Walter Gagawczuk, AK Wien
Walter Gagawczuk: Es räumt die Möglichkeit ein, dass Schwachstellen intern aufgedeckt werden. Das ist also auch im Interesse der Unternehmen, damit nicht gleich extern an die Behörden oder die Medien berichtet wird. Wirtschaftskriminalität kann ja in jedem Unternehmen vorkommen. Die Gefahr, dass es durch das neue Gesetz zu Denunzierungen kommt, ist gering – das zeigen die Erfahrungen in den USA und im österreichischen Bankenwesen, wo bereits Schutz-Bestimmungen für Personen existieren, die rechtliche Verstöße melden.
Walter Gagawczuk: Dass es so spät kommt, dass es unzureichend und europarechts- und verfassungswidrig ist. Nur bestimmte Sachbereiche wie das öffentliche Auftragswesen, Finanzdienstleistungen, Umweltschutz, Lebensmittelsicherheit, die öffentliche Gesundheit, Datenschutz, Korruption oder der Missbrauch von EU-Fördermitteln fallen in den Geltungsbereich. Wer Lohndumping, Untreue, Urkundenfälschung, Betrug oder Steuerhinterziehung meldet, ist nicht durch das neue Gesetz geschützt. Zudem gilt das Gesetz für Unternehmen ab 50 Arbeitnehmer:innen oder mehr. Da es in Österreich viele Kleinunternehmen gibt, sind etwa 46 Prozent der Beschäftigten durch das Gesetz gar nicht geschützt.
Walter Gagawczuk: Sie sind nicht völlig schutzlos. Vor dem Hintergrund des Grundrechts auf Meinungsfreiheit gab es schon bisher Entscheidungen, die einen gewissen Schutz bei Vergeltungsmaßnahmen (Kündigung, Entlassung) als Folge einer Meldung vorsehen. Für Hinweise, die nicht unter das neue Gesetz fallen, ist diese Rechtsprechung weiter von Bedeutung. Die Voraussetzungen für diesen Schutz sind teilweise strenger als nach dem neuen Gesetz. Insbesondere fordert die (bisherige) Rechtsprechung grundsätzlich eine vorhergehende interne Meldung bzw. eine „möglichst schonende Vorgehensweise“. Ausnahmsweise wird keine vorhergehende interne Meldung verlangt, wenn der oder die Arbeitnehmer:in objektiv gesehen vom Arbeitgeber bzw. der Arbeitgeberin nicht erwarten kann, dass das Verhalten abgestellt wird. Wann dies konkret ist, lässt sich auf Grund der bisherigen Judikatur oftmals nur erahnen. Das Risiko für Whistleblower:innen bei einer Meldung ist daher außerhalb des Anwendungsbereiches des Hinweisgeberschutzgesetzes (HSchG) wesentlich höher.
Interne Meldestellen (Telefon-Hotline, Online-Plattform, Briefkasten etc.) sind verpflichtend für Unternehmen ab 250 Arbeitnehmer:innen und ab 17. Dezember 2023 ab einer Größe von 50 Arbeitnehmer:innen. Zusätzlich gibt es eine externe Meldestelle: das Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung im Innenministerium. Für die Meldekanäle gibt es hohe Anforderungen hinsichtlich Sicherheit, Vertraulichkeit und Unparteilichkeit.
Die Identität der Hinweisgeber:innen soll streng gewahrt werden. Sie sollen vor Repressalien durch den Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin geschützt sein und können nicht wegen Verleumdung, Verletzung des Urheberrechts, Verletzung von Geheimhaltungspflichten und Ähnlichem haftbar gemacht werden. Wer Whistleblower:innen behindert, muss mit einer Verwaltungsstrafe rechnen. Diese kritisiert die Arbeiterkammer als zu gering und daher nicht abschreckend genug.
Da die wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer:innen des Betriebes berührt werden, hat der Betriebsrat das Recht, über die Einrichtung und deren genaue Ausgestaltung informiert zu werden. Ob eine Betriebsvereinbarung über die Meldestelle abzuschließen ist, ist rechtlich umstritten und komplex. Sowohl Betriebsrät:innen als auch potenzielle Whistleblower:innen sollten sich im Bedarfsfall durch AK Expert:innen oder Vertreter:innen der zuständigen Gewerkschaft beraten lassen.