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Betriebsrat

Frauen im Betriebsrat: „Wir brauchen mehr Tempo“

Aus Frauen­sicht ist die betrieb­liche Mit­bestim­mung, die die AK alle zehn Jahre unter die Lupe nimmt, er­nüch­ternd. 

Heike Hausensteiner
12.09.2023

Die Kon­se­quenzen erläutert Ursula Filipič von der sozial­poli­tischen Ab­teilung der AK Wien im Inter­view.

Lediglich 51 Prozent der Frauen arbeiten in Unter­nehmen mit Betriebs­rat. Gleich­zeitig würden von den Arbeit­nehmerinnen ohne Betriebs­rat 42 Prozent einen gründen. 20 Prozent haben dazu keine Meinung. Das geht aus der aktuellen Studie über die betriebliche Mit­bestimmung aus weib­licher Sicht hervor. Dafür gibt es drei Gründe, meint Ursula Filipič von der Abteilung für Sozial­politik der AK Wien: „Frauen arbeiten oft in betriebs­rats­mäßig weniger organisierten Branchen wie dem Handel – aber auch häufig in den Bereichen Gesund­heit, Soziales, Bildung, die gut aufgestellt sind in Sachen Betriebsrat. Zum anderen sind Frauen öfter in kleineren Betrieben beschäftigt, in denen es seltener einen Betriebsrat gibt. Ein dritter Faktor ist die generell kürzere Beschäfti­gungs­dauer von Frauen.“ 


Zweifel­los erhöht werden müssten Information und Aufklärung über die betrieb­liche Mit­bestimmung. Das sei eine wesentliche Aufgabe der Arbeit­nehmer:in­nen­ver­tretungen selbst, so die AK Expertin. „Andere Akteure versagen diesbezüglich. In den Schulen oder an den Unis gibt es nur sehr wenig Infor­mationen über diesen wesent­lichen Bau­stein einer demo­krati­scheren Arbeits­welt. Menschen erfahren oft erst am Arbeits­platz, dass es einen Betriebs­rat gibt und was betriebliche Mit­bestimmung konkret bedeuten kann.“

Infografik Frauen im Betriebsrat © AKtuell. Quelle: IFES
© AKtuell. Quelle: IFES
„Zwei­fel­los müssten Infor­ma­tion und Auf­klä­rung über die be­trieb­li­che Mit­be­stim­mung er­höht wer­den.“

Ursula Filipič, AK Wien

Ursula Filipic, AK Wien © Lisi Specht
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Ursula Filipič, AK Wien

Doppelt unterrepräsentiert

Verschärfend kommt hinzu: Frauen sind in Betriebsräten doppelt unter­repräsentiert, als einfache Mitglieder und Vorsitzende. Aus strukturellen Gründen, seit Jahr­zehnten. In der voran­gegangenen Studie zur betrieblichen Mit­bestimmung in Österreich 2013 waren 70 Prozent der befragten Betriebs­rats­mitglieder Männer und 30 Prozent Frauen. Zehn Jahre später ist das Verhältnis 65 : 34. „Wenn es in dem Tempo weiter ginge, bräuchte es noch weitere vier Jahr­zehnte, bis es endlich Halbe-Halbe in den Betriebs­räten gäbe“, sagt Ursula Filipič. 

Erhebliche Barrieren für Frauen

Dass Frauen nach wie vor mit erheblichen Barrieren zu kämpfen haben, dafür gibt es Un­mengen an Empirie: Vermehrte Teilzeit-, Erziehungs- und Sorge-Arbeit, die durch die gläserne Decke erschwerten Aufstiegs­chancen, die Gehalts- und die Pensions­unterschiede gegenüber Männern. „Es liegt ganz wesentlich an den Strukturen! Und diese machen auch vor der betrieblichen Mit­bestimmung nicht halt. Außerdem wirken alther­gebrachte Rollen­muster und Prägungen. Erst mit einem deutlich höheren formalen Bildungs­grad trauen sich Frauen die Funktion eines Betriebsrats überhaupt zu. Das beobachten wir auch bei Menschen mit Migrations­hintergrund – und das muss geändert werden.“ Denn von vielfältigen Betriebsrats­körperschaften, in denen Frauen, Junge, Migrant:innen gut vertreten sind, fühlen sich nicht nur Frauen besser vertreten, sondern auch Männer sowie alle anderen Gruppen.


Zudem sind Gewerkschafts­mitglieder besser informiert über den Betriebsrat als Nicht­mitglieder. Die Kollektiv­verträge (KV) und Tarif-Abschlüsse gelten in Österreich für alle Beschäftigten, unabhängig von einer Gewerkschafts­mitgliedschaft. Das sollte definitiv so bleiben, findet die AK Expertin. „Dass KV-Abschlüsse für alle Beschäftigten gelten, ist eine tragende Säule von Solidarität. Die Aushöhlung dieses Prinzips hatte in mehreren europäischen Ländern gravierend negative Auswirkungen. Eine starke Arbeit­nehmer:innen­bewegung steht und fällt mit der Solidarität.“

Strukturen aufbrechen

Wie können letztlich mehr Frauen in die Betriebs­rats­arbeit einbezogen werden? Ebenso wie bei den genannten Strukturen, die noch aufzubrechen sind, müsste hier an mehreren Stell­schrauben gedreht werden. Da ist zum einen der Faktor (Arbeits-)Zeit. Außerdem: „Betriebs­ratskörper­schaften sollten sich offensiv der Frage stellen, wie bisher unter­repräsentierte Gruppen gewonnen werden können“, so Ursula Filipič. Das sei zu höchstens einem Drittel der Fall. „Es ist eine der besonders wichtigen Aufgaben von g’standenen Betriebsrät:innen.“ Denn für zwei Drittel der befragten Frauen war ein zentraler Grund für ihre Kandidatur, dass sie vom Betriebsrat darum gebeten wurden. 


Gesellschaftliche und ökonomische Benach­teiligungen schlagen sich genauso in der betrieblichen Mit­bestimmung nieder. Betriebs­rätinnen vermissen bei den fehlenden Betriebs­vereinbarungen am häufigsten jene zur besseren Vereinbarkeit von Betreuungs­pflichten und Beruf und eine Betriebs­vereinbarung zu Frauen­förder­plänen. Das ist kein Zufall.

WEbtipp

Tipp Symbolbild © AK Wien

Studie

Hier findest du den Kurzbericht "Frauen" in der Studie über die Mitbestimmung in Österreich 2022.

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