Eva Angerler: Agiles Arbeiten kommt aus dem IT-Bereich und ist eine selbst organisierte Teamarbeitsform, die als Reaktion auf die klassische Projektarbeit entstanden ist. Im „Agilen Manifest“ aus 2001 sind die Prinzipien zusammengefasst. Es geht um Entbürokratisierung, flachere Hierarchien. Die Teams entscheiden selbst, ohne einen hierarchisch Vorgesetzten, wann und wie sie die einzelnen Schritte zur Entwicklung einer Software erledigen. Flexibilität ist ein wichtiges Prinzip.
Simone Hudelist: Es ist stark auf dem Vormarsch. Drei Viertel der Befragten sagen, agiles Arbeiten gibt es im Betrieb. In dem Sinne, dass sie entweder selbst agil arbeiten oder andere Teile des Unternehmens diese Arbeitsweise bereits anwenden. Eingeführt wird die Arbeitsweise meist, weil es dem Unternehmen Nutzen bringt, man schneller reagieren kann. Es geht in erster Linie darum, Kosten und Prozesse zu optimieren und die Zufriedenheit der Kund:innen zu erhöhen, indem diese laufend in den Entwicklungsprozess eingebunden sind.
Eva Angerler: Agiles Arbeiten ist kein Humanisierungsprogramm, das wissen die Beschäftigten. Zugleich steigert das selbstbestimmtere Arbeiten bei vielen die Motivation. Die Beschäftigten wollen, dass das Team tatsächlich die Entscheidungen trifft und nicht plötzlich wieder aus der Hierarchie Weisungen reinschneien. Die Teams tragen eine hohe Verantwortung, die sich nicht immer in der Bezahlung niederschlägt. Kritisch wird es, wenn es zu wenig Personal gibt, die Arbeitszeiten ausufern oder auch die Daten nicht im Team bleiben, sondern damit eine beinharte Überwachung und Leistungskontrolle erfolgt.
Eva Angerler: Rund 20 Prozent sagen, sie haben sich noch gar keine Meinung gebildet. Mehr als die Hälfte sagt, bei der Umsetzung von agilem Arbeiten nicht eingebunden zu sein. Manche Betriebsräte unterschätzen diese Arbeitsform, sie denken, das sei eine Management-Methode, die vorbeigehen wird. Doch agiles Arbeiten verändert die Arbeitsorganisation und den Arbeitsalltag der Beschäftigten. Es wird bleiben und ist bei jungen Beschäftigten beliebt. Wegschauen ist der falsche Weg.
Simone Hudelist: Agiles Arbeiten heißt Teamarbeit, es führt weg vom Einzelkämpfer, der allein zuhause etwas austüftelt. Das ist für uns Arbeitnehmer:innen-Vertretungen eine Chance, gerade in dieser Branche eine Solidarisierung und einen Zusammenhalt zu erzielen. Denn wie vorteilhaft sich agiles Arbeiten für die Beschäftigten am Ende gestaltet, bleibt eine Machtfrage.
Eva Angerler: Er sollte als Moderator wirken, mit den Beschäftigten reden, ihnen zuhören. Was läuft gut, was weniger? So kann man gemeinsam Kriterien für ein gutes agiles Arbeiten festlegen, um dann mit dem Arbeitgeber passende Grundsatzvereinbarungen zu treffen. Etwa zu den Leistungsdaten, zur Arbeitszeit und zum Datenschutz.
Simone Hudelist: Agiles Arbeiten berührt je nachdem, wie umfassend es eingesetzt wird, viele Mitbestimmungsrechte. Dafür gibt es nicht die eine Musterbetriebsvereinbarung, aber die Beratung durch die Gewerkschaft und die AK.
Eva Angerler: Ansätze agilen Arbeitens gibt es mittlerweile auch in anderen Branchen. Im Bereich der Finanzdienstleistungen, in einzelnen Produktionsbetrieben und auch im Sozialbereich. Selbstorganisiertes Arbeiten unter den Beschäftigten nimmt zu. Schutzmechanismen vor Stress, Selbstausbeutung und Kontrolle zu verankern ist hier eine wichtige Aufgabe für den Betriebsrat.
Mobil? Agil? Flexibel? Neue Arbeitsformen zwischen Anspruch und Wirklichkeit:
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