Nur vier Prozent sind jünger als 30 Jahre Stieger will sich im Zentralbetriebsrat der Austria Trend Hotels bewusst für die Jungen einsetzen. Und gleichzeitig frischen Wind ins Gremium hineinbringen. „Es ist gut, dass es Mitglieder gibt, die viel Erfahrung und Wissen haben. Aber es ist auch gut, wenn junge Leute mit neuen Blickwinkeln kommen und Ideen bringen, auf die Ältere gar nicht kommen würden.“ Die Hälfte aller Betriebsratsmitglieder in Österreich ist 50 Jahre und älter, wie die Mitbestimmungsstudie von 2022 zeigt. Jünger als 30 Jahre sind nur vier Prozent der Betriebsrät:innen . Dabei macht diese Altersgruppe ein Viertel der Beschäftigten aus. Eine deutliche Kluft. Die Nachwuchsfrage in Österreichs Betriebsräten dreht sich also nicht allein um jungen Elan, sondern um Repräsentanz.
Junge Arbeitnehmer:innen werden oft vergessen „Generell finde ich, dass Lehrlinge und junge Arbeitnehmer:innen oft vergessen werden“, sagt Stieger. Gerade in Branchen wie der Hotellerie und Gastronomie sei es wichtig, diese früher aufzufangen und bei den ersten Schritten im Arbeitsleben zu begleiten . „Dann würden auch weniger junge Leute abbrechen.“ Lehrlinge werden oft ausgenutzt, weiß Stieger noch aus ihrer Zeit im Jugendvertrauensrat.
Ob im Schichtbetrieb oder weil sie durchgehend in der Küche eingesetzt werden, wenn dort Personal fehlt. „Viele trauen sich nicht, Dinge anzusprechen, aus Angst, die Lehrstelle zu verlieren.“ Ihre Branche müsse sich bemühen, attraktiver für Junge zu werden. Wer am Wochenende und nachts durcharbeitet, wer in der Küche angeschrien wird, den wird das auch noch knappere Trinkgeld nicht überzeugen. „Da passt das Verhältnis nicht.“
Erfolgserlebnis für junge Betriebsrät:innen
Bei den Kollektivverträgen mitzuverhandeln , war für die junge Betriebsrätin ein Erfolgserlebnis. Tobias Reiterits kennt das Glücksgefühl. Der 26-Jährige ist seit 2022 Betriebsrat bei der Austria Presse Agentur (APA) und hat sich bei den letzten Verhandlungen ebenfalls für die Jungen ins Zeug gelegt. „In unserer Branche arbeiten viele Studierende in Teilzeit. Mir war es wichtig, dass auch sie von der Arbeitszeitverkürzung profitieren,“ erzählt er.
Anders als Denise Stieger wurde er nicht gefragt, ob er kandidieren möchte. „Ich habe mich auf die Liste reklamiert und gesagt, ich bin motiviert, ich möchte das machen.“ Das kam gut an. Im Betriebsrat war man froh über seine Initiative . Dabei war Reiterits gerade erst ein Jahr im Unternehmen beschäftigt – mit nur 20 Stunden die Woche.
Als Studierender der Politikwissenschaft begann er in der Medienbeobachtung und erstellte zwischen sechs und zehn Uhr morgens Pressespiegel, ein klassischer Studentenjob. Dazu kamen ein zweiter Job und sein Studium. Heute arbeitet er geregelt und nur für die APA, doch die Anfangserfahrung sitzt: zu wenige Stunden, zu wenig Geld, zu hohe Kosten. Ein Los von vielen jungen Menschen.
„Junge Berufseinsteiger:innen haben das niedrigste Gehalt, sie kriegen oft nur befristete Anstellungen oder Karenzvertretungen,“ erklärt Reiterits. Das führe zu stärkeren ökonomischen, aber auch psychischen Belastungen . „Durch Homeoffice vereinsamen gerade neue Kolleg:innen“, weiß Reiterits aus eigener Erfahrung und sieht hier den Betriebsrat in der Verantwortung. „Ein Brunch, eine Weihnachtsfeier, das hilft schon viel.“
Psychisch belastet
Auch „Eisenbahner“ Mostafa Radwan erlebt eine steigende psychische Belastung bei Jungen. Der 22-jährige Infrastrukturtechniker war Vorsitzender des Zentraljugendvertrauensrates der ÖBB. Nun ist er Ersatzbetriebsrat. „Vielen Lehrlingen fehlt die Lebensfreude.“ Der letzte Arbeitsklima-Index der Arbeiterkammer Oberösterreich bestätigt: 2023 verspürten 67 Prozent der Beschäftigten bis 25 Jahre Depressivität , mehr als doppelt so viele als noch 2019.
Zuhören, eine Therapie vorschlagen, Radwan ist das ein Herzensanliegen. Auch Rassismus und Diskriminierung sind Themen. Mobbing kennt Radwan aus eigener Erfahrung und appelliert an die Jungen: „Lasst euch nicht unterkriegen!“ Der größte Erfolg: „Als Jugendvertrauensrät:innen haben wir die Einführung von Gratis-Menstruationsartikeln in den Wiener Mädchengarderoben durchgesetzt.“ Trotz anfänglichen Gelächters.
Die Jungen trauen sich mehr!
„Wir Jungen trauen uns oft mehr – aber wir dürfen auch mehr,“ findet Denise Stieger. Man sei näher an den Themen der jüngeren Beschäftigten dran. Doch die größte Motivation hilft wenig, wenn Unterstützung fehlt. Gerade am Anfang ist der Mitbestimmungswille oft größer als das Wissen um die Rechte und Pflichten im Betriebsrat. Stieger hat in ihrem Betriebsratsvorsitzenden einen Mentor, der sich ihre Ideen anhört und mit seiner Erfahrung bei der Umsetzung hilft. Aber auch die Gewerkschaften seien eine wichtige Stütze.
Was sich die drei wünschen? „Mehr Vernetzung mit jungen Betriebsrät:innen aus anderen Branchen!“ So wie bei diesem Treffen.