Freitagnachmittag, kurz vor Feierabend, klopft der Chef an die Tür und übergibt einen Arbeitsauftrag, der bis Montagfrüh erledigt sein muss.
„Herr Kollege, wo andere aufgeben, hängen wir uns rein. Wir im Unternehmen gehen die Extra-Meile.“
Spätestens jetzt wünscht man sich, diese Extra-Meile beim Bewerbungsgespräch hinterfragt zu haben.
Die Extra-Meile stellt eine Mehrleistung dar, die über den durchschnittlichen Aufwand an Zeit und Energie zum Herstellen einer Ware oder Dienstleistung hinausgeht. Doch das ist nicht alles.
Wir sollen nicht nur schlicht länger und intensiver arbeiten, sondern das auch noch voller Freude und Motivation.
Hier liegt der feine Unterschied zu einfach von oben angeordneter Mehrarbeit.
Die Extra-Meile hat den Anspruch auf die innere Motivation, mehr als nur die Pflicht zu leisten. Sie soll den Wettkampfgeist wecken, der bei Absolvierung des längeren Weges die Belohnung eines guten Gefühls verspricht. Ähnlich wie beim Lauftraining, wenn wir uns dazu durchringen, noch eine zusätzliche Runde zu laufen.
Die Mehrleistung an Arbeit verwandelt sich in etwas, das über die mögliche Sinnstiftung von Lohnarbeit hinaus Freude und Erfüllung bringen soll.
Im Umkehrschluss bedeutet es aber auch, dass uns für andere Lebensbereiche die Zeit und Energie fehlen. So können die Familie, das Hobby, die Freunde oder das ehrenamtliche Engagement auf der Strecke bleiben.
Wem nutzt unsere marschierte Extra-Meile wirklich?
In letzter Instanz nützt es dem Chef, den Eigentümer:innen, den sogenannten Shareholdern. Der Profit des Unternehmens steigt. Das lässt bei denjenigen die Kasse klingeln.
Wir dagegen haben, außer dem guten Gefühl, 120 Prozent für die Firma gegeben zu haben, recht wenig davon.
Am Ende des Tages können wir die Extra-Meile durchaus hinterfragen.
Zum Beispiel auf diese Art: Beim nächsten Bewerbungsgespräch auf die Frage zur Extra-Meile eine Gegenfrage stellen. Sind die Arbeitsabläufe im Unternehmen etwa derart ineffizient, sodass Extra-Wege zum Erreichen der Ziele notwendig sind?
Damit bleibt man bei dem/der Interviewpartner:in auf jeden Fall im Gedächtnis.