Ein Nachmittag im Gänsehäufel, das Schwimmbad ist knallvoll: Unzählige Erwachsene und Kinder genießen das Wasser, spielen und verbringen einen entspannten Tag. Damit auch nichts passiert, sind mehrere Bademeister im Einsatz. Und dabei fällt auf: Gleich einige von ihnen dürften schon etwas länger im Geschäft sein.
„Das ist nicht nur so passiert, das ist gewollt“, erklärt Wolfgang Jelinek. Er ist Personalvertreter bei der MA 44, den Wiener Bädern. Sie verwalten und betreiben 38 Hallen- und Freibäder in der Stadt. Jelinek erzählt: „Von den knapp 880 Mitarbeiter:innen, die wir beschäftigen, sind über 250 entweder 60 Jahre oder älter.“ Ein beachtlicher Schnitt, wenn man bedenkt, dass rund ein Drittel aller Betriebe in Österreich mit mehr als 20 Beschäftigten überhaupt keine Mitarbeiter:innen mehr hat, die über 60 Jahre alt sind. Auch bei den Saisonkräften setzen die Wiener Bäder auf erfahrene Arbeitnehmer:innen – und haben außerdem Menschen angestellt, die sich etwas zur Pension dazuverdienen. „Viele Kolleg:innen arbeiten schon sehr lange im Betrieb, und wir sind sehr bestrebt, sie auch noch lange zu halten!“
Doch wie kann das gelingen? „Die Arbeitsfähigkeit der Arbeitnehmer:innen über das gesamte Arbeitsleben zu fördern, ist eine der aktuellsten Herausforderungen in der Arbeitswelt“, sagt Julia Nedjelik-Lischka. Sie ist Expertin für alternsgerechtes Arbeiten in der AK Wien. „Wer will, dass Menschen lange im Betrieb bleiben, muss die entsprechenden Arbeitsplätze zur Verfügung stellen.“
Alternsgerechtes Arbeiten ist nämlich nicht nur für Arbeitnehmer:innen, sondern auch für Betriebe enorm wichtig. Und Nedjelik-Lischka räumt gleich mit einer weiteren Vorstellung auf: „Alternsgerechte Gestaltung von Arbeitsplätzen heißt, die richtigen Maßnahmen für alle Altersgruppen zu setzen – von jungen bis zu langjährigen und erfahrenen Mitarbeiter:innen. Da geht es nicht nur um Menschen über 50 oder 60.“ Arbeit ist dann alternsgerecht, wenn sie vom Einstieg ins Berufsleben bis zum Erreichen des Pensionsantrittsalters ausgeübt werden kann – bei guter physischer und psychischer Gesundheit.
„Wer will, dass Menschen lange im Betrieb bleiben, muss die entsprechenden Arbeitsplätze zur Verfügung stellen.“
Julia Nedjelik-Lischka, AK Wien
Bei den Wiener Bädern werden die Mitarbeiter:innen schon in jungen Jahren sensibilisiert. Dazu gibt es diverse Arbeitszeitmodelle und natürlich viel Beratung – auch vonseiten der Personalvertretung. Auch die Altersteilzeit wird gerne genutzt, die neue Teilpension sieht man hier positiv: „Alles, was hilft, dass Menschen gesund bis zur Pension – und darüber hinaus – arbeiten können, hilft uns. Ältere sind nämlich keine Belastung, sondern ein wertvoller Schatz, den wir in der Belegschaft haben“, sagt Jelinek.
Mit dem Älterwerden nimmt zwar oft die körperliche Leistungsfähigkeit ab: Krankheiten, Gebrechen und chronische Leiden können vermehrt auftreten. Dafür gibt es viele Eigenschaften, die vor allem ältere Arbeitnehmer:innen mitbringen: Erfahrung, Geübtheit, Urteilsvermögen, Selbstbewusstsein, soziale Kompetenz oder Verantwortungsbewusstsein.
Das kann Wolfgang Jelinek bestätigen: „Unsere älteren Kolleg:innen bringen unfassbar viel Erfahrung mit – ein hohes Gut, auf das wir gerne zugreifen. Ältere sollen als Wissensträger:innen für Junge agieren und ihre jahrelange Expertise an die nächste Generation weitergeben.“
„Von den knapp 880 Mitarbeiter:innen, die wir beschäftigen, sind über 250 entweder 60 Jahre oder älter.“
Wolfgang Jelinek , Wiener Bäder
Und noch ein Punkt ist Jelinek wichtig: „Wir sehen, dass die Bereitschaft, mehr zu arbeiten, auch über die Saison hinaus durchzuhalten, bei Älteren durchaus gegeben ist – auch wenn das medial immer wieder in Abrede gestellt wird.“ Gerade wenn es um sensible Bereiche und sogenannte „Soft Skills“ geht – wie etwa um Deeskalation –, ist oft die Erfahrung der langjährigen Kolleg:innen gefragt. Am Arbeitsmarkt ist diese Nachfrage aber nicht immer spürbar.
Die Arbeitslosigkeit steigt weiter, und auch die Zahl der Arbeitsuchenden ab 50 steigt deutlich. „Das ist besonders problematisch, weil die Dauer der Arbeitslosigkeit mit dem Alter zunimmt und ältere Arbeitsuchende stärker von Langzeitbeschäftigungslosigkeit betroffen sind“, sagt Silvia Hofbauer, Leiterin der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration der AK Wien. Schon jetzt gehen zwei von fünf Personen aus der Arbeitslosigkeit in Pension. „Ältere haben vielfach geringere Chancen auf eine schnelle Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Hier muss sich etwas grundlegend verändern.“
Abhilfe schaffen integrative Arbeitsmarktprojekte wie die Aktion 20.000 – oder die Aktion 55+, die von der Bundesregierung angekündigt wurde. Dabei werden (ältere) Langzeitarbeitslose gezielt geschult und an öffentliche Einrichtungen vermittelt. Für einige Zeit trägt die öffentliche Hand einen Teil der Kosten.
„Ältere haben vielfach geringere Chancen auf eine schnelle Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Hier muss sich etwas grundlegend verändern.“
Silvia Hofbauer, AK Wien
Personalvertreter Jelinek sieht diese Projekte als Erfolg: „Wir haben einige Menschen aus diesen Projekten übernommen. Vor allem im Alter wird es immer schwieriger, einen neuen Job zu finden, und jede Unterstützung ist hier willkommen.“ Bei den Wiener Bädern werden diese Menschen umfassend geschult, etwa mit Erste-Hilfe-Kursen oder sogenannten „Bassinaufseher-Prüfungen“. „Das sind keine Hilfsarbeitertätigkeiten, sondern wichtige und hochqualifizierte Jobs“, betont Jelinek.
Zur bitteren Wahrheit am Arbeitsmarkt gehört auch, dass immer weniger Untenehmen ältere Arbeitnehmer:innen beschäftigen. „Rund ein Drittel aller Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeiter:innen beschäftigen keine Menschen über 60“, weiß Wolfgang Panhölzl, Leiter der Abteilung Sozialversicherung der AK Wien. Die Älterenquote quer durch alle Betriebe liegt bei lediglich etwa fünf Prozent – die Wiener Bäder (mit einer Quote von knapp 30 Prozent) sind hier ein Ausreißer nach oben.
Das Älterenbeschäftigungspaket der Regierung, das aktuell verhandelt wird, sieht Panhölzl positiv, gibt aber zu bedenken: „Die Teilpension ist auf jeden Fall ein guter Schritt, um Menschen länger im Job zu halten. Aber was hilft es, wenn Menschen länger arbeiten wollen, die Arbeitsplätze aber gar nicht vorhanden sind?“ Arbeiterkammer und ÖGB haben daher ein gemeinsames Forderungspaket geschnürt, in dessen Zentrum ein wirkungsvolles Bonus-Malus-System steht: Wer Ältere anstellt, soll profitieren, wer das nicht tut, eine Ausgleichszahlung leisten.
Es gibt also noch einiges zu tun – das weiß auch Personalvertreter Jelinek. Er setzt sich für bessere Arbeitsbedingungen in allen Branchen ein. Und auch die Arbeitsmarktprojekte würde er gerne weiter ausgebaut und ausreichend finanziert sehen. „Nur wenn wir es schaffen, dass wir alle im Betrieb mitnehmen, egal ob alt oder jung, schaffen wir ein Arbeitsumfeld, in dem sich alle wohlfühlen.“ Und das wiederum hilft dabei, auch ältere Menschen lange im Betrieb zu halten.
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