Sommerzeit ist Praktikumszeit. Immer mehr Schüler:innen und Studierende sammeln bereits während ihrer Ausbildung wertvolle Praktikumserfahrungen. Tatsächlich hat etwa die Hälfte aller Studierenden im Laufe ihres Studiums zumindest ein Praktikum absolviert. Diese Erfahrungen sollen den Einstieg in den Wunschberuf erleichtern. Doch für viele junge Menschen beginnen die Ungerechtigkeiten des Arbeitslebens schon hier.
Praktikant:innen sind jung, haben wenige Vergleichswerte und wenig Wissen zum Thema Arbeitsrecht. Sie kennen ihre Rechte und Pflichten noch nicht, stehen zum ersten Mal in einem Betrieb und sind oft sogar froh, überhaupt einen Lohn zu bekommen. Viele rechnen damit, dass alles korrekt abläuft, aber das ist leider nicht immer der Fall. Trotzdem werden selten rechtliche Schritte eingeleitet. Denn es fehlt der Vergleich – und auch Durchsetzungsfähigkeit muss erst gelernt werden.
„Auch ein Sommerjob muss klar geregelt sein – junge Menschen verdienen Respekt und faire Bedingungen.“
Boris Ginner, Referent in der Abteilung Lehrausbildung und Bildungspolitik, AK Wien
Dazu kommt: Praktika sind in Österreich arbeitsrechtlich nicht klar definiert. Bestimmungen zu ihrer Bezahlung finden sich zwar in einigen Kollektivverträgen, doch viele Unternehmen nutzen die rechtliche Unklarheit aus und beschäftigen Praktikant:innen in unsicheren und schlecht (oder gar nicht) bezahlten Arbeitsverhältnissen.
„Ein Praktikum muss man sich leisten können. Ein unbezahltes Praktikum bedeutet für viele Studierende, dass sie zusätzlich Nebenjobs machen müssen. Die Teuerung trifft Studierende hart – und wenn gratis gearbeitet wird, wird die Praktikumszeit rasch zu einer großen Herausforderung“, sagt Boris Ginner, Referent in der Abteilung Lehrausbildung und Bildungspolitik der Arbeiterkammer Wien.
Frauen absolvieren öfter unbezahlte Praktika, weil sie überproportional oft Studienrichtungen wählen, in denen Pflichtpraktika vorgesehen sind – und zwei von drei Pflichtpraktika werden nicht bezahlt. Hinzu kommt, dass sie vermehrt in Branchen tätig sind, in denen generell schlechter entlohnt wird. Besonders häufig entscheiden sich Frauen für Berufe im Sozial- und Gesundheitsbereich oder in der Elementarpädagogik, wo auch im späteren Berufsverlauf die Wertschätzung und die Arbeitsbedingungen schlechter sind. Männer hingegen wählen eher technisch orientierte Studienfelder und erhalten dafür höhere Löhne.
Die schlechtere Bezahlung in Berufen, in denen überwiegend Frauen arbeiten, hängt nicht mit der Qualifikation oder dem Wert der Arbeit zusammen. Zwei Drittel der Differenz im Stundenlohn zwischen Männern und Frauen lassen sich schlicht durch Lohndiskriminierung erklären. „Die strukturelle Benachteiligung von Frauen beginnt bereits im Praktikum und zieht sich durch ihre gesamte berufliche Laufbahn. Frauen absolvieren häufiger unbezahlte Pflichtpraktika und arbeiten in weniger wertgeschätzten Branchen, was letztlich zu einer signifikanten Einkommenslücke führt“, erklärt Boris Ginner.
Für Betriebsräte ist es wichtig, die Praktikant:innen im Blick zu behalten. Es liegt im Interesse des Betriebsrats, dass Praktikant:innen rechtmäßig bezahlt werden, da dies den Druck auf die Löhne in der Belegschaft verringert. Wie erwähnt, gibt es zwar in manchen Branchen Regelungen für Praktika in Kollektivverträgen, aber nicht überall. Wo solche Regelungen fehlen, entsteht Unsicherheit. Was in den Kollektivverträgen nicht festgelegt ist, muss auf Betriebsebene geklärt werden.
Prinzipiell gilt: Praktikant:innen, die an Arbeitszeiten gebunden sind und selbstständig Aufgaben abarbeiten, befinden sich in einem Arbeitsverhältnis, das jedenfalls zu bezahlen ist. Ein Vergleich mit den Tätigkeiten der Lehrlinge im Betrieb kann bei der Bewertung der angemessenen Entlohnung helfen. „Es kann keine Lösung sein, dass gesellschaftliche Probleme auf dem Rücken von Berufseinsteiger:innen verhandelt werden. Wenn der Gesundheits- und Sozialbereich Fachkräfte braucht, müssen wir für ordentliche Arbeitsbedingungen und entsprechende Finanzierung sorgen“, so Ginner.