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Recht klar

Befris­tung darf nicht zu Diskri­minie­rung führen

Der Euro­päische Gerichts­hof hat bekräftigt, dass befristete und unbe­fristete Arbeits­verträge gleich­berechtigt behandelt werden müssen.

Stefan Mayer
08.10.2024

Ein befristeter Arbeits­vertrag bringt Unsicher­heiten mit sich. So wurde beispiels­weise in Krakau ein Arbeit­nehmer ohne Begründung von seinem Arbeit­geber gekündigt, da die Angabe von Kündigungs­gründen bei befristeten Arbeits­verhältnissen im polnischen Arbeitsrecht nicht erforderlich ist.

Doch der Arbeit­nehmer klagte gegen diese Regelung und der EuGH gab ihm recht. Die Richter:innen stellten klar, dass befristete und unbefristete Arbeits­verträge laut Nicht­diskriminierungs­grundsatz gleich­berechtigt behandelt werden müssen. Dazu gehört auch die Angabe von Gründen bei einer ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber.  

„Der EuGH befindet in dem vorliegenden Fall, dass das polnische Recht, jemanden mit einem befristeten Arbeits­verhältnis ohne Grund zu kündigen, nicht dem Unions­recht entspricht und somit nicht gerecht­fertigt ist“, erklärt Arbeits­rechts­experte Wolfgang Kozak von der AK Wien

Auch das österreichische Kündigungs­recht räumt den Arbeitnehmer:innen im europäischen Vergleich sehr wenig Rechte ein. „Es gibt bei uns keine Begründungs­pflicht und es gibt ein sehr lasches Bekämpfungs­recht, bei dem das Prozessrisiko auf Arbeit­nehmer:innen­seite liegt“, so Kozak.

Wolgang Kozak, AK Wien © Lisa Lux
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Wolfgang Kozak, AK Wien

Unions­recht hat Vorrang

Der Artikel 47 der Grund­rechte­charta regelt das Recht auf einen wirk­samen Rechts­behelf und ein un­parteiisches Gericht. Alle Personen in der EU können daher bei einer möglichen Verletzung der garantierten Rechte oder Freiheiten bei einem Gericht einen wirksamen Rechts­behelf einlegen.

„Das Interessante für Österreich ist, dass der Artikel 47 in Zukunft dafür sorgen kann, dass Ansprüche der Arbeit­nehmer:innen, die nur auf EU-Recht beruhen, leichter durchgesetzt werden können“, erklärt Kozak.

Sollte eine nationale Bestimmung im Arbeits­recht also Unionsrecht entgegen­stehen, wie im polnischen Fall, dann darf sie unter Berufung auf Artikel 47 nicht ange­wendet werden. „Das wird zukünftig eine große Aus­wirkung darauf haben, Unions­recht national durchzusetzen. Das wird weit über die Grenzen des Arbeits­rechts hinausreichen“, sagt Kozak.


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