dass Beschäftigte dauerhaft gesund und produktiv bleiben. 

„Maßnahmen gegen Hitze schützen nicht nur Arbeit­nehmer:innen, sondern beugen auch krankheits­bedingten Ausfällen und damit wirtschaftlichen Schäden vor“, sagt dazu Silvia Rosoli, Leiterin der Abteilung Sicherheit, Gesundheit und Arbeit der AK Wien. „Ohne Maßnahmen gegen Hitze häufen sich Krankenstände, Rettungs­transporte und Kranken­haus­aufenthalte.“

In Kraft treten soll die Hitzeschutzverordnung bereits am 1. Jänner 2026, wobei für weitere darin vorgesehene Eckpunkte wie die verpflichtende Ausstattung von Kran-Kabinen und selbstfahrenden Arbeitsmitteln mit einer Kühlung oder Klimatisierung eine Übergangsfrist bis 1. Juni 2027 besteht.

Nach der Arbeit in der Hitze ins Bett

Natürlich ist vielen Unternehmen die Hitzeproblematik längst bewusst – und sie suchen deshalb auch proaktiv nach eigenen Lösungen. Bruckner: „Manche Firmen sind dabei durchaus innovativ. Aber nicht aus reiner Selbst­losigkeit, sondern weil sie sich Wettbewerbsvorteile erhoffen.“ Als Beispiele nennt er das Dämmen von Maschinen oder die Entnahme von Hitze, um sie über Wärmetauscher im Kreislauf zu führen. So lassen sich die heute oft massiven Energiekosten reduzieren, während Großmaßnahmen wie die thermische Sanierung von alten Gebäuden aufgrund der Kosten oftmals auf die lange Bank geschoben werden.

Nathalie Fally bestätigt Harald Bruckner in all diesen Punkten. Sie würde sich vom Gesetzgeber mehr Fördermöglichkeiten für Altbau­bestände bei sinnvollen, nachhaltigen Investitionen wünschen – und ergänzt hinsichtlich der wichtigen Präventions­maßnahmen: „Es hat ja auch keiner etwas davon, wenn dreimal pro Woche die Rettung kommt, weil die Leute zusammenbrechen.“

Zum Glück sei man bei Aida aber ohnehin äußerst ein- und umsichtig: Es besteht die Möglichkeit regelmäßiger Kühl- und Trinkpausen, Ventilatoren sorgen in den meisten Arbeits­bereichen für angenehmen Luftzug, ein beschatteter Garten lädt zum Verweilen ein – und baulich von der großen Halle getrennte Bereiche wie die Chocolaterie und die Eisproduktion seien aus produktions­technischen Erfordernissen ohnehin klimatisiert.

Trinken, trinken, trinken

Dass es im Betrieb auch einige Kühlschränke gibt, die sich im Sommer großer Beliebtheit erfreuen, steht auf einem anderen Blatt. „Kolleg:innen holen dann zum Beispiel sehr gerne einmal die Butter“, lacht Fally – und wird gleich wieder ernst. Denn für viele Beschäftigte geht es nach dem Arbeitstag in teils trockener, teils subtropischer Hitze nicht ins Freibad, sondern ins Bett. „Viele Mitarbeiter:innen berichten, dass sie nach Dienstschluss zunächst einmal eine halbe Stunde schlafen müssen, weil die temperaturbedingte Erschöpfung einfach zu groß ist.“


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AK Ratgeber Arbeiten im Klimawandel © AK Wien

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An persönlichen Maßnahmen betont Fally nicht zuletzt die Notwendigkeit der Flüssigkeitsaufnahme  – „gerade unsere Lehrlinge vergessen darauf leider zu oft“ – und attestiert ihrer Branche zumindest einen kleinen Vorteil: „Da wir im Sommer weniger Absatz haben, können die Beschäftigten bei uns vermehrt auch dann auf Urlaub oder zumindest früher nach Hause gehen.“ Nachsatz: „Wäre Weihnachten im Sommer, hätten wir ein Problem.“

Redaktioneller Hinweis: Dieser Artikel wurde am 10. Juli aktualisiert und um Informationen über die nun in Begutachtung befindliche Hitzeschutzverordnung der Bundesregierung ergänzt.


gut zu wissen

Gegen das große Schwitzen:
5 Tipps für den Betriebsrat gegen Hitze am Arbeitsplatz im Sommer 2025

  1. Daten erheben. Temperaturen messen, Hotspots entdecken und dokumentieren. Nur so können Maßnahmen an den richtigen Stellen ergriffen werden.

  2. Auf die Beschäftigten hören. Sie kennen ihren Arbeitsplatz am besten und wissen genau, wo der Schuh drückt. 

  3. Zusammenarbeit. Die enge Abstimmung mit Sicherheitsfachkraft, Sicherheitsvertrauensperson und Arbeitsmedizin ist entscheidend. 

  4. Schutzmaßnahmen nach TOP-Prinzip treffen:
    Technische Maßnahmen (Beschattung, Kühlung, Dämmung)
    Organisatorische Maßnahmen (Anpassung der Arbeitszeit, Job-Rotation etc.)
    Persönliche Maßnahmen (Flüssigkeitsaufnahme, Schutzkleidung etc.)

  5. Hitzeschutzplan entwickeln. Alle Schritte führen am Ende zu einem Hitzeschutzplan, der auch Erste-Hilfe-Maßnahmen beinhaltet und für alle im Betrieb Beschäftigten gilt.



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