Wenn Arbeitnehmer:innen nicht ihren vollen Lohn bekommen oder nicht richtig angemeldet werden, prellen dubiose Arbeitgeber auch den Sozialstaat. Mit zweifelhaften Auftragsketten werden Sub- und Sub-Subunternehmen einbezogen, die dann häufig insolvent werden. Dann kriegen die betroffenen Arbeitnehmer:innen zwar ihr Geld – aber nicht von Arbeitgeber:innen oder Auftraggeber:innen, sondern vom Insolvenzentgeltsicherungs-Fonds. Damit werden Lohnkosten auf die Allgemeinheit abgeschoben. Das schädigt auch all jene Unternehmen, die sich an die Spielregeln halten, preislich aber nicht mehr mithalten können. Das kann ganze Branchen unter Druck bringen.
Es gäbe zwei einfache, aber sehr wirkungsvolle Maßnahmen: Mit einer echten Erstauftraggeberhaftung würde das Unternehmen an der Spitze der Auftragskette für offene Löhne und Sozialversicherungsbeiträge haften. Wer Arbeitsleistung und Profit erhält, müsste im Ernstfall auch den Lohn zahlen. Das würde den Anreiz massiv erhöhen, auf dubiose Auftragsketten zu verzichten bzw. nur mit seriösen Unternehmen zu kooperieren. Und wir benötigen wieder mehr Kontrollen und höhere Strafen bei Verstößen.
In erster Linie ist der Gesetzgeber gefordert. Gewerkschaften und Arbeiterkammern werden weiter von jeder künftigen Regierung verlangen, endlich zu handeln, um die erwähnte Erstauftraggeberhaftung und härtere Strafen umzusetzen. Einen gewissen betrieblichen Gestaltungsspielraum gibt es im Bereich der Arbeitskräfteüberlassung. Gerade hier erleben wir immer wieder auch Unternehmen, die Lohndumping auf Kosten der Beschäftigten betreiben. Das Arbeitsverfassungsgesetz lässt Betriebsvereinbarungen über Grundsätze der betrieblichen Beschäftigung von Leiharbeiter:innen zu. Damit können betriebliche Mindeststandards gesetzt werden. Da müssen aber natürlich auch die Arbeitgeber mitspielen und Verantwortung dafür übernehmen, dass in ihren Betrieben beschäftigte Leiharbeiter:innen fair behandelt werden.
Ludwig Dvořák ist Jurist und seit 2011 in der Arbeitsrechtsberatung der Arbeiterkammer Wien tätig. Von 2017 bis 2020 war er Rechtsanwaltsanwärter und absolvierte anschließend die Rechtsanwaltsprüfung. Seit Juli 2022 leitet er den Bereich Arbeitsrechtliche Beratung und Rechtsschutz in der AK Wien. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.