Imagebild unbezahlte Mehr- und Überstunden © treety - stock.adobe.com


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Unbezahlte Mehrarbeit:
Lohnraub im großen Ausmaß

Mehr als 42 Millionen Mehr- und Überstunden wurden in Österreich im Jahr 2024 nicht abgegolten – durchschnittlich jede vierte Mehrarbeitsstunde pro Arbeitnehmer:in.

Matthias Falter-Stern
26.05.2025

Im März veröffentlichte die Statistik Austria die Zahlen zur geleisteten Arbeitszeit in Österreich für das Jahr 2024. Dabei zeigte sich, dass die Arbeitnehmer:innen im vergangenen Jahr 168,9 Millionen Mehr- und Überstunden geleistet haben. Davon wurde jede vierte Mehr- bzw. Überstunde weder in Zeit noch in Geld abgegolten. Das bedeutet, dass die Beschäftigten 42,3 Millionen Stunden für ihre Betriebe gearbeitet haben, ohne etwas dafür zu bekommen.

Ein genauer Blick auf die Zahlen zeigt, dass zwei Drittel aller Mehr- und Überstunden von Männern geleistet wurden. Bei ihnen wurden 23 Prozent nicht abgegolten. Ein Drittel der geleisteten Mehrarbeit fällt auf Frauen, die sogar für fast jede dritte Mehr- und Überstunde keine Gegenleistung erhielten. Der Gender-Pay-Gap zeigt sich also auch beim Lohnraub. Auf Geld umgerechnet entspricht die Mehrarbeit insgesamt etwa 2,3 Milliarden Euro an Bruttolöhnen im Jahr, die von den Arbeitgebern nicht bezahlt wurden. Das heißt, dass den betroffenen Beschäftigten 1,2 Milliarden Euro an Nettolohn entgehen. Dieses Geld fehlt in weiterer Folge der Volkswirtschaft, die auf privaten Konsum angewiesen ist.


Infografik: Unbezahlte Mehr- und Überstunden © AKtuell; Quelle: Statistik Austria

Mangelnde Zahlungsmoral und strukturelle Probleme

Die Daten zu den geleisteten Mehr- und Überstunden weisen jedoch nicht nur auf eine mangelnde Zahlungs­moral von Arbeitgebern hin. Vielmehr werden auch weitere grundsätzliche Probleme daraus ersichtlich. So ist die Arbeit sehr ungleich verteilt – zahlreiche Beschäftigte arbeiten viel zu viel. Die Folgen des hohen Arbeitsdrucks können mittel- und langfristig zu einem Problem für die Gesellschaft werden. So sagen mehr als 1,4 Millionen Arbeit­nehmer:innen, dass sie die aktuelle Arbeits­belastung nicht dauerhaft durchhalten können. Sie drohen, vor Erreichen des gesetzlichen Pensions­alters auszufallen, etwa krankheits­bedingt. Andere wiederum müssen unfreiwillig in Teilzeitjobs bleiben oder sind erwerbslos. Dadurch bleiben Potenziale ungenutzt.

Zu lange Arbeitszeiten, hoher Arbeitsdruck und mangelnde Wert­schätzung drücken auf die Zufriedenheit der Beschäftigten – und im Weiteren auf ihre Leistung. Im Jahr 2024 hatte Österreich die drittlängsten Arbeitszeiten bei Beschäftigten in Vollzeit im europäischen Vergleich. Nicht abgegoltene Mehr- und Überstunden sind vor diesem Hintergrund ein besonderes Problem.



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