Johannes  Wölflingseder, Betriebsratsvorsitzender im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern  Wien © Markus Zahradnik


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Lernen im Betriebsrat:
Erfolgsrezept Weiterbildung

„Je besser man sich auskennt, desto erfolgreicher kann man arbeiten.“ Weiterbildung ist alles –

Arbeit­neh­mer:in­nen­ver­treter Johannes Wölflingseder erzählt.

Andreas  Rauschal
26.11.2024

„Bildung ist die mächtigste Waffe, um die Welt zu verändern.“ Was Nelson Mandela einmal formulierte, gilt auch für die Betriebs­rats­arbeit. Denn im täglichen Einsatz für die Vielen werden unter­schiedliche Fähigkeiten benötigt. Fundiertes Fach­wissen ist nur eine der zentralen Grund­voraussetzungen. Auch Kommunikation, soziale Kompetenz und politische Bildung sind wichtig, wenn es darum geht, sich im Interesse der Arbeit­neh­mer:in­nen durch­zusetzen.

Johannes Wölflingseder, Anästhesie­pfleger und Betriebs­rats­vorsitzender im Kranken­haus der Barm­herzigen Schwestern Wien, bestätigt das bei einem Treffen in der Bibliothek der Wiener Arbeiter­kammer, einem wesentlichen Bildungs­ort mit Schwerpunkt Sozial­wissenschaften: „Eine fundierte Aus- und Weiter­bildung ist für die Betriebsrats­arbeit zweifelsohne entscheidend. Denn: Je besser man sich auskennt, desto erfolgreicher kann man arbeiten.“

Wir bieten  alles von schnel­len On­line­for­ma­ten bis zu mehr­mo­na­ti­gen Lehr­gän­gen.


Dina Affenzeller-Greif, AK Wien

Dina Affenzeller-Greif, AK Wien © Markus Zahradnik
© Markus Zahradnik
Dina Affenzeller-Greif, Leiterin der Abteilung Weiterbildung für Arbeitnehmervertreter:innen, AK Wien

Im Wissensuniversum

In Spitzen­zeiten hat der 44-Jährige bis zu zehn Weiter­bildungen pro Jahr absolviert. Den Anfang hat die Wiener Gewerk­schafts­schule gemacht. Durch die erste Begegnung mit dem Bildungs­angebot des VÖGB (Verband Österreichischer Gewerkschaftlicher Bildung) – dessen Mitglieder neben der Wiener Arbeiter­kammer auch Gewerk­schaften und ÖGB sind – öffnete sich ihm im Jahr 2018 ein ganzes Wissens­universum.

Darin erstrahlen die unter­schiedlichsten Galaxien: Einerseits das Angebot von gut 200 Seminaren jährlich. Andererseits spezialisierte Lehrgänge auf Vollzeitbasis wie die dreimonatige Wiener Betriebsrät:innen-Akademie (BRAK) sowie die Sozial­akademie (SOZAK), die mit zehn Monaten und Teilnehmenden aus ganz Österreich die umfassendste Ausbildung aus dem Programm darstellt – und auch ein vierwöchiges Europa­praktikum inkludiert.

Dazu kommen Angebote für Arbeit­nehmer­vertreter:innen im Aufsichts­rat (IFAM) oder die Referent:innen-Akademie (REFAK) für Trainer:innen, Referent:innen oder Vortragende in der gewerk­schaftlichen Erwachsenen­bildung – sowie der Frauen­politische Lehrgang.


Ein buntes Potpourri

Dina Affenzeller-Greif leitet die Abteilung Weiterbildung für Arbeit­nehmer­vertreter:innen der AK Wien. Was zeichnet das Bildungsangebot für sie an erster Stelle aus? „Ganz klar die Vielfalt. Wir bieten alles von schnellen Onlineformaten, die ein bis zwei Stunden dauern, bis hin zu mehrmonatigen Lehrgängen – und dazwischen ein buntes Potpourri an Seminaren.“

Dass sich die (Arbeits-)Welt im Umbruch befindet, ist auch aus dem Programm­angebot abzulesen. Affenzeller-Greif: „Eine merkbare Weiterentwicklung gibt es natürlich im Bereich Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Das zweite große Feld ist die sozialökologische Transformation, also der nachhaltige Umbau der Wirtschaft. Hier bestehen große Herausforderungen für die Betriebe und die Arbeitnehmer:innenvertretung, die mit diesem Wandel umgehen können muss.“


Diskurs auf Augenhöhe  

Auch Affenzeller-Greif betont die Notwendigkeit einer Ausbildung mit Hunger auf mehr – schließlich lernt man ein Leben lang: „Betriebs­ratsmitglieder und Personal­vertreter:innen müssen nicht nur den Geschäfts­leitungen gegenüber handlungs­fähig sein, sie müssen auch die Rechte der Arbeit­nehmer:innen in ihrem Betrieb möglichst umfassend umsetzen. Ein Diskurs auf Augen­höhe mit der Geschäfts­leitung ist dabei besonders wichtig.“

Welchen Schwer­punkt hat Johannes Wölflingseder eigentlich in seiner Aus­bildungs­karriere gelegt? „An erster Stelle stand für mich immer das Praxis­wissen: Was ist im Arbeits­recht zu beachten? Wie gehe ich vor, wenn ich ein Protokoll schreiben muss?“ Aber: Großen Mehr­wert ohne direkten Einfluss auf die Betriebs­ratsarbeit hätte ihm auch das kulturelle und zeit­geschichtliche Angebot gebracht.

Eine fun­dier­te Aus- und Wei­ter­bil­dung ist für die Be­triebs­rats­ar­beit ent­schei­dend.


Johannes Wölflingseder, Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Wien

 Johannes  Wölflingseder, Betriebsratsvorsitzender im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern  Wien © Markus Zahradnik
© Markus Zahradnik
In Spitzen­zeiten hat Arbeitnehmer:innenvertreter Johannes Wölflingseder bis zu zehn Weiter­bildungen pro Jahr absolviert.

Bewegender Moment

Tief beeindruckt war Wölflingseder nach einem Abend­termin im Rahmen der SOZAK, bei dem der österreichische Schriftsteller Erich Hackl seinen Roman „Am Seil“ präsentierte. Darin geht es um die Rettung der Wiener Jüdin Lucia Heilman und ihrer Mutter Regina Steinig vor dem Holocaust. „Lucia Heilman war damals anwesend und wir konnten uns mit ihr unterhalten. Das war ein bewegender Moment – diese Einblicke hätte ich sonst niemals bekommen.“

Als Absolvent weiß Wölflingseder um die Vorzüge der Sozial­akademie Bescheid, kennt aber auch ihre Heraus­forderungen. „Die Ausbildung ist zeitintensiv und die Materie oft komplex. Als Anästhesie­pfleger bin ich es außerdem gewohnt, im OP-Raum herum­zugehen, daher war das lange Sitzen für mich nicht ganz einfach.“

Doch es hat sich gelohnt. „Wie viel ich dabei gelernt habe, wurde mir so richtig bewusst, als wir mit den Ordens­krankenhäusern in Wien in einen Warnstreik gegangen sind. Der enorme Druck in dieser Situation hätte mich ohne SOZAK-Erfahrung überfordert.“


Gepflegte Freundschaften

Beim Reden kommen die Leute zusammen – in der Ausbildung auch: Stichwort Netz­werken. Wölflingseder: „Ich zehre noch heute von meinen Kontakten aus Gewerkschafts­schule und SOZAK. Es ist immer interessant, wenn man aus seiner Bubble gerissen wird und bei Kolleg:innen aus ganz anderen Bereichen sieht, dass die Probleme überall ähnlich sind. Der Austausch mit den unterschiedlichen Berufs­gruppen war besonders bereichernd.“

Welchen Rat hat Dina Affenzeller-Greif für Kolleg:innen, die sich in der Arbeit­nehmer:innen­vertretung engagieren wollen, aber nicht wissen, ob sie die Kraft und die Zeit dafür haben, auch in Hinsicht auf Aus- und Weiter­bildung? „Ich empfehle das Gespräch mit den betreuenden Sekretär:innen der Gewerkschaften, die gute Ratgeber:innen sein können und eine wichtige Schnittstellen­funktion haben.“

Wölflingseder: „Das Arbeits­verfassungs­gesetz ermöglicht Betriebsrät:innen die Freistellung von der Arbeit für Bildungs­zwecke. Ganz konkret würde ich raten, Ausbildungs­möglichkeiten früh wahrzunehmen, da die Sache mit den zeitlichen Ressourcen mit zunehmender Verantwortung nicht besser wird.“ Und man merkt: Dieser Mann spricht aus Erfahrung.

gut zu wissen


Niederschwelliges Bildungsprogramm

Mit rund 200 Seminaren jährlich stellen AK und VÖGB ein breites und niederschwelliges Bildungsprogramm: Interessierte Betriebsratsmitglieder und Personalvertreter:innen können sich direkt online anmelden.

Die Website des VÖGB informiert über alle Termine und bietet Skripten und Broschüren zum Download an.

Hast du gewusst, dass die Teilnehmer:innen der Intensivlehrgänge BRAK und SOZAK von den Gewerkschaften vorgeschlagen und durch die Arbeiterkammern nominiert werden?

Übrigens: Auch die Gewerkschaften selbst schulen Arbeitnehmervertreter:innen. Für Informationen über Grundausbildungen und Zusatzangebote wende dich direkt an deine Gewerkschaft! 



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