AKtuell: Betriebsratsarbeit ist zeitintensiv und geht oft auf Kosten der Freizeit. Wundert es da, dass Frauen im Gremium unterrepräsentiert sind?
Eva-Maria Burger: Nein, das wundert mich persönlich nicht. Frauen haben ohnehin schon Mehrfachbelastungen. Sie kommen einerseits für ihre eigene Erwerbsarbeit auf, übernehmen aber andererseits auch die unbezahlte Care-Arbeit: Sei es die Kinderbetreuung, die Pflege von älteren Personen oder klassisch das Waschen, Putzen und Kochen daheim. Wer jedoch doppelt und mehrfach belastet ist, kann woanders nur weniger zur Verfügung stehen. Sich in einem Betriebsratsgremium politisch zu engagieren, das benötigt Zeit.
AKtuell: Es gibt nicht nur in Gesamtzahlen weniger Betriebsrätinnen, sondern auch in den Funktionen: Frauen sind seltener freigestellt oder Vorsitzende. Liegt das auch am Zeitfaktor?
Eva-Maria Burger: Ja, denn Betriebsratsmitglieder starten meist nicht freigestellt, sondern arbeiten sich in den Systemen nach oben. Wenn ich wenig Zeit habe, wie es bei Frauen der Fall ist, habe ich weniger Chancen, mich weiterzuentwickeln. Zeit ist ja ein Äquivalent von vielem: Dass ich mich in Themen einlesen kann, dass ich Netzwerke pflegen, mich mit Kolleg:innen austauschen oder an Fortbildungen teilnehmen kann. Der Zeitfaktor wird verschärft, wenn ich Teilzeit arbeite, weil ich aufgrund von Betreuungspflichten nicht Vollzeit arbeiten kann.
AKtuell: Stichwort Teilzeit: Frauen mit Kindern sind besonders unterrepräsentiert – im Betriebsrat, aber auch sonst in politischen Funktionen. Warum?
Eva-Maria Burger: Weil Frauen größtenteils die Kinderbetreuung und Pflegearbeit übernehmen. Das bedeutet: Sie können am Abend nicht zum After-Work-Treffen bleiben, sie können nach Feierabend nicht noch eine Runde im Betrieb drehen und sie können nicht einfach drei Tage an einer Ausbildungsreise teilnehmen. Zeitarmut betrifft Frauen deutlich mehr, insbesondere Mütter. Politische Arbeit braucht aber Zeit. Gerade dann, wenn man es „on top“ macht.
AKtuell: Werden Mütter damit mehrfach „bestraft“ – einmal, weil sie mit der Elternschaft oft an Karriere, Gehalt und später Pension einbüßen, aber auch, weil sie sich politisch weniger einbringen können?
Eva-Maria Burger: In unserer Gesellschaft haben wir eine unfaire Verteilung von Care-Arbeit. Zum einen ist der Ausbau der Daseinsvorsorge von staatlicher Seite nicht ausreichend. Dadurch muss die Kinderbetreuung individuell übernommen werden. Genau das Gleiche gilt für die Pflege der Älteren. Die andere Seite ist die partnerschaftliche Ebene: Wir wissen etwa, dass Haushaltsarbeit zu zwei Dritteln von Frauen übernommen wird.
Das Resultat: Jeder Mensch hat 24 Stunden am Tag. Manche Mütter scheinen allerdings mehr unterzubringen, vor allem an unbezahlter Arbeit. Sich dann noch Raum für eine politische Rolle zu nehmen, wird im knappen Zeitbudget schwer. Das heißt, die Möglichkeit für Mütter, betriebsrätlich für die Interessen der Arbeitnehmer:innen, aber auch politisch für die eigenen Überzeugungen einzutreten, sind klar eingeschränkt.