Fridolin Herkommer, AK Wien © Lisi Specht
Interview

Digitalisierung verändert die Betriebsratsarbeit

„Digi­tale Zukunft ge­recht gestalten“, lau­tete das Motto des AK Digi­tali­sierungs­fonds. Welche Emp­feh­lun­gen Projektleiter Fridolin Herkommer aus den viel­fältigen Projek­ten für die Be­triebs­rats­arbeit ab­leitet, verrät er im AKtuell-Interview.
Theresa Goisauf
11.09.2023

Der Projekt­leiter des AK Digi­tali­sie­rungs­fonds, Fridolin Herkommer, zieht im Interview mit AKtuell Bilanz.


AKtuell: Im Rahmen der Digi­offensive hat die AK seit 2019 eine Viel­zahl an Projekten und Initia­tiven geför­dert. Wie fällt deine Kurz­bilanz aus? 

Fridolin Herkommer: Welt­weite Krisen haben in den letzten Jahren auch unsere Arbeits­welt massiv geprägt und sowohl die Beleg­schaft als auch die Betriebs­räte beschäftigt. Wenn eine Pande­mie ausbricht, ein Krieg in Europa oder die Strom­rechnung nicht mehr bezahlt werden kann, rückt die Digitali­sierung in den Hinter­grund. Dann gilt es kleinere Projekte zu definieren, die umsetz­bar sind und zur Lösung der Probleme beitragen – Stich­wort Homeoffice und Aufrecht­erhaltung der Kommunikation mit den Beschäftigten.  

"Fach­kräfte, die für zu­künf­tige Vi­sio­nen er­for­der­lich sind, wach­sen nicht von allein."

Fridolin Herkommer , Lei­ter des Bü­ros für di­gi­ta­le Agen­den in der AK Wien und 
Pro­jekt­leiter des AK Digi­ta­li­sie­rungs­fonds Ar­beit 4.0 

AKtuell: Was gibst du Be­triebs­rät:in­nen mit?

Fridolin Herkommer: Digitalisierung verändert die Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren. Auch in der Betriebsratsarbeit geht es immer mehr darum, mit den Mitarbeiter:innen digital in einen Beteiligungsprozess zu treten. Genau dort setzt die ÖGB Betriebsrats-App an: Ortsunabhängig können Betriebsrät:innen den Beschäftigten Informationen weiterleiten, Videos posten oder Umfragen erstellen. 


AKtuell: Vor welchen Heraus­for­derun­gen stehen Be­triebs­rät:in­nen? 

Fridolin Herkommer: Wir leben schlichtweg in einer hybriden Welt, in der wir auf vielen Kanälen präsent sein müssen. Die Betriebs­grenzen fransen zunehmend aus. Es wird immer heraus­fordernder, alle Beschäftigten an einem Ort anzutreffen und als Betriebsrat sichtbar zu bleiben. Persönliche Beratungen oder Betriebs­versamm­lungen verlieren nicht an Wert, aber ich rate Betriebs­rät:innen, zusätzlich digital zu mobili­sieren. Der Vorteil ist, dass man Leute erreicht, die man bisher nicht erreicht hat.


AKtuell: Künstliche Intelli­genz rast auf uns zu und macht auch vor der betriebs­rät­li­chen Praxis nicht Halt.  

Fridolin Herkommer: Derzeit ist es in den meisten Fällen, wie bei ChatGPT, noch ein unreguliertes Aus­probieren. Betriebs­rät:innen können neue Tools für ihre Arbeit nutzen. Ent­scheidend ist, es einfach auszu­probieren und zu schauen, worauf die Beleg­schaft positiv reagiert – ohne Perfektions­anspruch. 

Wenn das Unter­nehmen plant, eine KI im Betrieb zu imple­men­tieren, gilt es heraus­zufinden, was das Ziel ist, ob dieses Ziel mit der neuen Techno­logie zweckmäßig erreicht werden kann und ob das daten­sparsam und sensibel, also auch unterstützt um einen Beteiligungs- und Schulungs­prozess, passiert. Das leicht verständliche Handbuch „Verantwortungs­volle Einbindung von KI-Assistenz­systemen am Arbeits­platz“ hilft dabei. 


LITERATURtipp

Verantwortungsvolle Einbindung von KI-Assistenzsystemen am Arbeisplatz © AK

KI Handbuch für Betriebsrät:innen

AKtuell: Was muss bei der beruf­lichen Weiter­bildung getan werden?

Fridolin Herkommer: Wenn Betriebsrät:innen mit­bekom­men, dass die Firma ein neues digitales Geschäfts­modell plant, sollten sie zuerst über­legen, wie die notwendige Aus­bildung jetzt schon ange­stoßen werden kann. Denn die Fach­kräfte, die für zukünftige Visionen erfor­derlich sind, wachsen nicht von allein. Der Betrieb muss den Mit­arbeiter:innen eine qualifi­zierte Aus­bildung ermöglichen. 

Jede Geschäfts­führung, die sich eine digitale Stra­tegie ausmalt, kann diese nur erreichen, wenn sie die Beschäf­tigten miteinbezieht. Das gelingt nur, wenn man ent­sprechend ausbildet. Und genau da kann sich der Betrieb­srat gut draufsetzen, indem er Trans­forma­tions­pläne mit Schulungs­bedarf skizziert. 

AKtuell: Noch dieses Jahr schließt die Digi­offensive. Welche Ange­bote wird es danach geben?

Fridolin Herkommer: Es wird unter­schiedliche Innovations­formate geben. Für Herbst 2024 suchen wir Betriebs­rät:innen, die Problem­stellungen aus ihrer Arbeit mitnehmen, und gemeinsam mit Studierenden an technischen bzw. recht­lichen Lösungen arbeiten. Nachdem sie die Projekte einer Jury vorstellen, haben Sieger:innen die Möglichkeit, ihre Ideen im Zuge einer Projekt­förderung weiter­zu­entwickeln. Zusätzlich bieten wir bereits nächstes Jahr KI-Module im Rahmen der SOZAK an. Um Betriebs­rät:innen weiterhin über digitale Ent­wicklungen zu informieren, planen wir ab 2025 einen jährlichen Technik-Report, der unter anderem die Bedeutung neuer KI-Systeme für die Betriebs­rats­arbeit umreißt.  


Webtipp

Tipp Symbolbild © AK Wien

AK Digitalisierungsoffensive

Im Zukunfts­programm 2019-2023 haben alle Arbeiter­kammern die Digi­offensive umgesetzt. Mit dem Ziel, dass Digitali­sierung gerechter abläuft, haben sie in den letzten fünf Jahren rund 500 Projekte in ganz Österreich gefördert. Die AK Wien stellte im Rahmen des Digif­onds Arbeit 4.0 die Beschäf­tigten in den Mittel­punkt der Digitali­sierung. 

Hier findest du eine Übersicht über die Highlight-Projekte der AK Digitalisierungsoffensive.

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