Wie lief die Ausbildung ab?
Wolfgang Kozak: Bereits nach einer Probemassage, die ganze 20 Minuten in Anspruch nahm, musste der Mann am ersten Tag acht Massagen eigenständig durchführen. Danach erfolgte gar keine Überprüfung seiner Tätigkeit mehr, sondern er arbeitete von da an allein ohne Aufsicht. Er bekam einen Zettel mit seinen Arbeitszeiten und erhielt jeden Tag in der Früh einen Plan mit den zu massierenden Patient:innen. Der vermeintliche Praktikant zog vor Gericht und klagte den Lohn für die erbrachte Arbeitsleistung ein. Das Arbeits- und Sozialgericht gab ihm Recht und sprach ihm knapp 7.000 Euro brutto als „angemessene Bezahlung“ zu. Doch der Arbeitgeber ließ das nicht auf sich beruhen, er zog vor das Oberlandesgericht und dann sogar vor den OGH.
Weshalb sah sich der Arbeitgeber im Recht?
Wolfgang Kozak: Sein Anwalt argumentierte, es sei letztlich egal, ob es sich um ein Arbeitsverhältnis gehandelt hätte oder ein Praktikum, denn im unterzeichneten Vertrag sei sowieso die Unentgeltlichkeit festgehalten gewesen. Damit kam er aber nicht durch. Denn der OGH entgegnete: Stimmt, ihr habt Unentgeltlichkeit in einem Ausbildungsvertrag vereinbart, tatsächlich gelebt wurde aber ein klassisches Arbeitsverhältnis und deshalb besteht eine Entgeltpflicht.
Zur Frage der Abgrenzung von unbezahltem Praktikum und bezahltem Job: Welche Kriterien gibt es dafür?
Wolfgang Kozak: Im vorliegenden Fall war es ganz offensichtlich, dass es dem Arbeitgeber nur um das Ausnützen der Arbeitsleistung ging. Er informierte die Patient:innen nicht einmal darüber, dass sie von einem Praktikanten massiert wurden. Sie mussten vielmehr genauso viel bezahlen, wie sie für die Behandlung durch eine ausgebildete Fachkraft bezahlen hätten müssen.
Als generelle Richtschnur gilt: Wenn ich an fixe Arbeitszeiten gebunden bin, voll in den Arbeitsprozess eingegliedert bin, möglicherweise sogar einen urlaubenden Arbeitnehmer ersetze und meine Arbeitsleistung im Vordergrund steht, dann ist es ein normales Arbeitsverhältnis und auch so zu entlohnen. Ein echtes Praktikum dagegen dient in erster Linie den Interessen der Person, die ausgebildet wird. Sie soll sich praktische Kenntnisse aneignen können, die der Ausbildung entsprechen; Arbeiten, die nicht dem Ausbildungszweck dienen, dürfen nur in „einem zeitlich zu vernachlässigenden Ausmaß“ verrichtet werden, sagt der OGH. Es ist also immer der Einzelfall zu beurteilen, um zu entscheiden, ob es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt oder nicht.
Wie kann man beweisen, dass das Praktikum eigentlich ein vollwertiger Job war?
Wolfgang Kozak: Es ist gut zu wissen, dass die Judikatur hier den umgekehrten Weg geht und den Schutz der Auszubildenden im Fokus hat. Der Arbeitgeber ist beweislastpflichtig, er muss beweisen, dass der Ausbildungszweck überwiegt. Die Tätigkeit im Praktikum muss sich von den Arbeiten der anderen bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer:innen entsprechend unterscheiden, die Bindung an den Betrieb ist lockerer. Daher: Egal, ob im Vertrag „Praktikum“, „Volontariat“ oder Sonstiges steht – wenn in der gelebten Praxis nur die Arbeitsleistung gefragt ist, dann sollte man nicht zögern, die Entlohnung einzufordern. Im Zweifel am besten an die zuständige Gewerkschaft oder die AK wenden.
Im Sommer nehmen viele Studierende einen Ferialjob an. Was gilt für sie?
Wolfgang Kozak: Für Ferialjobs gelten dieselben arbeitsrechtlichen Bestimmungen wie für alle Arbeitnehmer:innen. Wer die ganze Arbeitsleistung erbringt, sollte sich nicht mit dem halben Lohn oder einem besseren Taschengeld abspeisen lassen. Es muss also zumindest das laut Kollektivvertrag Entgelt bezahlt werden oder dort, wo es keinen Kollektivvertrag gibt, eine angemessene Entlohnung.
Dein Tipp an Betriebsräte?
Wolfgang Kozak: Ein Praktikum ist da, um etwas zu lernen, nicht um über das Ohr gehaut zu werden. Zu viele junge Menschen machen beim ersten Kontakt mit der Arbeitswelt schlechte Erfahrungen. Da ist es gut, wenn auch der Betriebsrat sensibilisiert ist und darauf schaut, dass der Betrieb mit Praktikant:innen und mit Ferialarbeitenden fair umgeht.