Fridolin Herkommer: Weltweite Krisen haben in den letzten Jahren auch unsere Arbeitswelt massiv geprägt und sowohl die Belegschaft als auch die Betriebsräte beschäftigt. Wenn eine Pandemie ausbricht, ein Krieg in Europa oder die Stromrechnung nicht mehr bezahlt werden kann, rückt die Digitalisierung in den Hintergrund. Dann gilt es kleinere Projekte zu definieren, die umsetzbar sind und zur Lösung der Probleme beitragen – Stichwort Homeoffice und Aufrechterhaltung der Kommunikation mit den Beschäftigten.
Fridolin Herkommer , Leiter des Büros für digitale Agenden in der AK Wien und
Projektleiter des AK Digitalisierungsfonds Arbeit 4.0
Fridolin Herkommer: Digitalisierung verändert die Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren. Auch in der Betriebsratsarbeit geht es immer mehr darum, mit den Mitarbeiter:innen digital in einen Beteiligungsprozess zu treten. Genau dort setzt die ÖGB Betriebsrats-App an: Ortsunabhängig können Betriebsrät:innen den Beschäftigten Informationen weiterleiten, Videos posten oder Umfragen erstellen.
Fridolin Herkommer: Wir leben schlichtweg in einer hybriden Welt, in der wir auf vielen Kanälen präsent sein müssen. Die Betriebsgrenzen fransen zunehmend aus. Es wird immer herausfordernder, alle Beschäftigten an einem Ort anzutreffen und als Betriebsrat sichtbar zu bleiben. Persönliche Beratungen oder Betriebsversammlungen verlieren nicht an Wert, aber ich rate Betriebsrät:innen, zusätzlich digital zu mobilisieren. Der Vorteil ist, dass man Leute erreicht, die man bisher nicht erreicht hat.
Fridolin Herkommer: Derzeit ist es in den meisten Fällen, wie bei ChatGPT, noch ein unreguliertes Ausprobieren. Betriebsrät:innen können neue Tools für ihre Arbeit nutzen. Entscheidend ist, es einfach auszuprobieren und zu schauen, worauf die Belegschaft positiv reagiert – ohne Perfektionsanspruch.
Wenn das Unternehmen plant, eine KI im Betrieb zu implementieren, gilt es herauszufinden, was das Ziel ist, ob dieses Ziel mit der neuen Technologie zweckmäßig erreicht werden kann und ob das datensparsam und sensibel, also auch unterstützt um einen Beteiligungs- und Schulungsprozess, passiert. Das leicht verständliche Handbuch „Verantwortungsvolle Einbindung von KI-Assistenzsystemen am Arbeitsplatz“ hilft dabei.
Fridolin Herkommer: Wenn Betriebsrät:innen mitbekommen, dass die Firma ein neues digitales Geschäftsmodell plant, sollten sie zuerst überlegen, wie die notwendige Ausbildung jetzt schon angestoßen werden kann. Denn die Fachkräfte, die für zukünftige Visionen erforderlich sind, wachsen nicht von allein. Der Betrieb muss den Mitarbeiter:innen eine qualifizierte Ausbildung ermöglichen.
Jede Geschäftsführung, die sich eine digitale Strategie ausmalt, kann diese nur erreichen, wenn sie die Beschäftigten miteinbezieht. Das gelingt nur, wenn man entsprechend ausbildet. Und genau da kann sich der Betriebsrat gut draufsetzen, indem er Transformationspläne mit Schulungsbedarf skizziert.
Fridolin Herkommer: Es wird unterschiedliche Innovationsformate geben. Für Herbst 2024 suchen wir Betriebsrät:innen, die Problemstellungen aus ihrer Arbeit mitnehmen, und gemeinsam mit Studierenden an technischen bzw. rechtlichen Lösungen arbeiten. Nachdem sie die Projekte einer Jury vorstellen, haben Sieger:innen die Möglichkeit, ihre Ideen im Zuge einer Projektförderung weiterzuentwickeln. Zusätzlich bieten wir bereits nächstes Jahr KI-Module im Rahmen der SOZAK an. Um Betriebsrät:innen weiterhin über digitale Entwicklungen zu informieren, planen wir ab 2025 einen jährlichen Technik-Report, der unter anderem die Bedeutung neuer KI-Systeme für die Betriebsratsarbeit umreißt.
Im Zukunftsprogramm 2019-2023 haben alle Arbeiterkammern die Digioffensive umgesetzt. Mit dem Ziel, dass Digitalisierung gerechter abläuft, haben sie in den letzten fünf Jahren rund 500 Projekte in ganz Österreich gefördert. Die AK Wien stellte im Rahmen des Digifonds Arbeit 4.0 die Beschäftigten in den Mittelpunkt der Digitalisierung.
Hier findest du eine Übersicht über die Highlight-Projekte der AK Digitalisierungsoffensive.