Das Kinderbetreuungsgeld soll jungen Familien finanzielle Sicherheit in der fordernden Zeit nach der Geburt geben. Doch in der Praxis erleben viele Eltern das Gegenteil: Anträge werden verzögert bearbeitet, Leistungen verweigert, Versicherungszeiten unterbrochen. In den Beratungsstellen der Arbeiterkammer ist das Thema seit Jahren ein Dauerbrenner. Allein in Wien wurden im Vorjahr rund 21.000 Elternberatungen durchgeführt – das Kinderbetreuungsgeld ist dabei ein zentrales Problem.
Der Politik sollte dieses Problem längst bewusst sein, liegen doch schon mehrere höchstgerichtliche Urteile vor, die im Sinne der Betroffenen entschieden wurden. Passiert ist aber wenig: Noch immer bekommt die Volksanwaltschaft regelmäßig Beschwerden über bürokratische Hürden und Schikanen. Noch immer häufen sich die Hilfeansuchen verzweifelter Eltern bei der Arbeiterkammer.
„Das lange Warten auf das Kinderbetreuungsgeld bringt viele Eltern in existenzielle Notlagen“, sagt Ines Stilling, Bereichsleiterin Soziales der Arbeiterkammer Wien. Die rechtlichen Lücken, die zu Problemen führen, sind vielfältig. Besonders kompliziert wird es etwa in grenzüberschreitenden Fällen: Wenn ein Elternteil im Ausland lebt der arbeitet, zieht sich die Bearbeitung des Antrags auf Kinderbetreuungsgeld oft über Monate oder Jahre. In der Zwischenzeit sind die betroffenen Eltern mit aufwendigen Verfahren und teilweise unerfüllbaren Forderungen der Behörden konfrontiert. Probleme mit dem Krankenversicherungsschutz sind dabei eine besonders bedrohliche und häufige Folge.
Oft scheitert der Anspruch auf das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld auch an starren und weltfremden Kriterien. Wer etwa im relevanten Zeitraum vor der Geburt mehr als 14 Tage nicht erwerbstätig war, zum Beispiel wegen eines längeren Krankenstandes, fällt aus dem System – selbst, wenn die Grenze nur um wenige Tage überschritten wurde. „Diese Praxis ist lebensfern und führt zu erheblichen finanziellen Einbußen für junge Familien“, betont Stilling.
„Das lange Warten auf das Kinderbetreuungsgeld bringt viele Eltern in existenzielle Notlagen.“
Ines Stilling, Bereichsleiterin Soziales, Arbeiterkammer Wien
Auch die Frist zur Korrektur einer falsch gewählten Variante des Kinderbetreuungsgeldes ist mit 14 Tagen ab Antragstellung viel zu knapp bemessen. Ein Fehler wird häufig erst erkannt, wenn die Leistungsmitteilung schon im Postkasten liegt, eine Änderung ist dann aber schon lange nicht mehr möglich. Ablehnungen erfolgen zudem oft nur formlos, ohne rechtsgültigen Bescheid – weshalb es auch zu keiner Berufung kommen kann.
Die Krankenversicherungsträger verweisen bei Beschwerden über solche bürokratischen Hürden auf Weisungen des Familienministeriums. Und diese wurden trotz klarer Kritik durch Höchstgerichte bisher vom Ministerium nicht angepasst. „Die Menschen kommen in solchen Fällen verzweifelt zur AK in die Beratung. Wir unterstützen dann nach Kräften, aber es braucht auch eine Anpassung des rechtlichen Rahmens, damit solche Probleme erst gar nicht auftreten“, fordert Stilling.
Die Liste an Problemen mit dem System Kinderbetreuungsgeld ist lang und der Handlungsbedarf unübersehbar. Verbesserungen sind sowohl auf gesetzlicher Ebene als auch im Vollzug überfällig. Die Verfahren müssen familienfreundlicher, verständlicher und rechtlich nachvollziehbar gestaltet sein. Rechtssichere Bescheide mit Begründungen und klarer Rechtsmittelbelehrung müssen die Norm werden, damit Betroffene sich im Fall der Fälle wehren können.
Die 14-Tage-Frist zur Korrektur einer falsch gewählten Variante sollte künftig erst ab Erhalt der Leistungsmitteilung gelten, und die gemeinsame Hauptwohnsitzmeldung von Kind und Antragsteller:in soll entfallen, wenn ein gemeinsamer Haushalt eindeutig nachgewiesen werden kann. Besonders dringlich ist die Frage grenzüberschreitender Fälle: Hier müssen Verfahren beschleunigt und Behörden angewiesen werden, Leistungen vorläufig zu gewähren – auch wenn Unterlagen aus dem Ausland noch fehlen und nachgereicht werden müssen.
„Junge Familien müssen sich gerade in der fordernden Zeit nach der Geburt eines Kindes auf rasche und unbürokratische Unterstützung durch die zuständigen Institutionen verlassen können“, sagt Ines Stilling. „Existenzsichernde Leistungen müssen dann kommen, wenn sie gebraucht werden – und nicht Monate oder gar Jahre später.“
Betriebsratsmitglieder und Personalvertreter:innen sind oft erste Anlaufstelle, wenn es im Betrieb zu Problemen mit dem Kinderbetreuungsgeld kommt. Als Informationsschnittstelle können sie betroffene Kolleg:innen gezielt an Arbeiterkammer oder Volksanwaltschaft verweisen – beide Stellen bieten kostenlose Unterstützung und helfen dabei, Leistungen durchzusetzen.
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