Ruth Ettl: Ziel ist es, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die Richtlinie löst die bisherige Nachweis-Richtlinie aus 1991 ab, die die Pflicht zur Ausstellung eines schriftlichen Dienstzettels festgelegt hat. Die neue Richtlinie erweitert die Informationspflichten des Arbeitgebers und sieht zusätzliche Rechte für die Beschäftigten vor, wie beispielsweise zur Mindestvorhersehbarkeit der Arbeit. Mangelnde Planbarkeit und Instabilität von Arbeit haben nämlich gravierende Folgen – sie führen zu prekären Arbeitsverhältnissen.
"Die Richtlinie verlangt abschreckende Sanktionen, wenn Arbeitgeber die Rechte der Beschäftigten verletzen."
Ruth Ettl arbeitet in der Abteilung Sozialpolitik der AK Wien.
Ruth Ettl: In Österreich haben schon jetzt alle Arbeitnehmer:innen, sofern sie keinen schriftlichen Arbeitsvertrag erhalten haben, Anspruch auf einen Dienstzettel. In der Praxis halten sich aber viel zu viele Betriebe nicht daran. Als Arbeitnehmer:in kann man den Dienstzettel vor Gericht einzuklagen. Aber wer traut sich das im aufrechten Dienstverhältnis? Die Richtlinie verlangt deshalb die Schaffung von wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktionen. Denn es ist doch das Mindeste, dass ich einen Zettel bekomme, auf dem angeführt ist, wie hoch meine Entlohnung ist, wie meine Arbeitszeiten sind, was bei einer Kündigung gilt und was meine Rechte sind - damit ich diese Rechte auch einfordern kann.
Ruth Ettl: Die Arbeitgeber-Vertreter:innen argumentieren, die Klags-Möglichkeit sei abschreckend genug, Sanktionen unnötig. Das steht im Widerspruch zur Richtlinie und unsere Beratungserfahrung beweist das Gegenteil. Mehr als jede:r achte Anrufer:in in der telefonischen Arbeitsrechtsberatung der AK Wien hat weder einen schriftlichen Arbeitsvertrag noch einen Dienstzettel bekommen. Im Gastgewerbe, am Bau, bei der Güterbeförderung und im Kleintransport kommt das noch viel massiver vor. Offene Ansprüche einzufordern ist umso schwieriger, je weniger Unterlagen es gibt. Minister Kocher sollte sich fragen, wem er mit dem Nichtumsetzen der Richtlinie nützt. Die Arbeitnehmer:innen und die korrekten Unternehmen haben nichts davon.
Der Arbeitgeber ist in Österreich nicht verpflichtet, einen schriftlichen Arbeitsvertrag auszustellen. Arbeitnehmer:innen haben jedoch grundsätzlich einen Anspruch auf die Ausstellung eines Dienstzettels über die wesentlichen Rechte und Pflichten.
Einen Muster-Dienstzettel gibt es auf der Website der AK zum Download.
Ruth Ettl: Auch hier wären Sanktionen essenziell, damit die Vorgaben der Richtlinie in der Praxis wirken. Ein kurzfristiges Absagen und Anordnen von Diensten oder die Verrechnung von Minusstunden ist nach geltender Rechtslage in Österreich nicht zulässig, in manchen Branchen aber leider gang und gäbe. Damit das Recht hier auch in der Praxis ankommt, bräuchte es bei Verstößen beispielsweise Verwaltungsstrafen, die Abschaffung der Verfallsfristen und die Nachzahlung des Doppelten in Fällen, wo Mehr- und Überstunden mutwillig nicht bezahlt werden.
Ruth Ettl: Bislang musste für Arbeitsverhältnisse, die maximal ein Monat dauern, kein Dienstzettel ausgestellt werden. Diese Ausnahme fällt. Außerdem werden die Informationspflichten erweitert. Ist bei einem Jobantritt eine Probezeit vorgesehen, muss sie im Dienstzettel angeführt sein.
Ruth Ettl: Der Dienstzettel muss über das geltende Kündigungsverfahren aufklären. Wir finden, da wäre ein Verweis auf die Einbindung des Betriebsrats bei einer Kündigung sinnvoll. Der Betriebsrat hat hier eine wichtige Schutzfunktion und die sollte transparent gemacht werden.
Ruth Ettl: Das Einsichtsrecht des Betriebsrats in bestimmte Unterlagen – somit auch in den Dienstzettel und Arbeitsvertrag – ist immer dann gegeben, wenn es der Überwachung der Einhaltung von Rechtsvorschriften im Betrieb dient, die die Arbeitnehmer:innen betreffen.
Ruth Ettl: Das Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich läuft. Ob die EU-Kommission eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof einbringen wird, ist noch unklar.