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Hotel- und Gastgewerbe

Licht und Schatten im Hotel- und Gast­gewerbe

Einen Zukunfts-Kollektiv­ver­trag mit besseren Kon­di­tionen haben die JUFA Hotels mit der Ge­werk­schaft vida ab­ge­schlossen. Ziel ist es, sich von den schwar­zen Schafen in der Branche ab­zu­heben, Beschäf­tigte zu halten und neue Arbeits­kräfte zu gewinnen. Besonders in der Gastro­no­mie fallen viele Be­triebe negativ auf, zeigt eine aktuelle Studie.

Martina Fassler
29.09.2023
in diesem Artikel

    Schwierige Arbeitsbedingungen im Hotel- und Gastgewerbe


    Die Studie des Instituts „Forschungs-­ und Beratungs­stelle Arbeits­welt“ (FORBA) über die Arbeits­bedingungen in der Gastro­nomie und Hotellerie verdirbt einem den Appetit. Die Branche gilt als Sektor mit „schwierigen Arbeits­bedingungen“ heißt es in der Studie. „Nicht zuletzt wird dies daran deutlich, dass weniger Menschen in dieser Branche arbeiten möchten als Arbeits­kräfte gebraucht würden“, schreiben die Studien­autor:innen Bettina Stadler und Georg Adam.


    Die harten Fakten, die FORBA aus diversen Statistiken zusammen­trug, zeigen die Gründe, weshalb von einer „Flucht­branche“ die Rede ist: Das Hotel- und Gast­gewerbe ist Branchen­letzter bei den Ein­kommen. Der Ende 2022 veröffentlichte Einkommens­bericht des Rechnungs­hofes über die Ein­kommen der unselbständig Beschäftigten belegt dies Schwarz auf Weiß. Sowohl dann, wenn man Vollzeit- und Teilzeit­beschäftigte gemein­sam betrachtet als auch wenn die ganz­jährig Vollzeit­beschäftigten allein in den Blick genommen werden, findet sich die Branche auf dem letzten Platz.


     

    Infografik Hotel- und Gastgewerbe © AKtuell; Quelle: AK
    © AKtuell; Quelle: AK
    Renate Anderl, AK-Präsidentin © Sebastian Philipp
    © Sebastian Philipp
    „Wir vermissen einen wertschätzenden Umgang mit den Beschäftigten.“ Renate Anderl, AK Präsidentin

     

    Martin Oberfeichtner, Betriebsratsvorsitzender JUFA Hotels © Erwin Schuh
    © Erwin Schuh
    „Wir wollten etwas, das unsere Hotels auch für neue Bewerbungen attraktiv macht.“ Martin Oberfeichtner, Betriebsratsvorsitzender JUFA Hotels

    Falsche Abrechnungen, Geld bar auf die Hand

    Insbesondere in der Gastro­nomie werden zudem Über­stunden oft nicht oder nur teil­weise bezahlt. Beschäftigte werden falsch oder verspätet zur Sozial­versicherung angemeldet, schriftliche Auf­zeichnungen, Arbeits­verträge oder zumindest Dienst­zettel fehlen häufig. „Eine Mischung aus offiziell angemeldeter Arbeit und Schwarz­arbeit ist wohl in vielen Gastro­betrieben zu finden“, lautet ein Fazit der FORBA-Studie, für die auch Fälle aus der Arbeits­rechts­beratung der AK Wien analysiert wurden. 


    Für die Beschäftigten von großem Nachteil ist zudem, dass es im Kollektiv­vertrag für das Hotel- und Gast­gewerbe keine Nacht- und Wochen­end­zuschläge gibt. Ein Gewerk­schafter dazu in der Studie: „Dann, wenn die anderen feiern gehen, arbeitet man. Dann, wenn die anderen Urlaub machen, ist man auch am Arbeiten. […] Das wäre ja kein unlös­bares Problem, das Problem ist aber in dem Punkt, dass es dafür keine Aus­gleichs­maßnahmen gibt.“ Als Beispiel aus anderen Branchen führt er Zulagen, Zuschläge und andere Kompen­sationen wie „extra Freizeit“ an.


    AK Beratungsfälle häufen sich

    Beschäftigte, denen offene Ansprüche vorenthalten wurden, wenden sich meist erst an die AK, wenn das Arbeits­verhältnis bereits beendet wurde. Das Hotel- und Gast­gewerbe findet sich in der Statistik der Arbeits­rechts­beratung der AK Wien als Problem­branche auf dem ersten Platz. Die Arbeit­nehmer:innen aus dem Hotel- und Gast­gewerbe machen in Wien sechs Prozent der unselbständig Beschäftigten aus, aber zehn Prozent aller persönlichen Beratungen und 15 Prozent aller Inter­ventionen gehen auf das Konto der Branche. „Angesichts solcher Umstände wundert es nicht, dass vor allem das Gast­gewerbe klagt, keine Beschäf­tigten zu finden“, sagt AK Präsidentin Renate Anderl. Auch der raue Umgangs­ton zeige, dass es an Respekt und Wert­schätzung gegenüber den Beschäftigten mangle. Roman Hebenstreit, Vor­sitzender der Gewerk­schaft vida, ergänzt: „Die Studie zeigt klar: Eine bessere Bezahlung und attraktivere Arbeits­bedingungen sind uner­lässlich.“


    Die Arbeit­nehmer:innen im Hotel- und Gast­gewerbe sind durch­schnittlich jünger, haben häufiger Pflicht­schul­abschluss, stammen häufiger aus dem Ausland als die Beschäf­tigten in vielen anderen Bereichen des Arbeits­markts. Zwar ist im Handel die Struktur der Beschäftigten ähnlich, aber ein höherer Anteil ist bei größeren Unter­nehmen beschäftigt, wo es auch einen Betriebs­rat gibt. Vor allem die Gastro­nomie ist sehr klein­teilig strukturiert. Nur in wenigen Gastronomie­betrieben gibt es einen Betriebs­rat, der auf die Einhaltung der arbeits­rechtlichen Vor­schriften achtet und die Beschäf­tigten bei Problemen unterstützen kann.


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    FORBA-Studie

    Hier findest du die FORBA-Studie "Arbeitsbedingungen und Arbeitskonflikte im Hotel- und Gastgewerbe" zum Download.

    Christina Steinboeck, Front Office Managerin, JUFA Hotel Wien City  © Erwin Schuh
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    „Über die Sonntags- und Nachtzuschläge freue ich mich besonders.“ Christina Steinboeck, Front Office Managerin, JUFA Hotel Wien City

     

    Roman Hebenstreit, vida-Vorsitzender © vida
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    „Die Branche muss sich weiterentwickeln. Die JUFA Hotels geben den Weg vor.“ Roman Hebenstreit, vida-Vorsitzender

    JUFA Hotels geben Richtung vor


    Die mehr als tausend Beschäftigten der JUFA Hotels in Österreich können auf ihren Betriebs­rat zählen. Und sie haben einen Arbeit­geber, dem es wichtig ist, gute Arbeits­bedingungen zu bieten. Nach über einem Jahr Ver­handlung mit der Gewerkschaft vida gibt es einen eigenen „Zukunfts-Kollektivvertrag“ für die Hotel­kette, die in Österreich fünfzig Hotels betreibt. Seit September 2023 gilt für die Beschäftigten ein Mindest­lohn von 1.900 Euro brutto, ab Mai 2024 beträgt er 2.000 Euro. Im Branchen-Kollektivvertrag liegt der Mindest­lohn bei 1.800 Euro. Dazu kommen Sonntags- und Nacht­zuschläge. „Darüber freue ich mich besonders“, sagt Christina Steinböck, die seit sieben Jahren als Front Office Managerin im JUFA Hotel Wien City arbeitet. Ein Wochen­ende im Monat ist fix frei. Bereits ab sechs Jahren Betriebs­zugehörigkeit gibt es schritt­weise mehr Urlaub


    „Die Arbeits­welt verändert sich und die Branche muss sich verändern, möchte man als Unter­nehmen zukunftsfit für neue Arbeits- und Lebens­modelle sein. Dafür ist es wichtig, gute Rahmen­bedingungen für Mit­arbeiter:innen zu schaffen, um diese langfristig im Unter­nehmen zu halten“, sagt Gerhard Wendl, Vorstandsvorsitzender der JUFA Hotels. Betriebs­rats­vor­sitzender Martin Oberfeichtner verweist darauf, dass der Zukunfts­kollektivvertrag auch ein Vorteil beim Gewinnen neuer Mitarbeiter:innen ist. „Die JUFA Hotels wollten etwas, das sie auch attraktiv macht für neue Bewerbungen. Je schneller die Stellen besetzt sind, desto einfacher wird es für alle im Betrieb.“


    Die Gewerk­schaft hofft, dass weitere Betriebe dem Beispiel der JUFA Hotels folgen werden. „Wer will bei den derzeitigen Rahmen­bedingungen seine eigenen Kinder in der Gastronomie arbeiten sehen?“, sagt vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit. „Erst, wenn man sich das gut vorstellen kann, haben wir unser Ziel erreicht“. Er lädt weitere Betriebe und die Branche ein, sich weiterzuentwickeln. „Der Zukunfts-Kollektiv­vertrag sollte ein Signal für alle Arbeit­geber in der Branche sein.“


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    Kollektivvertrag der JUFA Hotels

    Hier findest du mehr zum Kollektivvertrag der JUFA Hotels.

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