Durch den Lohnraub wird auch der Sozialstaat massiv geschädigt. Denn es wird nicht nur den Beschäftigten Geld vorenthalten: Rund 1,3 Milliarden Euro fehlen so auch an öffentlichen Abgaben. Das umfasst einerseits die Abgaben der Arbeitnehmer:innen (Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge).
Andererseits fehlen dadurch außerdem die Arbeitgeberbeiträge an die Sozialversicherung. Gerade angesichts der schwierigen budgetären Lage wird die Problematik der unbezahlten Mehr- und Überstunden noch drastischer. Hier unterschlagen Betriebe sowohl den Beschäftigten als auch dem Staat große Summen. Das aktuelle Budgetloch wäre bedeutend kleiner, wären alle Mehr- und Überstunden korrekt bezahlt worden.
Der Betriebsrat ist wichtig für Kontrolle und Aufklärung. Oft werden etwa Minusstunden verrechnet: Ist im Betrieb wenig zu tun, schicken die Vorgesetzten Beschäftigte nach Hause und verrechnen Minusstunden, die dann wieder eingearbeitet werden müssen. Das ist gesetzlich nicht erlaubt. Ist ein:e Arbeitnehmer:in in der regulären Arbeitszeit bereit zu arbeiten und wird heimgeschickt, zählt das trotzdem als Arbeitszeit. Wenn später zusätzliche Stunden gearbeitet werden, dann sind das Mehr- bzw. Überstunden, die vergütet werden müssen. Viele Beschäftigte wissen das leider nicht.
Wir fordern die verpflichtende Meldung der vereinbarten Arbeitszeit bei der Sozialversicherung. Außerdem müssen die Arbeitszeiten fälschungssicher erfasst und vor nachträglichen Änderungen geschützt werden. Das Arbeitsinspektorat muss die Arbeitszeit verstärkt kontrollieren und dafür auch zusätzliches Personal bekommen. Gleichzeitig braucht es wirkungsvolle Sanktionen gegen Kontrollvereitelung und eklatante Unterentlohnung.
Pro geleisteter Überstunde sollen Arbeitgeber einen Überstunden-Euro abführen, der für arbeitsmarkt- und gesundheitspolitische Aufgaben eingesetzt werden soll. Bei der Vorenthaltung von Ansprüchen sollte es höhere Strafzuschläge geben. Leider gibt es sehr kurze Verfallsfristen, die eine spätere Nachforderung von Vergütung derzeit unmöglich machen. Hier braucht es ein Verbot von Verfallsfristen im aufrechten Arbeitsverhältnis.
Sybille Pirklbauer ist Expertin für Sozialstaatsfinanzierung und leitet die Abteilung für Sozialpolitik der AK Wien. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit sind soziale Aspekte der Klimakrise und der sozial-ökologischen Transformation.