Alice Niklas, Betriebswirtin in der AK Wien © Markus Zahradnik
Interview

Nach­haltig­keit im Unter­nehmen: Sparring­partner Betriebs­rat 

Wie sozial und ökologisch sie wirt­schaften, müssen künftig an die 2.000 Unter­nehmen in Österreich nach­weisen. 
Heike Hausensteiner
11.06.2023

Die Aus­wirkungen der ver­pflich­ten­den Bericht­erstat­tung erklärt AK Betriebs­wirtin Alice Niklas. 

AKtuell: Was kommt da auf die Beschäftigten und Betriebsrät:innen zu? 

Alice Niklas: Das Thema Nach­haltigkeit hat durch die Pan­demie und durch die Klima­krise einen zusätzlichen Schub bekommen. Bisher gibt es in Österreich seit 2017 eine ein­geschränkte Berichts­pflicht für rund 100 Unternehmen gemäß dem Nachhaltigkeits- und Diversitäts­verbesserungs­gesetz (NaDiVeG). Davor konnten die Betriebe frei­willig im Rahmen der Corporate Social Responsibility, der Unter­nehmerischen Sozial­verant­wortung, nach­haltige Themen berück­sichtigen und darüber berichten. 

Von AK- und Gewerkschafts­seite haben wir immer kritisiert, dass die Bericht­erstattung nicht ver­pflichtend war. Die Unter­nehmen wünschten sich ebenfalls kon­kretere Vor­gaben, was und wie sie berichten sollten. Eine lang­jährige For­derung war auch der größere Anwender­kreis, damit wir mehr Infor­mationen über Unter­nehmen bekommen. Das alles wird jetzt mit der neuen Regelung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) Pflicht. Ein weiterer Plus­punkt ist die verpflich­tende Prüfung der Berichte. 

Für die Unter­nehmen und Betriebs­räte, die jetzt zum ersten Mal damit in Be­rührung kommen, werden die nächsten beiden Jahre spannend. Weil sämtliche Reporting-­Strukturen aufgebaut werden müssen. Die Berichts­inhalte werden erweitert. Vorstand und Aufsichts­rat werden verstärkt in die Pflicht genommen, das trifft auch auf den Betriebs­rat zu.

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AKtuell: Inwieweit stärkt das die Rolle der Betriebsrät:innen?

Alice Niklas: Durch die neue Regelung sind die Arbeit­nehmer­:innen­ver­tretungen aktiv einzu­beziehen. Die Unter­nehmens­leitung muss die Nachhaltig­keits­informa­tionen mit ihnen diskutieren – denn die Nach­haltig­keitsthemen sind gleich wichtig wie die Finanz­indika­toren. Diese Stellung­nahme ist an das Aufsichts­organ weiterzuleiten. Dort können die ent­sandten Arbeit­nehmer­vertreter:innen noch­mals über­prüfen, ob ihre Meinung aus­reichend ab­gebildet ist. 

Der Betriebsrat ist Experte für gute Arbeit. Die Betriebsratsmitglieder kennen den Betrieb und die Mitarbeiter:innen und haben ein hohes Know-how in Bezug auf die Sozial­belange. Die Betriebs­rät:innen im Aufsichts­rat können zur qualitativen Weiter­ent­wicklung der Themen beitragen, weil sie ja so etwas wie Sparring­partner:innen der Geschäfts­führung sind. So kann die soziale Säule gut gestärkt werden. Dadurch gewinnt die Arbeit­nehmer:innen­­ver­tretung neue Pers­pektiven.

AKtuell: Was sind die wesentlichen Themen, die ins Reporting einfließen sollen?

Alice Niklas: Neben den sozialen werden auch Umwelt- und Governance-Themen berichtet. Die sozialen Themen beziehen sich auf die eigene Beleg­schaft, die Beschäf­tigten in der Wert­schöpfungs­kette, die betroffenen Gemein­schaften und die Ver­braucher:innen. Die jeweiligen Stra­tegien, Ziele und Maß­nahmen etwa für Aus- und Weiter­bildung und Diversität sind vom Manage­ment auszuarbeiten. 


Webtipp

Tipp Symbolbild © AK Wien

Fragen zum Nach­­haltig­keits­bericht?

Du erreichst die Abteilung Betriebswirtschaft der AK Wien per E-Mail unter bw@akwien.at.
"Die Be­triebs­rät:in­nen im Auf­sichts­­rat kön­nen zur qua­li­ta­ti­ven Wei­ter­­ent­­wick­lung der The­men bei­tra­gen."

Alice Niklas, AK Wien

AKtuell: Wenn also viele Beschäftigte kündigen, wird der Nach­haltigkeits­bericht ein nega­tives Licht auf das Unter­nehmen werfen? 

Alice Niklas: Natürlich. Die Berichte enthalten auch wesen­tliche Infor­mationen für poten­zielle Mit­arbeiter:innen. Die betroffenen Unter­nehmen müssen Maß­nahmen beschreiben, wie sie die Ziele etwa bei den Arbeits­bedin­gungen erreichen wollen. Genauso wenn es um die Frauen­quote geht. 


AKtuell: Wie proaktiv kann der Betriebsrat sein? 

Alice Niklas: In Vorstand und Geschäftsführung soll sich die Arbeit­nehmer­ver­tre­tung schon jetzt einbringen, selbst wenn die Berichts­pflicht für ihr Unter­nehmen erst ab 2025 gilt. Empfehlens­wert ist vorzufühlen, ob das Thema schon auf der Agenda ist und ob das Unter­nehmen dafür gerüstet ist, welche Abteilung für das Reporting zuständig ist – meistens übernimmt das Controlling die Nach­haltigkeits­bericht­erstattung. Auch im Betriebs­rat selbst sollten rechtzeitig die Kompetenzen dafür aufgebaut werden. 


AKtuell: Wird das ein Büro­kra­tie­monster oder ein Management-­Tool? 

Alice Niklas: Die Vor­bereitungen sind sicherlich groß in den ersten Jahren. Aber so werden wesentliche Infor­ma­tionen transparent. Das kann in Zukunft bei der Kredit­finanzierung oder Auftrags­vergabe entscheidend werden. Nur wenn bekannt ist, wie nachhaltig die Unter­nehmen agieren, kann in der globalen Politik der EU umgesteuert werden.


FACTBOX


Nachhaltigkeitsbericht
Ab wann gilt was?


2024

In der ersten Stufe trifft die Neuregelung ab 2024 die Unternehmen, die bisher eine „nicht-finanzielle Erklärung“ gemäß NaDiVeG ver­öffentlichen mussten: Kapital­markt­orientierte Unter­nehmen, Banken und Versi­cherungen und mit mehr als 500 Arbeit­nehmer:innen


2025

Ab 2025 wird die Pflicht auf alle anderen großen Kapital­gesellschaften aus­geweitet, die zwei von drei Kategorien erfüllen: Bilanz­summe >20 Mio. Euro, Umsatz­erlöse >40 Mio. Euro und/oder >250 Mitar­beiter:innen


2026

Ab 2026 kommen kapital­markt­orientierte Klein- und Mittelbetriebe, kleine, nicht komplexe Kredit­institute und firmen­eigene Ver­sicherungen (mit Möglich­keit zum Opting-out bis 2028) dazu.


2028

Ab 2028 fallen Nicht-EU-Unter­nehmen, die aus­reichend Akti­vitäten im EU-Raum haben, unter die Regelung. Alle Unternehmen müssen die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) für die Offen­legung der Infor­mationen im Lage­bericht anwenden. Der Nach­haltigkeits­bericht muss von einem Abschluss­prüfer oder unabhängigen Prüfungs­dienstleister geprüft werden und wird im Aufsichts­rat behandelt. 


 

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