„Bildung ist die mächtigste Waffe, um die Welt zu verändern.“ Was Nelson Mandela einmal formulierte, gilt auch für die Betriebsratsarbeit. Denn im täglichen Einsatz für die Vielen werden unterschiedliche Fähigkeiten benötigt. Fundiertes Fachwissen ist nur eine der zentralen Grundvoraussetzungen. Auch Kommunikation, soziale Kompetenz und politische Bildung sind wichtig, wenn es darum geht, sich im Interesse der Arbeitnehmer:innen durchzusetzen.
Johannes Wölflingseder, Anästhesiepfleger und Betriebsratsvorsitzender im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Wien, bestätigt das bei einem Treffen in der Bibliothek der Wiener Arbeiterkammer, einem wesentlichen Bildungsort mit Schwerpunkt Sozialwissenschaften: „Eine fundierte Aus- und Weiterbildung ist für die Betriebsratsarbeit zweifelsohne entscheidend. Denn: Je besser man sich auskennt, desto erfolgreicher kann man arbeiten.“
„Wir bieten alles von schnellen Onlineformaten bis zu mehrmonatigen Lehrgängen.“
Dina Affenzeller-Greif, AK Wien
In Spitzenzeiten hat der 44-Jährige bis zu zehn Weiterbildungen pro Jahr absolviert. Den Anfang hat die Wiener Gewerkschaftsschule gemacht. Durch die erste Begegnung mit dem Bildungsangebot des VÖGB (Verband Österreichischer Gewerkschaftlicher Bildung) – dessen Mitglieder neben der Wiener Arbeiterkammer auch Gewerkschaften und ÖGB sind – öffnete sich ihm im Jahr 2018 ein ganzes Wissensuniversum.
Darin erstrahlen die unterschiedlichsten Galaxien: Einerseits das Angebot von gut 200 Seminaren jährlich. Andererseits spezialisierte Lehrgänge auf Vollzeitbasis wie die dreimonatige Wiener Betriebsrät:innen-Akademie (BRAK) sowie die Sozialakademie (SOZAK), die mit zehn Monaten und Teilnehmenden aus ganz Österreich die umfassendste Ausbildung aus dem Programm darstellt – und auch ein vierwöchiges Europapraktikum inkludiert.
Dazu kommen Angebote für Arbeitnehmervertreter:innen im Aufsichtsrat (IFAM) oder die Referent:innen-Akademie (REFAK) für Trainer:innen, Referent:innen oder Vortragende in der gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung – sowie der Frauenpolitische Lehrgang.
Dina Affenzeller-Greif leitet die Abteilung Weiterbildung für Arbeitnehmervertreter:innen der AK Wien. Was zeichnet das Bildungsangebot für sie an erster Stelle aus? „Ganz klar die Vielfalt. Wir bieten alles von schnellen Onlineformaten, die ein bis zwei Stunden dauern, bis hin zu mehrmonatigen Lehrgängen – und dazwischen ein buntes Potpourri an Seminaren.“
Dass sich die (Arbeits-)Welt im Umbruch befindet, ist auch aus dem Programmangebot abzulesen. Affenzeller-Greif: „Eine merkbare Weiterentwicklung gibt es natürlich im Bereich Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Das zweite große Feld ist die sozialökologische Transformation, also der nachhaltige Umbau der Wirtschaft. Hier bestehen große Herausforderungen für die Betriebe und die Arbeitnehmer:innenvertretung, die mit diesem Wandel umgehen können muss.“
Auch Affenzeller-Greif betont die Notwendigkeit einer Ausbildung mit Hunger auf mehr – schließlich lernt man ein Leben lang: „Betriebsratsmitglieder und Personalvertreter:innen müssen nicht nur den Geschäftsleitungen gegenüber handlungsfähig sein, sie müssen auch die Rechte der Arbeitnehmer:innen in ihrem Betrieb möglichst umfassend umsetzen. Ein Diskurs auf Augenhöhe mit der Geschäftsleitung ist dabei besonders wichtig.“
Welchen Schwerpunkt hat Johannes Wölflingseder eigentlich in seiner Ausbildungskarriere gelegt? „An erster Stelle stand für mich immer das Praxiswissen: Was ist im Arbeitsrecht zu beachten? Wie gehe ich vor, wenn ich ein Protokoll schreiben muss?“ Aber: Großen Mehrwert ohne direkten Einfluss auf die Betriebsratsarbeit hätte ihm auch das kulturelle und zeitgeschichtliche Angebot gebracht.
„Eine fundierte Aus- und Weiterbildung ist für die Betriebsratsarbeit entscheidend.“
Johannes Wölflingseder, Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Wien
Tief beeindruckt war Wölflingseder nach einem Abendtermin im Rahmen der SOZAK, bei dem der österreichische Schriftsteller Erich Hackl seinen Roman „Am Seil“ präsentierte. Darin geht es um die Rettung der Wiener Jüdin Lucia Heilman und ihrer Mutter Regina Steinig vor dem Holocaust. „Lucia Heilman war damals anwesend und wir konnten uns mit ihr unterhalten. Das war ein bewegender Moment – diese Einblicke hätte ich sonst niemals bekommen.“
Als Absolvent weiß Wölflingseder um die Vorzüge der Sozialakademie Bescheid, kennt aber auch ihre Herausforderungen. „Die Ausbildung ist zeitintensiv und die Materie oft komplex. Als Anästhesiepfleger bin ich es außerdem gewohnt, im OP-Raum herumzugehen, daher war das lange Sitzen für mich nicht ganz einfach.“
Doch es hat sich gelohnt. „Wie viel ich dabei gelernt habe, wurde mir so richtig bewusst, als wir mit den Ordenskrankenhäusern in Wien in einen Warnstreik gegangen sind. Der enorme Druck in dieser Situation hätte mich ohne SOZAK-Erfahrung überfordert.“
Beim Reden kommen die Leute zusammen – in der Ausbildung auch: Stichwort Netzwerken. Wölflingseder: „Ich zehre noch heute von meinen Kontakten aus Gewerkschaftsschule und SOZAK. Es ist immer interessant, wenn man aus seiner Bubble gerissen wird und bei Kolleg:innen aus ganz anderen Bereichen sieht, dass die Probleme überall ähnlich sind. Der Austausch mit den unterschiedlichen Berufsgruppen war besonders bereichernd.“
Welchen Rat hat Dina Affenzeller-Greif für Kolleg:innen, die sich in der Arbeitnehmer:innenvertretung engagieren wollen, aber nicht wissen, ob sie die Kraft und die Zeit dafür haben, auch in Hinsicht auf Aus- und Weiterbildung? „Ich empfehle das Gespräch mit den betreuenden Sekretär:innen der Gewerkschaften, die gute Ratgeber:innen sein können und eine wichtige Schnittstellenfunktion haben.“
Wölflingseder: „Das Arbeitsverfassungsgesetz ermöglicht Betriebsrät:innen die Freistellung von der Arbeit für Bildungszwecke. Ganz konkret würde ich raten, Ausbildungsmöglichkeiten früh wahrzunehmen, da die Sache mit den zeitlichen Ressourcen mit zunehmender Verantwortung nicht besser wird.“ Und man merkt: Dieser Mann spricht aus Erfahrung.
Mit rund 200 Seminaren jährlich stellen AK und VÖGB ein breites und niederschwelliges Bildungsprogramm: Interessierte Betriebsratsmitglieder und Personalvertreter:innen können sich direkt online anmelden.
Die Website des VÖGB informiert über alle Termine und bietet Skripten und Broschüren zum Download an.
Hast du gewusst, dass die Teilnehmer:innen der Intensivlehrgänge BRAK und SOZAK von den Gewerkschaften vorgeschlagen und durch die Arbeiterkammern nominiert werden?
Übrigens: Auch die Gewerkschaften selbst schulen Arbeitnehmervertreter:innen. Für Informationen über Grundausbildungen und Zusatzangebote wende dich direkt an deine Gewerkschaft!