Sybille Pirklbauer, AK Wien © Lisi Specht


Mitbestimmung

Unbezahlte Mehrarbeit:
Drei Fragen – drei Antworten 

Was sind die Folgen für den Sozialstaat? Was kann der Betriebsrat tun? Welche Forderungen erhebt die AK? AK-Expertin Sybille Pirklbauer informiert.
Redaktion  AKtuell
26.05.2025

Was sind die Folgen für den Sozialstaat?  

Durch den Lohnraub wird auch der Sozialstaat massiv geschädigt. Denn es wird nicht nur den Beschäftigten Geld vorenthalten: Rund 1,3 Milliarden Euro fehlen so auch an öffentlichen Abgaben. Das umfasst einerseits die Abgaben der Arbeit­nehmer:innen (Lohnsteuer und Sozial­­versicherungs­­beiträge).

Andererseits fehlen dadurch außerdem die Arbeitgeber­beiträge an die Sozialversicherung. Gerade angesichts der schwierigen budgetären Lage wird die Problematik der unbezahlten Mehr- und Über­stunden noch drastischer. Hier unterschlagen Betriebe sowohl den Beschäftigten als auch dem Staat große Summen. Das aktuelle Budgetloch wäre bedeutend kleiner, wären alle Mehr- und Über­stunden korrekt bezahlt worden.


Was kann der Betriebsrat tun?  

Der Betriebsrat ist wichtig für Kontrolle und Aufklärung. Oft werden etwa Minusstunden verrechnet: Ist im Betrieb wenig zu tun, schicken die Vorgesetzten Beschäftigte nach Hause und verrechnen Minus­stunden, die dann wieder eingearbeitet werden müssen. Das ist gesetzlich nicht erlaubt. Ist ein:e Arbeitnehmer:in in der regulären Arbeitszeit bereit zu arbeiten und wird heimgeschickt, zählt das trotzdem als Arbeitszeit. Wenn später zusätzliche Stunden gearbeitet werden, dann sind das Mehr- bzw. Überstunden, die vergütet werden müssen. Viele Beschäftigte wissen das leider nicht.


Welche Forderungen erhebt die AK?

Wir fordern die verpflichtende Meldung der vereinbarten Arbeitszeit bei der Sozial­­versicherung. Außerdem müssen die Arbeitszeiten fälschungs­sicher erfasst und vor nachträglichen Änderungen geschützt werden. Das Arbeitsinspektorat muss die Arbeitszeit verstärkt kontrollieren und dafür auch zusätzliches Personal bekommen. Gleichzeitig braucht es wirkungsvolle Sanktionen gegen Kontrollvereitelung und eklatante Unter­entlohnung.

Pro geleisteter Überstunde sollen Arbeitgeber einen Überstunden-Euro abführen, der für arbeitsmarkt- und gesundheits­politische Aufgaben eingesetzt werden soll. Bei der Vorenthaltung von Ansprüchen sollte es höhere Strafzuschläge geben. Leider gibt es sehr kurze Verfallsfristen, die eine spätere Nach­forderung von Vergütung derzeit unmöglich machen. Hier braucht es ein Verbot von Verfallsfristen im aufrechten Arbeitsverhältnis.

Zur Person

Sybille Pirklbauer ist Expertin für Sozial­staats­finanzierung und leitet die Abteilung für Sozialpolitik der AK Wien. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit sind soziale Aspekte der Klimakrise und der sozial-ökologischen Transformation.

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