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Recht klar

Pflichtpraktikum: (K-)Ein Geschäft mit der Ausbildung

Bei vielen Aus­bil­dun­gen ist ein Pflicht­prak­tikum zwingend vor­gesehen. Doch was, wenn der Arbeit­geber gar nicht aus­bildet, sondern sich nur der Arbeits­kraft bedient? Der Oberste Gerichts­hof (OGH) setzt hier klare Schranken. 

Martina Fassler
15.06.2023

AK Jurist Wolfgang Kozak dazu im Interview mit AKtuell


Worum geht es bei dem Fall, der vor dem OGH landete?

Wolfgang Kozak: Ein Mann hat mit einem Arbeitgeber einen Ausbildungs­vertrag abgeschlossen. Seine Absicht war, im Ausbildungs­zentrum des Arbeit­gebers die Ausbildung zum medizinischen Masseur zu absolvieren. Dafür ist gesetzlich ein theoretischer und praktischer Unterricht im Ausmaß von 815 Unterrichts­einheiten vorgesehen sowie ein Berufs­praktikum von 875 Unterrichts­einheiten. Im schriftlichen Ausbildungs­vertrag wurde festgehalten, dass das Ausbildungs­verhältnis unentgeltlich ist. 


Wolfgang Kozak, AK Wien © Lisa Lux
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Wolfgang Kozak, AK Wien
"Es ist gut zu wis­sen, dass die Ju­di­ka­tur den Schutz der Aus­zu­bil­den­den im Fo­kus hat."

Wolfgang Kozak, Jurist im Bereich Arbeits­recht­liche Be­ra­tung und Rechts­schutz der AK Wien

Wie lief die Ausbildung ab?

Wolfgang Kozak: Bereits nach einer Probemassage, die ganze 20 Minuten in Anspruch nahm, musste der Mann am ersten Tag acht Massagen eigen­ständig durch­führen. Danach erfolgte gar keine Überprüfung seiner Tätigkeit mehr, sondern er arbeitete von da an allein ohne Aufsicht. Er bekam einen Zettel mit seinen Arbeits­zeiten und erhielt jeden Tag in der Früh einen Plan mit den zu massierenden Patient:innen. Der vermeint­liche Praktikant zog vor Gericht und klagte den Lohn für die erbrachte Arbeits­leistung ein. Das Arbeits- und Sozialgericht gab ihm Recht und sprach ihm knapp 7.000 Euro brutto als „angemessene Bezahlung“ zu. Doch der Arbeit­geber ließ das nicht auf sich beruhen, er zog vor das Oberlandes­gericht und dann sogar vor den OGH.

Weshalb sah sich der Arbeitgeber im Recht?

Wolfgang Kozak: Sein Anwalt argumentierte, es sei letztlich egal, ob es sich um ein Arbeits­verhältnis gehandelt hätte oder ein Praktikum, denn im unter­zeich­neten Vertrag sei sowieso die Unent­geltlich­keit festgehalten gewesen. Damit kam er aber nicht durch. Denn der OGH entgegnete: Stimmt, ihr habt Un­entgelt­lich­keit in einem Aus­bildungs­vertrag vereinbart, tatsächlich gelebt wurde aber ein klassisches Arbeitsv­erhältnis und deshalb besteht eine Entgeltpflicht.

Zur Frage der Abgrenzung von unbezahltem Praktikum und bezahltem Job: Welche Kriterien gibt es dafür?

Wolfgang Kozak: Im vorliegenden Fall war es ganz offensichtlich, dass es dem Arbeit­geber nur um das Ausnützen der Arbeits­leistung ging. Er informierte die Patient:innen nicht einmal darüber, dass sie von einem Prakti­kanten massiert wurden. Sie mussten vielmehr genauso viel bezahlen, wie sie für die Behandlung durch eine aus­ge­bildete Fachkraft bezahlen hätten müssen.

Als generelle Richt­schnur gilt: Wenn ich an fixe Arbeits­zeiten gebunden bin, voll in den Arbeits­prozess eingegliedert bin, möglicherweise sogar einen urlau­benden Arbeit­nehmer ersetze und meine Arbeits­leistung im Vorder­grund steht, dann ist es ein normales Arbeitsverhältnis und auch so zu entlohnen. Ein echtes Praktikum dagegen dient in erster Linie den Interessen der Person, die ausgebildet wird. Sie soll sich praktische Kennt­nisse aneignen können, die der Ausbildung entsprechen; Arbeiten, die nicht dem Ausbildungs­zweck dienen, dürfen nur in „einem zeitlich zu vernach­lässigenden Ausmaß“ verrichtet werden, sagt der OGH. Es ist also immer der Einzelfall zu beurteilen, um zu entscheiden, ob es sich um ein Arbeits­verhältnis handelt oder nicht.


Wie kann man beweisen, dass das Praktikum eigentlich ein vollwertiger Job war?

Wolfgang Kozak: Es ist gut zu wissen, dass die Judikatur hier den umgekehrten Weg geht und den Schutz der Auszubildenden im Fokus hat. Der Arbeitgeber ist beweis­lastpflichtig, er muss beweisen, dass der Ausbildungszweck überwiegt. Die Tätigkeit im Praktikum muss sich von den Arbeiten der anderen bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer:innen entsprechend unterscheiden, die Bindung an den Betrieb ist lockerer. Daher: Egal, ob im Vertrag „Praktikum“, „Volontariat“ oder Sonstiges steht – wenn in der gelebten Praxis nur die Arbeits­leistung gefragt ist, dann sollte man nicht zögern, die Ent­lohnung einzufordern. Im Zweifel am besten an die zuständige Gewerkschaft oder die AK wenden.

Im Sommer nehmen viele Studierende einen Ferialjob an. Was gilt für sie?

Wolfgang Kozak: Für Ferialjobs gelten dieselben arbeits­rechtlichen Be­stimmun­gen wie für alle Arbeit­nehmer:innen. Wer die ganze Arbeits­leistung erbringt, sollte sich nicht mit dem halben Lohn oder einem besseren Taschen­geld abspeisen lassen. Es muss also zu­mindest das laut Kollektiv­vertrag Ent­gelt bezahlt werden oder dort, wo es keinen Kollektiv­vertrag gibt, eine angemessene Entlohnung.

Dein Tipp an Betriebsräte?

Wolfgang Kozak: Ein Praktikum ist da, um etwas zu lernen, nicht um über das Ohr gehaut zu werden. Zu viele junge Menschen machen beim ersten Kontakt mit der Arbeitswelt schlechte Erfahrungen. Da ist es gut, wenn auch der Betriebsrat sensibilisiert ist und darauf schaut, dass der Betrieb mit Praktikant:innen und mit Ferialarbeitenden fair umgeht.


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Praktikum

AK Young Ratgeber:
Was dir dein Pflichtpraktikum bringt und wie es abläuft

Hier kannst du den Beschluss des OGH nachlesen.

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