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Arbeitsrecht

Dienst­zettel: Was jetzt besser ist – und wo es noch hakt

Seit der Um­setzung einer EU-Richt­linie zum Thema Dienst­zettel gelten in Österreich neue Regeln. Doch für die Arbeiter­kammer gehen die Bestimmungen nicht weit genug.

Stefan Mayer
18.09.2024

Ein neues Arbeits­verhältnis zu beginnen, kann aufregend sein. Ein neues Unter­nehmen, neue Kolleg:innen, neue Aufgaben. Doch wo kann man als Arbeit­nehmer:in einsehen, für welches Aufgabengebiet man zuständig ist? Entweder im Arbeits­vertrag – oder im Dienstzettel, der allen Beschäftigten zusteht, die keinen schriftlichen Arbeits­vertrag haben. Denn in Österreich ist es nicht zwingend erforderlich, einen Arbeits­vertrag in geschriebener Form auszufertigen.  

„Das führt in der Praxis dazu, dass noch immer sehr viele Arbeit­nehmer:innen über keine schriftlichen Unter­lagen verfügen, in denen ihre Rechte und Pflichten aufgelistet sind und – im Falle eines Rechtsstreits – als Beweismittel dienen können“, sagt Philipp Brokes, Arbeitsrechts­experte der AK Wien. Ende März dieses Jahres wurde die Rechts­lage verschärft: Wer als Arbeitgeber keinen Dienstzettel ausstellt, muss mit finanziellen Sanktionen rechnen.

Philipp Brokes, AK Wien © Erwin Schuh
AK Wien Arbeitsrechtsexperte Philipp Brokes kritisiert, dass die „Dienstzettelrichtlinie“ nur für neue Arbeitsverhältnisse gilt, aber nicht für bestehende. © Erwin Schuh

„Wir haben be­reits bei der Um­setzung der Richt­linie in Deutsch­land ge­sehen, dass die Schaf­fung von an­ge­mes­senen Über­gangs­fris­ten auch für be­ste­hen­de Ver­träge mög­lich ist.


Philipp Brokes, AK Wien

Dienstzettel: Recht auf Transparenz

Ohne einen physischen Arbeits­vertrag zu besitzen, hatten Arbeit­nehmer:innen schon bisher das Recht auf die Ausstellung eines schriftlichen Dienstzettels. Allerdings gab es bis zur Neuregelung keine Konse­quenzen für säumige Arbeitgeber. Mit der Umsetzung der EU-Richtlinie zu transparenten und vorhersehbaren Arbeits­bedingungen durch das österreichische Parlament änderte sich das. 

Die Ausstellung eines Dienst­zettels gilt für echte und freie Dienst­nehmer:innen, und nun muss ein Dienstzettel beispielsweise den Hinweis auf das einzuhaltende Kündigungs­verfahren, eine kurze Tätigkeits­beschreibung oder die Art der Auszahlung des Entgelts enthalten.


Nur für neue Dienstverhältnisse

Händigt ein Unternehmen nach mündlicher oder schriftlicher Aufforderung keinen Dienstzettel oder Arbeitsvertrag aus, sind nun Verwaltungs­­strafen zwischen 100 und 2.000 Euro vorgesehen. Der Maximal­­betrag ist aber nur dann fällig, wenn mehr als fünf Arbeitnehmer:innen betroffen sind oder innerhalb von drei Jahren eine neuerliche Übertretung vorliegt. Außerdem hat der Gesetz­geber Sanktionen nur für die Nichtausstellung eines Dienstzettels an echte Dienstnehmer:innen vorgesehen, nicht aber im Fall von freien Dienstnehmer:innen. 

„Ich stelle mir die Frage: Ist eine Geldbuße von 100 Euro tatsächlich wirksam und angemessen? Das Wesen der Sanktion ist nicht eine Genugtuung für die Arbeiter­kammer, sondern die Schaffung von transparenten Arbeits­bedingungen, um Sozialbetrug sowie Lohn- und Sozialdumping zu verhindern“, zweifelt Brokes am Strafrahmen.  

Ein weiteres Problem sieht der Arbeits­rechtsexperte darin, dass die „Dienstzettel­richtlinie“ nur für neue, aber nicht für bestehende Arbeitsverhältnisse gilt. „Wir haben bereits bei der Umsetzung der Richtlinie in Deutschland gesehen, dass die Schaffung von angemessenen Übergangsfristen auch für bestehende Verträge möglich ist, wenn ein entsprechender Wille besteht“, so Brokes, der hier ein Entgegen­kommen der Regierung in Richtung Arbeitgeber sieht.


Aus- und Weiterbildungen sind Arbeitszeit

Mit der Umsetzung der Richtlinie wurde neben dem Dienstzettel auch der Bereich Aus-, Fort- und Weiterbildung neu geregelt. AK und Gewerkschaften forderten schon lange, dass diese als Arbeitszeit gelten und von den Arbeitgebern bezahlt werden müssen.  

Jene Aus-, Fort- und Weiter­bildungen, die Voraussetzung für die Ausübung einer arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit sind, sind nun als Arbeitszeit zu behandeln. „Für viele Berufs­gruppen sind laufende Fortbildungen gesetzlich vorgeschrieben, sei es im Pflege- oder im Transportbereich“, gibt Brokes zwei Beispiele. „Die neue Bestimmung, wonach die Kosten dafür nicht von den Arbeitnehmer:innen selbst zu tragen sind, sondern eben von ihren Betrieben, denen die Arbeits­leistung ja letztlich zugutekommt, ist sehr erfreulich.“


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