Wolfgang Jelinkek, Bäder Wien © Markus Zahradnik


Arbeit

„Ältere sind keine Belastung,
sondern ein Schatz“

Beschäftigte aus der Generation 60 plus? Fehlanzeige in vielen Unternehmen, doch nicht so in den Wiener Bädern: Personal­vertreter Wolfgang Jelinek erzählt, warum erfahrene Mitarbeiter:innen so wertvoll sind – und wie man sie erfolgreich in Beschäftigung hält.

Michael  Mayer   
10.10.2025


Ein Nachmittag im Gänsehäufel, das Schwimmbad ist knallvoll: Unzählige Erwachsene und Kinder genießen das Wasser, spielen und verbringen einen entspannten Tag. Damit auch nichts passiert, sind mehrere Bade­meister im Einsatz. Und dabei fällt auf: Gleich einige von ihnen dürften schon etwas länger im Geschäft sein.

„Das ist nicht nur so passiert, das ist gewollt“, erklärt Wolfgang Jelinek. Er ist Personal­vertreter bei der MA 44, den Wiener Bädern. Sie verwalten und betreiben 38 Hallen- und Freibäder in der Stadt. Jelinek erzählt: „Von den knapp 880 Mitarbeiter:innen, die wir beschäftigen, sind über 250 entweder 60 Jahre oder älter.“ Ein beachtlicher Schnitt, wenn man bedenkt, dass rund ein Drittel aller Betriebe in Österreich mit mehr als 20 Beschäftigten überhaupt keine Mitarbeiter:innen mehr hat, die über 60 Jahre alt sind. Auch bei den Saisonkräften setzen die Wiener Bäder auf erfahrene Arbeit­nehmer:innen – und haben außerdem Menschen angestellt, die sich etwas zur Pension dazuverdienen. „Viele Kolleg:innen arbeiten schon sehr lange im Betrieb, und wir sind sehr bestrebt, sie auch noch lange zu halten!“

Alternsgerechtes Arbeiten: Richtige Maßnahmen für alle

Doch wie kann das gelingen? „Die Arbeits­fähigkeit der Arbeit­nehmer:innen über das gesamte Arbeitsleben zu fördern, ist eine der aktuellsten Herausforderungen in der Arbeitswelt“, sagt Julia Nedjelik-Lischka. Sie ist Expertin für alterns­gerechtes Arbeiten in der AK Wien. „Wer will, dass Menschen lange im Betrieb bleiben, muss die entsprechenden Arbeitsplätze zur Verfügung stellen.“

Alterns­gerechtes Arbeiten ist nämlich nicht nur für Arbeit­nehmer:innen, sondern auch für Betriebe enorm wichtig. Und Nedjelik-Lischka räumt gleich mit einer weiteren Vorstellung auf: „Alterns­gerechte Gestaltung von Arbeits­plätzen heißt, die richtigen Maßnahmen für alle Altersgruppen zu setzen – von jungen bis zu langjährigen und erfahrenen Mitarbeiter:innen. Da geht es nicht nur um Menschen über 50 oder 60.“ Arbeit ist dann alternsgerecht, wenn sie vom Einstieg ins Berufs­leben bis zum Erreichen des Pensions­antrittsalters ausgeübt werden kann – bei guter physischer und psychischer Gesundheit.


Julia Nedjelik-Lischka, AK Wien © Markus Zahradnik
Julia Nedjelik-Lischka, Referentin in der Abteilung Sicherheit, Gesundheit und Arbeit, AK Wien © Markus Zahradnik

Wer will, dass Men­schen lange im Be­trieb bleiben, muss die ent­sprechen­den Ar­beits­plätze zur Ver­fü­gung stellen.


Julia Nedjelik-Lischka, AK Wien

Bei den Wiener Bädern werden die Mitarbeiter:innen schon in jungen Jahren sensibilisiert. Dazu gibt es diverse Arbeitszeit­modelle und natürlich viel Beratung – auch vonseiten der Personalvertretung. Auch die Alters­teilzeit wird gerne genutzt, die neue Teilpension sieht man hier positiv: „Alles, was hilft, dass Menschen gesund bis zur Pension – und darüber hinaus – arbeiten können, hilft uns. Ältere sind nämlich keine Belastung, sondern ein wertvoller Schatz, den wir in der Belegschaft haben“, sagt Jelinek.

Ältere Beschäftigte haben jahrelange Expertise

Mit dem Älterwerden nimmt zwar oft die körperliche Leistungs­fähigkeit ab: Krank­heiten, Gebrechen und chronische Leiden können vermehrt auftreten. Dafür gibt es viele Eigenschaften, die vor allem ältere Arbeit­nehmer:innen mitbringen: Erfahrung, Geübtheit, Urteilsvermögen, Selbstbewusstsein, soziale Kompetenz oder Verantwortungsbewusstsein.

Das kann Wolfgang Jelinek bestätigen: „Unsere älteren Kolleg:innen bringen unfassbar viel Erfahrung mit – ein hohes Gut, auf das wir gerne zugreifen. Ältere sollen als Wissensträger:innen für Junge agieren und ihre jahrelange Expertise an die nächste Generation weitergeben.“


Wolfgang Jelinkek, Wiener Bäder © Markus Zahradnik
Wolfgang Jelinkek, Wiener Bäder © Markus Zahradnik

Von den knapp 880 Mit­ar­bei­ter:in­nen, die wir be­schäf­ti­gen, sind über 250 ent­we­der 60 Jah­re oder äl­ter.


Wolfgang Jelinek , Wiener Bäder

Und noch ein Punkt ist Jelinek wichtig: „Wir sehen, dass die Bereit­schaft, mehr zu arbeiten, auch über die Saison hinaus durchzuhalten, bei Älteren durchaus gegeben ist – auch wenn das medial immer wieder in Abrede gestellt wird.“ Gerade wenn es um sensible Bereiche und sogenannte „Soft Skills“ geht – wie etwa um Deeskalation –, ist oft die Erfahrung der langjährigen Kolleg:innen gefragt. Am Arbeits­markt ist diese Nachfrage aber nicht immer spürbar.

Integrative Projekte für ältere Arbeitssuchende

Die Arbeitslosigkeit steigt weiter, und auch die Zahl der Arbeitsuchenden ab 50 steigt deutlich. „Das ist besonders problematisch, weil die Dauer der Arbeitslosigkeit mit dem Alter zunimmt und ältere Arbeitsuchende stärker von Langzeitbeschäftigungslosigkeit betroffen sind“, sagt Silvia Hofbauer, Leiterin der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration der AK Wien. Schon jetzt gehen zwei von fünf Personen aus der Arbeitslosigkeit in Pension. „Ältere haben vielfach geringere Chancen auf eine schnelle Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Hier muss sich etwas grundlegend verändern.“

Abhilfe schaffen integrative Arbeits­markt­projekte wie die Aktion 20.000 – oder die Aktion 55+, die von der Bundes­regierung angekündigt wurde. Dabei werden (ältere) Langzeit­arbeits­lose gezielt geschult und an öffentliche Ein­richtungen vermittelt. Für einige Zeit trägt die öffentliche Hand einen Teil der Kosten. 


Silvia Hofbauer, AK Wien © Lisi Specht
Silvia Hofbauer, Leiterin der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration, AK Wien © Lisi Specht

Ältere haben vielfach gerin­ge­re Chancen auf eine schnelle Wieder­ein­glie­de­rung in den Arbeits­markt. Hier muss sich etwas grund­le­gend ver­än­dern.


Silvia Hofbauer, AK Wien

Personal­vertreter Jelinek sieht diese Projekte als Erfolg: „Wir haben einige Menschen aus diesen Projekten übernommen. Vor allem im Alter wird es immer schwieriger, einen neuen Job zu finden, und jede Unterstützung ist hier willkommen.“ Bei den Wiener Bädern werden diese Menschen umfassend geschult, etwa mit Erste-Hilfe-Kursen oder sogenannten „Bassinaufseher-Prüfungen“. „Das sind keine Hilfsarbeitertätigkeiten, sondern wichtige und hochqualifizierte Jobs“, betont Jelinek.

Was AK und ÖGB fordern

Zur bitteren Wahrheit am Arbeits­markt gehört auch, dass immer weniger Unte­nehmen ältere Arbeit­nehmer:innen beschäftigen. „Rund ein Drittel aller Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeiter:in­nen beschäftigen keine Menschen über 60“, weiß Wolfgang Panhölzl, Leiter der Abteilung Sozialversicherung der AK Wien. Die Älterenquote quer durch alle Betriebe liegt bei lediglich etwa fünf Prozent – die Wiener Bäder (mit einer Quote von knapp 30 Prozent) sind hier ein Ausreißer nach oben.

Das Älterenbeschäftigungspaket der Regierung, das aktuell verhandelt wird, sieht Panhölzl positiv, gibt aber zu bedenken: „Die Teilpension ist auf jeden Fall ein guter Schritt, um Menschen länger im Job zu halten. Aber was hilft es, wenn Menschen länger arbeiten wollen, die Arbeitsplätze aber gar nicht vorhanden sind?“ Arbeiterkammer und ÖGB haben daher ein gemeinsames Forderungspaket geschnürt, in dessen Zentrum ein wirkungsvolles Bonus-Malus-System steht: Wer Ältere anstellt, soll profitieren, wer das nicht tut, eine Ausgleichszahlung leisten.

Es gibt also noch einiges zu tun – das weiß auch Personalvertreter Jelinek. Er setzt sich für bessere Arbeitsbedingungen in allen Branchen ein. Und auch die Arbeitsmarktprojekte würde er gerne weiter ausgebaut und ausreichend finanziert sehen. „Nur wenn wir es schaffen, dass wir alle im Betrieb mitnehmen, egal ob alt oder jung, schaffen wir ein Arbeitsumfeld, in dem sich alle wohlfühlen.“ Und das wiederum hilft dabei, auch ältere Menschen lange im Betrieb zu halten. 

gut zu wissen

Die neue Teilpension

  • Mit der Teilpension können Arbeitnehmer:innen mit Pensionsanspruch ab 1. Jänner 2026 die Arbeitszeit reduzieren und gleichzeitig einen Teil der Pension beziehen.
  • Die Teilpension kann beim zuständigen Pensionsversicherungsträger – im Regelfall der PVA – beantragt werden.
  • Es gibt drei Modelle, bei denen die Arbeitszeit entweder um 25, 50 oder 75 Prozent reduziert wird.
  • Der Vorteil: Man bleibt weiterhin beschäftigt und zahlt in die Pensionsversicherung ein – wodurch die künftige Pension weiter erhöht wird. Gleichzeitig ist das Nettoeinkommen während der Teilpension trotz Stundenreduktion vergleichsweise hoch.

Hier findest du alle Infos.


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