Neu sind sie nicht. Neu ist, dass sie zum Thema werden – auch am Arbeitsplatz: die Wechseljahre. Immerhin befinden sich rund eine Million Frauen in Österreich in dieser Lebensphase. Sie sind zwischen 40 und 60 Jahre alt, stehen meist mitten im Leben und im Beruf. Doch was die wenigsten wissen: Der „Wechsel“ bringt mehr als lästige Hitzewellen mit sich. Er führt zum Verlust von wertvollen Arbeitskräften. Wie das?
Die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und die österreichische Plattform „Wechselweise“ untersuchten 2024 erstmalig in Österreich, welche Auswirkungen die Wechseljahre auf die Arbeitsfähigkeit, die Karriere und den Pensionsantritt bei Frauen haben. In ihrer Studie „MenoSupportAustria“ gaben 20,8 Prozent der befragten Arbeitnehmerinnen an, aufgrund von Wechseljahresbeschwerden die Arbeitszeit zu reduzieren. 14,4 Prozent der über 55-Jährigen erwogen in Frühpension zu gehen – oder sind es bereits.
„Es ist unabdingbar, Frauen in den Wechseljahren bestmöglich zu unterstützen, anstatt sie aus dem Erwerbsleben zu drängen.“
Dorottya Kickinger, ÖGB
Auch der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) attestiert Handlungsbedarf. „In der Arbeitswelt sind die Wechseljahre ein Tabuthema, und das, obwohl sie hochrelevant sind: für die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen, für eine menschenwürdige Arbeitsgestaltung und auch volkswirtschaftlich“, erklärt Dorottya Kickinger, Bundes-Frauensekretärin des ÖGB. „Der Wandel des Arbeitsmarkts und der steigende Fachkräftebedarf machen es unabdingbar, Frauen in dieser Phase bestmöglich zu unterstützen, anstatt sie aus dem Erwerbsleben zu drängen.
Doch was heißt es, „im Wechsel“ zu sein? Mit etwa Mitte vierzig beginnt die sogenannte Perimenopause, die ersten Beschwerden treten auf. Oft erleben die Frauen eine verstärkte Regelblutung und flüchten ins Homeoffice – wenn sie die Möglichkeit haben. Später, wenn die Blutung langsam ausbleibt, meist ab einem Alter von 50 Jahren, beginnt die Menopause. Bei manchen Frauen geht es früher los, bei manchen später. Die Beschwerden sind von Frau zu Frau verschieden, wobei ein Drittel keine hat.
Auf der anderen Seite scheint es nichts zu geben, was in dieser Lebensphase nicht auftreten kann. So sieht sich ein Drittel der befragten Frauen mit leichten, ein Drittel mit schweren Belastungen konfrontiert. Ob plötzliche Schweißattacken während der Schicht, Konzentrationsstörungen bei der Präsentation oder anhaltende Schlafstörungen. Frauen erleben oft eine körperliche wie geistige Erschöpfung. Mit Auswirkung auf ihre Karriere: Das Selbstbewusstsein sinkt, die Sorge vor Stigmatisierung wächst.
Weil Unterstützung fehlt, ziehen sie sich zurück. Das ist nicht nur ein individuelles Dilemma, sondern auch ein gesellschaftspolitisches und ein wirtschaftlicher Verlust. Denn Arbeitnehmerinnen in den Wechseljahren sind für viele Unternehmen unabdingbar: Frauen mit 50 Jahren tragen oft Verantwortung, sie arbeiten in Führungspositionen oder besitzen essenzielles Betriebswissen.
„Die Enttabuisierung muss im gesamten Unternehmen stattfinden: Das betrifft die Führungsebene genauso wie den Arbeitnehmer:innen-Schutz.“
Julia Nedjelik-Lischka, AK Wien
Auch die Politik beschäftigt das Thema. Auf Nachfrage von AKtuell sagt Korinna Schumann, Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz: „Die Wechseljahre betreffen die Hälfte der Bevölkerung – dennoch werden sie nach wie vor tabuisiert. Als Gesundheitsministerin ist es mir ein wichtiges Anliegen, dieses Tabu weiter zu brechen. Denn die Wechseljahre sind kein Randthema, sondern ein zentraler Bestandteil weiblicher Gesundheit. Die Menopause darf in der Gesellschaft, in der Medizin und in der Arbeitswelt kein Tabuthema mehr sein. Wir brauchen mehr Bewusstsein, mehr Aufklärung und mehr Unterstützung, damit Frauen gut durch diese Lebensphase kommen – auch durch betriebliche Gesundheitsförderung und Sensibilisierung am Arbeitsplatz.“
International setzen Unternehmen bereits auf wechseljahresfreundliche Arbeitsplätze. Doch was heißt das? „Die Enttabuisierung muss im gesamten Unternehmen stattfinden: Das betrifft die Führungsebene genauso wie den Arbeitnehmer:innen-Schutz“, erklärt Julia Nedjelik-Lischka, Expertin für alternsgerechtes Arbeiten in der AK Wien. Bisher kommen die Wechseljahre in der arbeitsmedizinischen Betreuung nur untergeordnet vor. Oft haben Frauen unzählige Arztbesuche hinter sich, ohne dass die Menopause als Ursache in Betracht gezogen wird. „Gleichzeitig braucht es arbeitsmedizinische Konzepte, wie die Arbeitnehmerinnen in dieser Lebensphase unterstützt werden – sei es durch atmungsaktivere Arbeitskleidung oder flexible Arbeitszeitmodelle“, so die Expertin.
Betriebsrät:innen können eine wechseljahresfreundliche Arbeitskultur fördern und passende Rahmenbedingungen schaffen. „Vor allem kann der Betriebsrat zu einer neuen Sichtweise auf die Wechseljahre beitragen“, so ÖGB-Bundes-Frauensekretärin Dorottya Kickinger. Frauen haben in dieser Altersphase meist familiäre Verpflichtungen hinter sich und können beruflich anders durchstarten. „Die Wechseljahre sind nicht das Ende der Leistungsfähigkeit, sondern eine Chance. Nutzen wir sie!“