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Interview

Whistleblower:innen: Üble Taten geschützt melden

End­lich re­gelt auch Öster­reich den Schutz von Be­schäf­tig­ten, die Hin­wei­se auf Ge­setzes­ver­stö­ße ge­ben. 
Heike Hausensteiner
17.04.2023
Walter Gagawczuk, Jurist in der Abteilung Sozialpolitik  der AK Wien © Markus Zahradnik
© Markus Zahradnik
Walter Gagawczuk, Jurist in der Abteilung Sozialpolitik der AK Wien
„Das Ge­setz ist un­zu­rei­chend sowie eu­ro­pa­rechts und ver­fas­sungs­wi­drig.“

Walter Gagawczuk, AK Wien

Was das neue Gesetz zum Schutz von Whistle­blower:innen kon­kret be­deu­tet, er­klärt uns AK Ex­perte Walter Gagawczuk.

AKtuell: Fast die Hälfte der Betrugs­fälle decken Mit­ar­beitende des eige­nen Unter­nehmens auf. Warum ist ein Gesetz zum Schutz von Whistle­blower:innen not­wen­dig? 

Walter Gagawczuk: Es räumt die Möglichkeit ein, dass Schwach­stellen intern auf­ge­deckt werden. Das ist also auch im Inter­esse der Unter­nehmen, damit nicht gleich extern an die Behörden oder die Medien berichtet wird. Wirt­schafts­krimi­nali­tät kann ja in jedem Unter­nehmen vorkommen. Die Ge­fahr, dass es durch das neue Gesetz zu Denun­zie­rungen kommt, ist gering – das zeigen die Erfah­rungen in den USA und im österreichi­schen Banken­wesen, wo bereits Schutz­-Bestim­mungen für Per­­sonen exis­tieren, die recht­liche Ver­stöße melden. 

AKtuell: Was stört Kritiker wie die Arbeiterkammer am österreichischen HinweisgeberInnenschutzgesetz? ­ 

Walter Gagawczuk: Dass es so spät kommt, dass es unzureichend und euro­pa­rechts- und ver­fassungs­wi­drig ist. Nur bestim­mte Sach­berei­che wie das öffentliche Auf­trags­we­sen, Finanz­dienst­leistun­gen, Umwelt­schutz, Lebens­mittel­sicher­heit, die öffent­liche Gesund­heit, Daten­schutz, Korrup­tion oder der Miss­brauch von EU-Förder­mitteln fallen in den Gel­tungs­bereich. Wer Lohn­dumping, Un­treue, Ur­kun­den­fäl­schung, Be­trug oder Steuer­hinter­ziehung meldet, ist nicht durch das neue Gesetz geschützt. Zudem gilt das Gesetz für Unternehmen ab 50 Arbeit­neh­mer:innen oder mehr. Da es in Österreich viele Klein­unter­nehmen gibt, sind etwa 46 Prozent der Beschäf­tigten durch das Gesetz gar nicht geschützt. 


AKtuell: Bedeu­tet dies, dass Arbeit­neh­mer:innen, die Vor­fälle mel­den, die nicht unter das neue Ge­setz fallen, gar nicht ge­schützt sind?

Walter GagawczukSie sind nicht völlig schutz­los. Vor dem Hin­ter­grund des Grund­rechts auf Meinungs­frei­heit gab es schon bisher Ent­schei­dun­gen, die einen ge­wissen Schutz bei Vergel­tungs­maß­nah­men (Kün­di­gung, Ent­lassung) als Folge einer Mel­dung vorsehen. Für Hinweise, die nicht unter das neue Gesetz fallen, ist diese Recht­sprechung weiter von Bedeu­tung. Die Voraus­setzun­gen für diesen Schutz sind teil­weise stren­ger als nach dem neuen Gesetz. Ins­beson­dere for­dert die (bisherige) Recht­sprechung grund­sätzlich eine vorher­gehende inter­ne Mel­dung bzw. eine „möglichst scho­nende Vorgehens­weise“. Ausnahms­weise wird keine vorher­gehende inter­ne Mel­dung verlangt, wenn der oder die Arbeit­nehmer:in objektiv gesehen vom Arbeit­geber bzw. der Arbeit­geberin nicht erwar­ten kann, dass das Ver­halten abge­stellt wird. Wann dies kon­kret ist, lässt sich auf Grund der bis­herigen Judi­katur oft­mals nur erah­nen. Das Risiko für Whistle­blower:innen bei einer Mel­dung ist daher außer­halb des Anwen­dungs­bereiches des Hinweisgeberschutzgesetzes (HSchG) we­sent­lich höher.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        
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FACTBOX


Das regelt das neue Gesetz genau


Meldekanäle

Interne Meldestellen (Telefon-Hotline, Online-Plattform, Briefkasten etc.) sind verpflichtend für Unternehmen ab 250 Arbeitnehmer:innen und ab 17. Dezember 2023 ab einer Größe von 50 Arbeitnehmer:innen. Zusätzlich gibt es eine externe Meldestelle: das Bundesamt für Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung im Innenministerium. Für die Meldekanäle gibt es hohe Anforderungen hinsichtlich Sicherheit, Vertraulichkeit und Unparteilichkeit.


Schutzbestimmungen

Die Identität der Hinweisgeber:innen soll streng gewahrt werden. Sie sollen vor Repressalien durch den Arbeitgeber bzw. die Arbeitgeberin geschützt sein und können nicht wegen Verleumdung, Verletzung des Urheberrechts, Verletzung von Geheimhaltungspflichten und Ähnlichem haftbar gemacht werden. Wer Whistleblower:innen behindert, muss mit einer Verwaltungsstrafe rechnen. Diese kritisiert die Arbeiterkammer als zu gering und daher nicht abschreckend genug.


Betriebsvereinbarung

Da die wirtschaftlichen Interessen der Arbeitnehmer:innen des Betriebes berührt werden, hat der Betriebsrat das Recht, über die Einrichtung und deren genaue Ausgestaltung informiert zu werden. Ob eine Betriebsvereinbarung über die Meldestelle abzuschließen ist, ist rechtlich umstritten und komplex. Sowohl Betriebsrät:innen als auch potenzielle Whistleblower:innen sollten sich im Bedarfsfall durch AK Expert:innen oder Vertreter:innen der zuständigen Gewerkschaft beraten lassen.

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