Es sei wohl leichter, an Taylor-Swift-Konzerttickets zu kommen, scherzte man letztes Jahr unter Eltern. Wenn es darum geht, für die eigenen Kinder einen der heiß begehrten Sommercamp-Plätze der Stadt Wien zu bekommen, zählt jede einzelne Sekunde. Auch heuer. Lange bevor sich das Anmeldefenster öffnet, sitzen erfahrene Eltern angespannt vor ihren Computern und hoffen auf ihr Glück: Bekommt mein Kind einen Platz? Wie viele Wochen werden gehen? Und kann ich das jüngere Geschwisterchen zur selben Zeit einbuchen? Man zittert, man bangt, man jubelt oder flucht. Willkommen auf der jährlichen Adrenalin-Achterbahn von Eltern, die versuchen, neun Wochen Sommerferien durchzuplanen.
„Es ist ein Stress!“, weiß Vera Glassner, Referentin in der Abteilung Frauen und Gleichstellungspolitik der AK Wien. „Die Sommerferien bedeuten für Eltern enormen Stress: Wie können wir diese neun Wochen überbrücken – organisatorisch, aber auch finanziell?“ Denn die städtischen Feriencamps sind zwar eine „super Sache“ und mit rund sechzig Euro pro Woche auch im leistbaren Rahmen, doch die Plätze sind begrenzt.
Arbeitnehmer:innen mit Betreuungspflichten fragen sich also jedes Jahr aufs Neue: Wohin nur mit den Kids? Rund 160.000 Wiener Kinder im Pflichtschulalter starten 2025 in ihre wohlverdiente Sommerpause und freuen sich auf Spiel, Spaß und gemütliches Abhängen. Für sie mag sich die freie Zeit gerade lang genug anfühlen, für ihre Eltern misst der Sommer eine Ewigkeit. Nicht einmal der gesamte Jahresurlaub würde die Sommerferien ihrer Kinder abdecken – außerdem gibt es ja auch noch Weihnachtsferien und Co. Wie das also schaffen?
„Eltern nehmen sich zunächst selber Urlaub, aber der reicht natürlich nicht. Daher staffeln viele Elternpaare ihre Urlaubstage: Also erst nimmt sich der eine Elternteil frei, danach der andere. Ein gemeinsamer Familienurlaub ist gar nicht immer möglich“, erklärt Glassner. Aber es wird auch auf Großeltern oder andere Verwandte zurückgegriffen, wenn dieser „Luxus“ da ist. Vor allem wird bereits Monate im Voraus durchgeplant, Woche um Woche. „Die Sommercamps sind sehr beliebt, aber bei der Stadt muss man schnell sein. Private Camps sind da um ein Vielfaches teurer.“
„Die Sommerferien bedeuten für Eltern enormen Stress: Wie können wir diese neun Wochen überbrücken – organisatorisch, aber auch finanziell.“
Vera Glassner, Referentin in der Abteilung Frauen und Gleichstellungspolitik der AK Wien
Im Durchschnitt geben Eltern für die Sommerbetreuung 415 Euro aus – pro Kind. Das zeigte eine Elternbefragung 2024, die im Rahmen der AK Schulkostenerhebung stattfand. „Die Kosten der Ferienbetreuung stellen besonders Alleinerziehende vor eine riesige Herausforderung“, weiß Glassner. Camps muss man sich leisten können. „Doch jeder zweite Ein-Eltern-Haushalt ist armutsgefährdet.“ Wer also weder Geld für Camps, geschweige denn für lange Urlaubsreisen übrig hat, greift auf andere Lösungen zurück.
Wie etwa das Homeoffice. „Oft verschieben Eltern im Sommer ihr ,Homeoffice‘ an die Tagesränder. Wenn das nicht möglich ist, bleiben die Kinder einfach mit ihnen daheim, während sie arbeiten.“ In beiden Fällen bedeutet das eine Doppelbelastung für die betroffenen Eltern. Doch nicht nur für sie: Mit Eltern im Homeoffice sind Kinder bestenfalls halb betreut, so Glassner. Sie schauen dann häufiger fern oder beschäftigen sich mit Videospielen. Oder die Betreuungsaufgaben werden gleich von Jugendlichen übernommen, wie die Elternbefragung der AK zeigt: In 17 Prozent der Haushalte betreuen ältere Geschwister die kleineren Kinder in den Ferien.
Gerade die Bedürfnisse und Interessen von Teenager:innen werden zu wenig gesehen, stellt die Expertin fest. „Es fehlt an einem Angebot für Jugendliche, da die meisten Camps auf Kinder bis 12 Jahre ausgerichtet sind“, so Glassner. Dadurch würden vermehrt Teenager:innen längere Zeit allein zu Hause verbringen.
„Schöne Ferien“ sind also für Kinder in Österreich abhängig von den Möglichkeiten ihrer Eltern – finanziell wie organisatorisch. Der Arbeitgeber spielt dabei eine entscheidende Rolle. Was können Betriebsrät:innen tun, um für Erleichterung zu sorgen? „Einiges! Zunächst hilft es, wenn Eltern mit schulpflichtigen Kindern grundsätzlich die Möglichkeit bekommen, im Sommer drei Wochen am Stück Urlaub zu nehmen.“ Die sechste Urlaubswoche gehört nicht umsonst zu den Forderungen der Arbeiterkammer – und zwar für alle. Aber auch andere Maßnahmen unterstützen Eltern: In großen Betrieben können eigene Betriebs-Sommercamps eine echte Hilfe sein. Wenn das nicht möglich ist, hilft auch schon das aktive Informieren über (kostengünstige) Betreuungsmöglichkeiten.
Zudem braucht es das breite Bewusstsein, dass auch die langen Sommerferien zur hohen Rate an Teilzeitbeschäftigung beitragen – und dadurch Frauen in eine schlechtere Erwerbssituation bringen. „Fast drei Viertel aller Frauen mit Kindern unter 15 Jahren arbeiten in Teilzeit“, weiß Glassner. Mehr Väterbeteiligung, mehr Elternteilzeit – vor allem für Männer – und echtes Halbe-Halbe würden die Ferien also ein Stück erholsamer machen. Für alle.