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Interview

Zu wenige Fachkräfte?

Wie ist die Lage am Wie­ner Arbeits­markt? Wie unter­stützt der waff beim Aus­bilden von Fach­kräften? 

Martina Fassler
14.09.2023

AKtuell hat da­zu waff-Ge­schäfts­führer Fritz Meißl be­fragt.

AKtuell: Alle kla­gen über einen Ma­ngel an Fach­kräften. Gibt es in Wien Bran­chen, wo be­son­ders hoher Be­darf besteht? Bran­chen, wo dies we­ni­ger der Fall ist?

Fritz Meißl: Nicht an jeder erfolg­losen Mit­arbeiter:in­nen­suche ist ein mögli­cher Fach­kräfte­mangel schuld. Der waff hat gemeinsam mit Sozial­partnern, AMS und Abteilungen der Stadt Wien das Thema Fach­kräfte­sicherung intensiv beleuchtet. Dabei wurde klar, dass schon eine eindeutige Begriffs­definition von Fach­kräfte­mangel fehlt. Das Institut für Höhere Studien (IHS) versteht darunter „[…] eine Situation am Arbeitsmarkt, in der die Nach­frage nach bestimmten berufs­fachlichen Qualifika­tionen, deren Angebot auf nationaler, oder auch auf regionaler Ebene, substan­tiell über­steigt und es sich dabei nicht nur um ein konjunkturell bedingtes bzw. kurz­fristiges Phänomen handelt.“ Aufgrund fehlender Daten­grund­lagen ist es schwierig Prognosen zum Fach­kräfte­bedarf, insbesondere auf regionaler Ebene, zu erstellen.
 
Der waff hat daraus die Schlüsse gezogen und entschieden, sich auf drei Schwer­punkte zu konzentrieren: Digitali­sierung, klima­relevante Berufe, also Fach­kräfte zur Erreichung der Klima­ziele, und den kommunalen Bereich mit großem Bedarf, etwa im Bereich der Pflege oder der Elementar­pädagogik. 

Dabei ist eines klar: Wien hat einen Vor­teil gegenüber anderen Bundes­ländern, denn bis 2030 wird die Zahl der Erwerbs­bevölkerung in Wien um 4,5 Prozent steigen, während sie in den übrigen Bundes­ländern sinkt. Das ist die gute Nach­richt. Was wir aktuell erleben, ist, dass bei manchen Berufen die gesuchten Qualifi­kationen mit den am Arbeits­markt vorhan­denen Personen nicht überein­stimmen. Das sieht man zum Beispiel in der IT, der Elektro­technik, bei Installa­teuren, aber auch in der Pflege und Päda­gogik. Manche Stellen sind einfach nicht so attraktiv wie andere verfüg­bare Jobs. Aber viele Unter­nehmen arbeiten derzeit daran, als attrak­tive Arbeit­geber wahr­genommen zu werden. 

Fritz Meißl, waff © Alexandra Kromus
© Alexandra Kromus
Fritz Meißl, Geschäftsführer waff
„Der waff kon­zen­triert sich auf drei Schwer­punk­te: Di­gi­ta­li­sie­rung, kli­ma­re­le­van­te Be­ru­fe und den kom­mu­na­len Be­reich.“

Fritz Meißl, Geschäftsführer waff

AKtuell: Welche Möglich­keiten gibt es für Unter­nehmen mit dem waff zusammen­zuarbeiten, um passendes Personal zu finden?

Fritz Meißl: Der waff sucht kein Personal für Unter­nehmen, das macht das AMS. Der waff hat ein spezielles Programm unter dem Titel „Jobs PLUS Ausbildung“. Wir suchen arbeits­suchende Wiener:innen, die das Potenzial für den gesuchten Job haben, denen die konkrete Aus­bildung aber noch fehlt. Sie erhalten eine Aus­bildung verbunden mit einer Ein­stellungs­zusage in einem Unter­nehmen angeboten. Für den Betrieb hat das den Vorteil, dass er pass­genau ausgebildete neue Mitarbeiter:innen bekommt, die sofort nach Ausbildungs­abschluss über­nommen werden können. Aus­gebildet wird in Theorie und Praxis. Praktika erfolgen bereits im Unter­nehmen.

Der waff kooperiert hier nicht mit einzelnen Unter­nehmen, sondern mit Branchen und dem kommunalen Bereich. Die Bandbreite der angebotenen Aus­bildungen reicht von IT, Technik und Handwerk, Gesund­heit und Pflege, Hotellerie und Gastro­nomie, Handel und Pädagogik bis zu Büro und Verwaltung. 
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AKtuell: Der waff unter­stützt Betriebe, die erstmals in die Lehr­ausbildung ein­steigen. Bei kleineren Betrieben fördert er auch die Kurs­kosten für die Lehrlings­ausbilder:innen. Wird das Ange­bot gut genützt?

Fritz Meißl: Der waff unter­stützt aktuell Betriebe, die erstmals Lehrlinge aufnehmen, Betriebe aus Tourismus und Freizeit­wirtschaft und ganz neu ab September auch Betriebe, die in klima­relevanten Lehr­berufen ausbilden. Die Förderun­gen werden bisher gut ange­nommen. Bis Ende Juli wurden 244 Förderzusagen in der Höhe von insge­samt über zwei Millionen Euro erteilt. 

Heuer haben aber erst zehn Betriebe eine Förderung des Aus­bilder:innen­kurses und der Prüfung­sgebühren erhalten. Hier gibt es durchaus noch Luft nach oben. Wir freuen uns, wenn sich mehr Unter­nehmen melden und in die Lehr­ausbildung einsteigen. 

Aber nicht nur die Betriebe erhalten Förde­rungen für die Lehr­ausbildung, auch die Lehrlinge selbst werden unter­stützt, damit sie die Lehr­abschluss­prüfung erfolg­reich absolvieren. Es gibt bis zu 3.000 Euro vom waff und der Wirtschafts­kammer Wien für Vor­bereitungs­kurse auf die Lehr­abschluss­prüfung in den Bereichen Digitali­sierung, Klima­schutz, Nach­haltigkeit, Energie- und Ressourcen­management und Fremd­sprachen.  

AKtuell: Auf der einen Seite suchen Unter­nehmen hände­ringend nach Per­sonal. Auf der an­deren Seite gibt es einige Grup­pen, die es am Arbeits­markt schwer haben. Ist erkenn­bar, dass die Be­triebe ange­sichts des Mangels an Arbeits­kräften ver­stärkt bereit sind, auf diese Grup­pen zuzu­gehen? 

Fritz Meißl: Der waff unter­stützt Rück­kehrer:in­nen aus der Eltern­karenz. Weiter­bildung während und nach der Karenz fördert der waff mit hundert Prozent der Kurs­kosten bis zu 4.000 Euro. 

Die Lang­zeitarbeits­losigkeit und die Arbeits­losigkeit bei über 50-Jährigen sind im vergan­genen Jahr signifikant zurück­gegangen. Dieser Trend ist aufgrund der schwächelnden Wirt­schaftslage im Juli gestoppt worden. Die Job­offensive 50plus, die Förderung von waff und AMS Wien für Unter­nehmen, NGOs/NPOs sowie dem kommunalen Bereich, die lang­zeit­beschäftigungs­lose Wiener:innen über fünfzig Jahre ein­stellen, wird fortgeführt und auch gut ange­nommen. Bislang sind so über 2.300 Wiener:innen über fünfzig Jahre wieder in einen Job ein­gestiegen. 

Was zuletzt wieder öfter Thema war, ist Personal­abbau bei Unter­nehmen. Hier kann der waff als Träger von Arbeits­stiftungen unterstützen, damit betroffene Mit­arbeiter:innen eine Möglich­keit zum beruflichen Neu­start er­halten. 

Webtipps

Tipp Symbolbild © AK Wien

waff

Hier findest du mehr Infos zu den Unterstützungsangeboten des waff.

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