Die Studie des Instituts „Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt“ (FORBA) über die Arbeitsbedingungen in der Gastronomie und Hotellerie verdirbt einem den Appetit. Die Branche gilt als Sektor mit „schwierigen Arbeitsbedingungen“ heißt es in der Studie. „Nicht zuletzt wird dies daran deutlich, dass weniger Menschen in dieser Branche arbeiten möchten als Arbeitskräfte gebraucht würden“, schreiben die Studienautor:innen Bettina Stadler und Georg Adam.
Die harten Fakten, die FORBA aus diversen Statistiken zusammentrug, zeigen die Gründe, weshalb von einer „Fluchtbranche“ die Rede ist: Das Hotel- und Gastgewerbe ist Branchenletzter bei den Einkommen. Der Ende 2022 veröffentlichte Einkommensbericht des Rechnungshofes über die Einkommen der unselbständig Beschäftigten belegt dies Schwarz auf Weiß. Sowohl dann, wenn man Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte gemeinsam betrachtet als auch wenn die ganzjährig Vollzeitbeschäftigten allein in den Blick genommen werden, findet sich die Branche auf dem letzten Platz.
Insbesondere in der Gastronomie werden zudem Überstunden oft nicht oder nur teilweise bezahlt. Beschäftigte werden falsch oder verspätet zur Sozialversicherung angemeldet, schriftliche Aufzeichnungen, Arbeitsverträge oder zumindest Dienstzettel fehlen häufig. „Eine Mischung aus offiziell angemeldeter Arbeit und Schwarzarbeit ist wohl in vielen Gastrobetrieben zu finden“, lautet ein Fazit der FORBA-Studie, für die auch Fälle aus der Arbeitsrechtsberatung der AK Wien analysiert wurden.
Für die Beschäftigten von großem Nachteil ist zudem, dass es im Kollektivvertrag für das Hotel- und Gastgewerbe keine Nacht- und Wochenendzuschläge gibt. Ein Gewerkschafter dazu in der Studie: „Dann, wenn die anderen feiern gehen, arbeitet man. Dann, wenn die anderen Urlaub machen, ist man auch am Arbeiten. […] Das wäre ja kein unlösbares Problem, das Problem ist aber in dem Punkt, dass es dafür keine Ausgleichsmaßnahmen gibt.“ Als Beispiel aus anderen Branchen führt er Zulagen, Zuschläge und andere Kompensationen wie „extra Freizeit“ an.
Beschäftigte, denen offene Ansprüche vorenthalten wurden, wenden sich meist erst an die AK, wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet wurde. Das Hotel- und Gastgewerbe findet sich in der Statistik der Arbeitsrechtsberatung der AK Wien als Problembranche auf dem ersten Platz. Die Arbeitnehmer:innen aus dem Hotel- und Gastgewerbe machen in Wien sechs Prozent der unselbständig Beschäftigten aus, aber zehn Prozent aller persönlichen Beratungen und 15 Prozent aller Interventionen gehen auf das Konto der Branche. „Angesichts solcher Umstände wundert es nicht, dass vor allem das Gastgewerbe klagt, keine Beschäftigten zu finden“, sagt AK Präsidentin Renate Anderl. Auch der raue Umgangston zeige, dass es an Respekt und Wertschätzung gegenüber den Beschäftigten mangle. Roman Hebenstreit, Vorsitzender der Gewerkschaft vida, ergänzt: „Die Studie zeigt klar: Eine bessere Bezahlung und attraktivere Arbeitsbedingungen sind unerlässlich.“
Die Arbeitnehmer:innen im Hotel- und Gastgewerbe sind durchschnittlich jünger, haben häufiger Pflichtschulabschluss, stammen häufiger aus dem Ausland als die Beschäftigten in vielen anderen Bereichen des Arbeitsmarkts. Zwar ist im Handel die Struktur der Beschäftigten ähnlich, aber ein höherer Anteil ist bei größeren Unternehmen beschäftigt, wo es auch einen Betriebsrat gibt. Vor allem die Gastronomie ist sehr kleinteilig strukturiert. Nur in wenigen Gastronomiebetrieben gibt es einen Betriebsrat, der auf die Einhaltung der arbeitsrechtlichen Vorschriften achtet und die Beschäftigten bei Problemen unterstützen kann.
Hier findest du die FORBA-Studie "Arbeitsbedingungen und Arbeitskonflikte im Hotel- und Gastgewerbe" zum Download.
Die mehr als tausend Beschäftigten der JUFA Hotels in Österreich können auf ihren Betriebsrat zählen. Und sie haben einen Arbeitgeber, dem es wichtig ist, gute Arbeitsbedingungen zu bieten. Nach über einem Jahr Verhandlung mit der Gewerkschaft vida gibt es einen eigenen „Zukunfts-Kollektivvertrag“ für die Hotelkette, die in Österreich fünfzig Hotels betreibt. Seit September 2023 gilt für die Beschäftigten ein Mindestlohn von 1.900 Euro brutto, ab Mai 2024 beträgt er 2.000 Euro. Im Branchen-Kollektivvertrag liegt der Mindestlohn bei 1.800 Euro. Dazu kommen Sonntags- und Nachtzuschläge. „Darüber freue ich mich besonders“, sagt Christina Steinböck, die seit sieben Jahren als Front Office Managerin im JUFA Hotel Wien City arbeitet. Ein Wochenende im Monat ist fix frei. Bereits ab sechs Jahren Betriebszugehörigkeit gibt es schrittweise mehr Urlaub.
„Die Arbeitswelt verändert sich und die Branche muss sich verändern, möchte man als Unternehmen zukunftsfit für neue Arbeits- und Lebensmodelle sein. Dafür ist es wichtig, gute Rahmenbedingungen für Mitarbeiter:innen zu schaffen, um diese langfristig im Unternehmen zu halten“, sagt Gerhard Wendl, Vorstandsvorsitzender der JUFA Hotels. Betriebsratsvorsitzender Martin Oberfeichtner verweist darauf, dass der Zukunftskollektivvertrag auch ein Vorteil beim Gewinnen neuer Mitarbeiter:innen ist. „Die JUFA Hotels wollten etwas, das sie auch attraktiv macht für neue Bewerbungen. Je schneller die Stellen besetzt sind, desto einfacher wird es für alle im Betrieb.“
Die Gewerkschaft hofft, dass weitere Betriebe dem Beispiel der JUFA Hotels folgen werden. „Wer will bei den derzeitigen Rahmenbedingungen seine eigenen Kinder in der Gastronomie arbeiten sehen?“, sagt vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit. „Erst, wenn man sich das gut vorstellen kann, haben wir unser Ziel erreicht“. Er lädt weitere Betriebe und die Branche ein, sich weiterzuentwickeln. „Der Zukunfts-Kollektivvertrag sollte ein Signal für alle Arbeitgeber in der Branche sein.“