Alice Niklas: Das Thema Nachhaltigkeit hat durch die Pandemie und durch die Klimakrise einen zusätzlichen Schub bekommen. Bisher gibt es in Österreich seit 2017 eine eingeschränkte Berichtspflicht für rund 100 Unternehmen gemäß dem Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz (NaDiVeG). Davor konnten die Betriebe freiwillig im Rahmen der Corporate Social Responsibility, der Unternehmerischen Sozialverantwortung, nachhaltige Themen berücksichtigen und darüber berichten.
Von AK- und Gewerkschaftsseite haben wir immer kritisiert, dass die Berichterstattung nicht verpflichtend war. Die Unternehmen wünschten sich ebenfalls konkretere Vorgaben, was und wie sie berichten sollten. Eine langjährige Forderung war auch der größere Anwenderkreis, damit wir mehr Informationen über Unternehmen bekommen. Das alles wird jetzt mit der neuen Regelung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) Pflicht. Ein weiterer Pluspunkt ist die verpflichtende Prüfung der Berichte.
Für die Unternehmen und Betriebsräte, die jetzt zum ersten Mal damit in Berührung kommen, werden die nächsten beiden Jahre spannend. Weil sämtliche Reporting-Strukturen aufgebaut werden müssen. Die Berichtsinhalte werden erweitert. Vorstand und Aufsichtsrat werden verstärkt in die Pflicht genommen, das trifft auch auf den Betriebsrat zu.
Alice Niklas: Durch die neue Regelung sind die Arbeitnehmer:innenvertretungen aktiv einzubeziehen. Die Unternehmensleitung muss die Nachhaltigkeitsinformationen mit ihnen diskutieren – denn die Nachhaltigkeitsthemen sind gleich wichtig wie die Finanzindikatoren. Diese Stellungnahme ist an das Aufsichtsorgan weiterzuleiten. Dort können die entsandten Arbeitnehmervertreter:innen nochmals überprüfen, ob ihre Meinung ausreichend abgebildet ist.
Der Betriebsrat ist Experte für gute Arbeit. Die Betriebsratsmitglieder kennen den Betrieb und die Mitarbeiter:innen und haben ein hohes Know-how in Bezug auf die Sozialbelange. Die Betriebsrät:innen im Aufsichtsrat können zur qualitativen Weiterentwicklung der Themen beitragen, weil sie ja so etwas wie Sparringpartner:innen der Geschäftsführung sind. So kann die soziale Säule gut gestärkt werden. Dadurch gewinnt die Arbeitnehmer:innenvertretung neue Perspektiven.
Alice Niklas: Neben den sozialen werden auch Umwelt- und Governance-Themen berichtet. Die sozialen Themen beziehen sich auf die eigene Belegschaft, die Beschäftigten in der Wertschöpfungskette, die betroffenen Gemeinschaften und die Verbraucher:innen. Die jeweiligen Strategien, Ziele und Maßnahmen etwa für Aus- und Weiterbildung und Diversität sind vom Management auszuarbeiten.
Alice Niklas, AK Wien
Alice Niklas: Natürlich. Die Berichte enthalten auch wesentliche Informationen für potenzielle Mitarbeiter:innen. Die betroffenen Unternehmen müssen Maßnahmen beschreiben, wie sie die Ziele etwa bei den Arbeitsbedingungen erreichen wollen. Genauso wenn es um die Frauenquote geht.
Alice Niklas: In Vorstand und Geschäftsführung soll sich die Arbeitnehmervertretung schon jetzt einbringen, selbst wenn die Berichtspflicht für ihr Unternehmen erst ab 2025 gilt. Empfehlenswert ist vorzufühlen, ob das Thema schon auf der Agenda ist und ob das Unternehmen dafür gerüstet ist, welche Abteilung für das Reporting zuständig ist – meistens übernimmt das Controlling die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Auch im Betriebsrat selbst sollten rechtzeitig die Kompetenzen dafür aufgebaut werden.
Alice Niklas: Die Vorbereitungen sind sicherlich groß in den ersten Jahren. Aber so werden wesentliche Informationen transparent. Das kann in Zukunft bei der Kreditfinanzierung oder Auftragsvergabe entscheidend werden. Nur wenn bekannt ist, wie nachhaltig die Unternehmen agieren, kann in der globalen Politik der EU umgesteuert werden.
In der ersten Stufe trifft die Neuregelung ab 2024 die Unternehmen, die bisher eine „nicht-finanzielle Erklärung“ gemäß NaDiVeG veröffentlichen mussten: Kapitalmarktorientierte Unternehmen, Banken und Versicherungen und mit mehr als 500 Arbeitnehmer:innen
Ab 2025 wird die Pflicht auf alle anderen großen Kapitalgesellschaften ausgeweitet, die zwei von drei Kategorien erfüllen: Bilanzsumme >20 Mio. Euro, Umsatzerlöse >40 Mio. Euro und/oder >250 Mitarbeiter:innen
Ab 2026 kommen kapitalmarktorientierte Klein- und Mittelbetriebe, kleine, nicht komplexe Kreditinstitute und firmeneigene Versicherungen (mit Möglichkeit zum Opting-out bis 2028) dazu.
Ab 2028 fallen Nicht-EU-Unternehmen, die ausreichend Aktivitäten im EU-Raum haben, unter die Regelung. Alle Unternehmen müssen die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) für die Offenlegung der Informationen im Lagebericht anwenden. Der Nachhaltigkeitsbericht muss von einem Abschlussprüfer oder unabhängigen Prüfungsdienstleister geprüft werden und wird im Aufsichtsrat behandelt.