Judith Falkinger: Die Welt wurde komplexer. Der gesetzliche Rahmen, der bei der Ausgliederung mit dem Pauschalbetrag gedeckt war, hat sich zwar nicht grundsätzlich geändert. Aber in diesen Rahmen muss viel mehr hinein als früher: Wir haben vieles von Papier auf ein höheres technisches Level umgestellt und es gibt mehr Berichtspflichten an die EU – mit genaueren Vorgaben. Aber weder die Inflation noch das ungleich komplexere Aufgabengebiet wurden seither finanziell abgedeckt.
Georg Appl: Auch bei uns reicht die Basisabgeltung nicht. Wir sind eigentlich auch für Krisen da. Glyphosat, die Corona-Hotline – bei uns ist fast immer alles ein Problem! Wir sind der Bittsteller. Geld mit Privataufträgen herzuschaffen, geht aber auch schwer, wenn es unsere Kernaufgabe ist, Teil der Kontrolle zu sein – etwa von Lebensmitteln und Ackerboden – und Dinge zuzulassen, wie Medikamente oder Pestizide.
Judith Falkinger, Betriebsratsvorsitzende Statistik Austria
Appl: Wer bei uns arbeitet, sucht und findet Sinn in dieser Arbeit. Das hat die immer knapper werdenden Geldmittel bisher abgefangen. Aber der Sinn kommt durch die fehlenden Geldmittel immer mehr abhanden und damit auch der Respekt vor der Tätigkeit der:des Einzelnen. Es gibt wenig Nachbesetzungen – und wenn, dann ohne zeitliche Überlappung, sodass viel Wissen verlorengeht. Ein Kollege hat erzählt, dass er vier Monate im Jahr aufgrund von Krankenstand und Urlaub für zwei arbeitet. Wann soll hier noch Forschung passieren, wie im Gesetz vorgesehen.
Falkinger: Die Mitarbeiter:innen sind so motiviert, dass sie den Betrieb trotz Engpässen aufrechterhalten. Aber immer mehr Kolleg:innen sind am Limit, Burn-out und stressbedingte Eigenkündigungen werden zu einem ernstzunehmenden Thema. In einigen Schlüsselbereichen braucht es dringend Entlastung.
Falkinger: Wir müssen einerseits mit Banken und Versicherungen, andererseits aber auch mit der Verwaltung und dem öffentlichen Dienst konkurrenzfähig sein, um etwa gute Programmierer:innen oder Data Scientists beschäftigen zu können. Das Minimum ist ein akzeptables Grundgehalt, und wir verhandeln gerade über eine Reihe an Maßnahmen zur Attraktivierung von Statistik Austria als Arbeitgeberin. Um Wissen aufzubauen, brauchen wir Leute, die lange bei uns bleiben.
Appl: Bei Beamten ist das Dienstrecht in ein Gesetz gegossen und es ist klar, wer für welche Arbeit was bekommt. Da gibt es auch keine nennenswerte Gehaltsschere zwischen Frauen und Männern. Aufgrund der Ausgliederung haben wir mittlerweile dasselbe Problem wie in der Privatwirtschaft: Die Schere geht auseinander. Verhandlungen über die richtige Einstufung machen einen Großteil unserer Arbeit aus. Unsere Produktivität ist um 30 Prozent gestiegen. Aber das hat uns niemand gezahlt! Wir bilden zum Teil Leute aus, die in der Privatwirtschaft auch händeringend gesucht werden. Die können wir so nicht halten.
Georg Appl, Betriebsrat AGES
Appl: Geld macht es leichter, aber es gehört auch hinterfragt, welche Aufgaben der Staat wahrzunehmen hat. Kontrolle und Zulassung muss zügig und flächendeckend sichergestellt werden. Wir sind als AGES eigentlich auch Teil des Rechtssystems. Wir gliedern ja auch die Richter nicht in eine GmbH aus. Wir wollen unsere Arbeit nach dem Gesetz – und wieder gut! – erledigen können.
Falkinger: Wissen ist ein immaterielles Gut, und nur die wenigsten verstehen, wie aufwendig die Herstellung ist. Gegen Fake News brauchen wir verlässliche Daten. Unsere Arbeit ist wesentlich dafür, dass die Republik gut funktioniert. Hunderttausende Mietverträge basieren auf unserer Berechnung des Verbraucherpreisindex, von der Berechnung des BIP hängen unsere Mitgliedsbeiträge an die EU ab. Ich will nicht um die Abgeltung der Inflation streiten müssen!
Hier findest du die Studie zu den Arbeitsbedingungen in ausgegliederten Betrieben.