Doppelt unterrepräsentiert
Verschärfend kommt hinzu: Frauen sind in Betriebsräten doppelt unterrepräsentiert, als einfache Mitglieder und Vorsitzende. Aus strukturellen Gründen, seit Jahrzehnten. In der vorangegangenen Studie zur betrieblichen Mitbestimmung in Österreich 2013 waren 70 Prozent der befragten Betriebsratsmitglieder Männer und 30 Prozent Frauen. Zehn Jahre später ist das Verhältnis 65 : 34. „Wenn es in dem Tempo weiter ginge, bräuchte es noch weitere vier Jahrzehnte, bis es endlich Halbe-Halbe in den Betriebsräten gäbe“, sagt Ursula Filipič.
Erhebliche Barrieren für Frauen
Dass Frauen nach wie vor mit erheblichen Barrieren zu kämpfen haben, dafür gibt es Unmengen an Empirie: Vermehrte Teilzeit-, Erziehungs- und Sorge-Arbeit, die durch die gläserne Decke erschwerten Aufstiegschancen, die Gehalts- und die Pensionsunterschiede gegenüber Männern. „Es liegt ganz wesentlich an den Strukturen! Und diese machen auch vor der betrieblichen Mitbestimmung nicht halt. Außerdem wirken althergebrachte Rollenmuster und Prägungen. Erst mit einem deutlich höheren formalen Bildungsgrad trauen sich Frauen die Funktion eines Betriebsrats überhaupt zu. Das beobachten wir auch bei Menschen mit Migrationshintergrund – und das muss geändert werden.“ Denn von vielfältigen Betriebsratskörperschaften, in denen Frauen, Junge, Migrant:innen gut vertreten sind, fühlen sich nicht nur Frauen besser vertreten, sondern auch Männer sowie alle anderen Gruppen.
Zudem sind Gewerkschaftsmitglieder besser informiert über den Betriebsrat als Nichtmitglieder. Die Kollektivverträge (KV) und Tarif-Abschlüsse gelten in Österreich für alle Beschäftigten, unabhängig von einer Gewerkschaftsmitgliedschaft. Das sollte definitiv so bleiben, findet die AK Expertin. „Dass KV-Abschlüsse für alle Beschäftigten gelten, ist eine tragende Säule von Solidarität. Die Aushöhlung dieses Prinzips hatte in mehreren europäischen Ländern gravierend negative Auswirkungen. Eine starke Arbeitnehmer:innenbewegung steht und fällt mit der Solidarität.“
Strukturen aufbrechen
Wie können letztlich mehr Frauen in die Betriebsratsarbeit einbezogen werden? Ebenso wie bei den genannten Strukturen, die noch aufzubrechen sind, müsste hier an mehreren Stellschrauben gedreht werden. Da ist zum einen der Faktor (Arbeits-)Zeit. Außerdem: „Betriebsratskörperschaften sollten sich offensiv der Frage stellen, wie bisher unterrepräsentierte Gruppen gewonnen werden können“, so Ursula Filipič. Das sei zu höchstens einem Drittel der Fall. „Es ist eine der besonders wichtigen Aufgaben von g’standenen Betriebsrät:innen.“ Denn für zwei Drittel der befragten Frauen war ein zentraler Grund für ihre Kandidatur, dass sie vom Betriebsrat darum gebeten wurden.
Gesellschaftliche und ökonomische Benachteiligungen schlagen sich genauso in der betrieblichen Mitbestimmung nieder. Betriebsrätinnen vermissen bei den fehlenden Betriebsvereinbarungen am häufigsten jene zur besseren Vereinbarkeit von Betreuungspflichten und Beruf und eine Betriebsvereinbarung zu Frauenförderplänen. Das ist kein Zufall.