Imagebild Teilhabe und Integration © freepik


Weitblick

Integration und Teilhabe:
Empowerment als Schlüssel

Für Beschäftigte mit aus­ländischer Staats­bürger­schaft oder Migrations­hinter­grund liegt die einzige Möglichkeit für Mitbestimmung oft im Betrieb. Wie ihre Teilhabe besser gelingt – und was der Betriebsrat dazu beitragen kann.

Andreas  Rauschal
19.11.2025
in diesem Artikel


    Wahlberechtigt, selbstbestimmt, mit allen demokratischen Rechten ausgestattet: Für Frau und Herrn Österreicher eine Selbst­verständlich­keit, für Beschäftigte mit Wurzeln im Ausland oft nur ein Wunsch­traum. Eine Gemengelage mit mittlerweile weitreichenden Folgen: Kam der Anteil an Arbeit­nehmer:innen mit ausländischer Staats­bürger­schaft im Jahr 1984 hierzulande auf lediglich fünf Prozent, hatten etwa bei den Wiener Landtags- und Gemeinde­rats­wahlen im Jahr 2025 bereits 36 Prozent der Beschäftigten kein Stimmrecht. 

    Unterrepräsentierte Mehrheit in der betrieblichen Teilhabe

    Für migrantische Beschäftigte stellen Arbeiter­kammer- und Betriebsratswahl oft die einzige Chance dar, ihre Stimme abzugeben – und Mitbestimmung zu leben. Die demokratie­politische Bedeutung der betrieblichen Teilhabe rückt daher wieder in den Fokus. Denn erleben Menschen, dass ihre Meinung im Betrieb zählt, stärkt das nicht nur ihr Selbst­vertrauen, sondern auch ihr Demokratie­verständnis. 

    Die Studie „Vom Ankommen zum Mitwirken“ (FORESIGHT) untersucht die Rolle von Staatsbürgerschaft und Migrationshintergrund im Kontext der betrieblichen Mitbestimmung und liefert wichtige Erkenntnisse, nicht zuletzt für die tägliche Betriebsratsarbeit.

    Schließlich stellen Kolleg:innen mit Wurzeln im Ausland in manchen Branchen zwar die Mehrheit der Belegschaft – in den Betriebsratsgremien sind sie aber nach wie vor unterrepräsentiert. Dabei wären gerade sie ein wichtiger Schlüssel, um die Teilhabe aller sicherzustellen. 


    webtipp

    Tipp Symbolbild © AK Wien

    Studie

    Hier findest du die Studie „Vom Ankommen zum Mitwirken“ (FORESIGHT).

    Was sollte man also tun? Silvia Hofbauer, Leiterin der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration der AK Wien: „Das Wichtigste ist es, Kolleg:innen mit ausländischer Staatsbürgerschaft oder Migrationshintergrund direkt anzusprechen, sie proaktiv dazu einzuladen und zu motivieren, im Betriebsrat mitzuarbeiten. Der Schlüssel heißt Empowerment!“ 

    Keine Ressourcen für Mitbestimmung

    Die Hürden auf dem Weg zu mehr Mitbestimmung sind allerdings vielfältig. „Zum einen geht es oft um Menschen, die noch nicht lange im Land sind, in schlecht bezahlten Branchen arbeiten und für die zunächst einmal das Erfüllen der dringendsten Lebensbedürfnisse im Vordergrund steht. Sprich: Reicht das Geld überhaupt für die Miete und das Essen für die Familie? Für alles andere hat diese Gruppe keine Ressourcen. Zum anderen sind vielen unsere Werkzeuge noch gar nicht vertraut – man muss also zunächst einmal vermitteln, was Demokratie bedeutet und dass es Dinge wie betriebliche Mitbestimmung überhaupt gibt.“

    Neben weiteren Hürden wie etwa Sprachbarrieren geht es laut Hofbauer oft aber auch um die konkrete Sorge um den eigenen Arbeitsplatz. „Das ist eine sehr große Angst, sei es aufgrund von Bedingungen für die Aufenthalts­genehmigung oder aufgrund von Voraussetzungen zum Erwerb der öster­reichi­schen Staats­bürger­schaft.“ Für die Expertin ein entscheidender Risikofaktor für die betroffenen Personen, die sich deshalb nicht trauen würden, sich zu öffnen – oder sich selbst zu engagieren.


    Silvia Hofbauer, AK Wien © Lisi Specht
    Silvia Hofbauer, Leiterin der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration, AK Wien © Lisi Specht

    Das Wichtigste ist es, Kol­leg:in­nen mit aus­län­di­scher Staats­bürger­schaft oder Migrations­­hinter­grund direkt anzu­sprechen.


    Silvia Hofbauer, AK Wien

    Welche Faktoren sind hingegen für jene Personen entscheidend, die sich allen Barrieren zum Trotz engagieren? Hofbauer: „Einerseits ist natürlich die intrinsische Motivation ein Faktor, den Menschen im Betrieb helfen zu wollen. Andererseits fühlen sich diese Kolleg:innen auch geehrt: Es ist ein Zeichen der Wert­schätzung, wenn einem eine Betriebs­rats­funktion zugetraut wird und man als aktiv sozial und solidarisch aufgefallen ist. Damit kommt diesen Kolleg:innen auch eine wichtige Vorbild­funktion zu und sie können wiederum jene beeinflussen, die noch zögern.“

    Migrantische Betriebsrats­mit­glieder für bessere Erreich­barkeit

    Was können migrantische Betriebs­ratsmit­glieder, das nicht-migrantische nicht können? Hofbauer: „Sie können die Personen besonders gut verstehen – und das ist nicht nur sprachlich gemeint –, die eine ähnliche Migrationsgeschichte haben wie sie selbst, und dem Betriebsrat damit zusätzliche Ebenen eröffnen.“ Die bessere Erreichbarkeit breiter Teile der Belegschaft ist eine davon.

    Als „wirklich schwierig“ sieht Hofbauer die Situation von migrantischen Beschäftigten, die in Unternehmen ohne Betriebsrat arbeiten – und in Branchen mit schlechter Bezahlung mindestens doppelt benachteiligt sind. „An diese Personen kommen wir oft nur, indem sie die arbeits­rechtliche Beratung der AK wahrnehmen, weil sie bereits Probleme haben.“

    Hier ist letztlich die Politik gefragt. „Die Betriebsräte müssen ermächtigt werden, aber es braucht auch die richtigen Rahmen­bedingungen, damit Menschen hier Arbeit finden und dauerhaft in Beschäftigung bleiben. Das geht bis hin zu Änderungen im Staatsbürger­schafts­recht. Es darf nicht sein, dass diese Kolleg:innen mit Situationen konfrontiert sind, die dem Arbeits- und Sozial­recht völlig widersprechen.“


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