Wahlberechtigt, selbstbestimmt, mit allen demokratischen Rechten ausgestattet: Für Frau und Herrn Österreicher eine Selbstverständlichkeit, für Beschäftigte mit Wurzeln im Ausland oft nur ein Wunschtraum. Eine Gemengelage mit mittlerweile weitreichenden Folgen: Kam der Anteil an Arbeitnehmer:innen mit ausländischer Staatsbürgerschaft im Jahr 1984 hierzulande auf lediglich fünf Prozent, hatten etwa bei den Wiener Landtags- und Gemeinderatswahlen im Jahr 2025 bereits 36 Prozent der Beschäftigten kein Stimmrecht.
Für migrantische Beschäftigte stellen Arbeiterkammer- und Betriebsratswahl oft die einzige Chance dar, ihre Stimme abzugeben – und Mitbestimmung zu leben. Die demokratiepolitische Bedeutung der betrieblichen Teilhabe rückt daher wieder in den Fokus. Denn erleben Menschen, dass ihre Meinung im Betrieb zählt, stärkt das nicht nur ihr Selbstvertrauen, sondern auch ihr Demokratieverständnis.
Die Studie „Vom Ankommen zum Mitwirken“ (FORESIGHT) untersucht die Rolle von Staatsbürgerschaft und Migrationshintergrund im Kontext der betrieblichen Mitbestimmung und liefert wichtige Erkenntnisse, nicht zuletzt für die tägliche Betriebsratsarbeit.
Schließlich stellen Kolleg:innen mit Wurzeln im Ausland in manchen Branchen zwar die Mehrheit der Belegschaft – in den Betriebsratsgremien sind sie aber nach wie vor unterrepräsentiert. Dabei wären gerade sie ein wichtiger Schlüssel, um die Teilhabe aller sicherzustellen.
Was sollte man also tun? Silvia Hofbauer, Leiterin der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration der AK Wien: „Das Wichtigste ist es, Kolleg:innen mit ausländischer Staatsbürgerschaft oder Migrationshintergrund direkt anzusprechen, sie proaktiv dazu einzuladen und zu motivieren, im Betriebsrat mitzuarbeiten. Der Schlüssel heißt Empowerment!“
Die Hürden auf dem Weg zu mehr Mitbestimmung sind allerdings vielfältig. „Zum einen geht es oft um Menschen, die noch nicht lange im Land sind, in schlecht bezahlten Branchen arbeiten und für die zunächst einmal das Erfüllen der dringendsten Lebensbedürfnisse im Vordergrund steht. Sprich: Reicht das Geld überhaupt für die Miete und das Essen für die Familie? Für alles andere hat diese Gruppe keine Ressourcen. Zum anderen sind vielen unsere Werkzeuge noch gar nicht vertraut – man muss also zunächst einmal vermitteln, was Demokratie bedeutet und dass es Dinge wie betriebliche Mitbestimmung überhaupt gibt.“
Neben weiteren Hürden wie etwa Sprachbarrieren geht es laut Hofbauer oft aber auch um die konkrete Sorge um den eigenen Arbeitsplatz. „Das ist eine sehr große Angst, sei es aufgrund von Bedingungen für die Aufenthaltsgenehmigung oder aufgrund von Voraussetzungen zum Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft.“ Für die Expertin ein entscheidender Risikofaktor für die betroffenen Personen, die sich deshalb nicht trauen würden, sich zu öffnen – oder sich selbst zu engagieren.
„Das Wichtigste ist es, Kolleg:innen mit ausländischer Staatsbürgerschaft oder Migrationshintergrund direkt anzusprechen.“
Silvia Hofbauer, AK Wien
Welche Faktoren sind hingegen für jene Personen entscheidend, die sich allen Barrieren zum Trotz engagieren? Hofbauer: „Einerseits ist natürlich die intrinsische Motivation ein Faktor, den Menschen im Betrieb helfen zu wollen. Andererseits fühlen sich diese Kolleg:innen auch geehrt: Es ist ein Zeichen der Wertschätzung, wenn einem eine Betriebsratsfunktion zugetraut wird und man als aktiv sozial und solidarisch aufgefallen ist. Damit kommt diesen Kolleg:innen auch eine wichtige Vorbildfunktion zu und sie können wiederum jene beeinflussen, die noch zögern.“
Was können migrantische Betriebsratsmitglieder, das nicht-migrantische nicht können? Hofbauer: „Sie können die Personen besonders gut verstehen – und das ist nicht nur sprachlich gemeint –, die eine ähnliche Migrationsgeschichte haben wie sie selbst, und dem Betriebsrat damit zusätzliche Ebenen eröffnen.“ Die bessere Erreichbarkeit breiter Teile der Belegschaft ist eine davon.
Als „wirklich schwierig“ sieht Hofbauer die Situation von migrantischen Beschäftigten, die in Unternehmen ohne Betriebsrat arbeiten – und in Branchen mit schlechter Bezahlung mindestens doppelt benachteiligt sind. „An diese Personen kommen wir oft nur, indem sie die arbeitsrechtliche Beratung der AK wahrnehmen, weil sie bereits Probleme haben.“
Hier ist letztlich die Politik gefragt. „Die Betriebsräte müssen ermächtigt werden, aber es braucht auch die richtigen Rahmenbedingungen, damit Menschen hier Arbeit finden und dauerhaft in Beschäftigung bleiben. Das geht bis hin zu Änderungen im Staatsbürgerschaftsrecht. Es darf nicht sein, dass diese Kolleg:innen mit Situationen konfrontiert sind, die dem Arbeits- und Sozialrecht völlig widersprechen.“