AKtuell: Du hast ab Mitte der 1990er Jahre an der Seite von Irmgard als ÖGB-Bundesfrauensekretärin für die Chancengleichheit der Frauen gekämpft, ihr wart beim ersten Frauenvolksbegehren 1997 aktiv mit dabei. Danach hast du im ÖGB die Beratung für atypisch Beschäftigte, genauer für freie Dienstnehmer:innen und Neue Selbständige aufgebaut. Welche Fortschritte für Frauen gab es seit Anfang der 1990er Jahre? Was fehlt?
Elisabeth Rolzhauser-Kantner: Ein großer Schritt war das Gleichbehandlungspaket, in dem erstmals mittelbare Diskriminierung verankert wurde. So konnten etwa Benachteiligungen von Teilzeitbeschäftigten und geringfügig Beschäftigten bekämpft werden.
Der Arbeitsmarkt – gerade für Frauen – hat aber oft prekäre Ausmaße angenommen. So entstanden auch neue atypische Arbeitsformen, wie freie Dienstverträge, Werkverträge, etc. und die Zahl der atypisch bzw. prekär Beschäftigten nahm ständig zu. Eine gute statistische Aufarbeitung der atypisch Beschäftigten, wozu auch Teilzeitarbeit, Leiharbeit und befristete Dienstverhältnisse zählen, gibt es nicht. Da haben sogar die Sozialversicherungen viele bestehende Statistiken wieder abgeschafft.
Für geringfügig Beschäftigte erfolgte 1997 ein Schritt in die richtige Richtung: Erstmals konnten geringfügig Beschäftigte in die Kranken- und Pensionsversicherung optieren, sie können sich seither also freiwillig für die Einzahlung des Kranken- und Pensionsversicherungsbeitrages entscheiden. Damit mussten auch die Unternehmungen Kranken- und Pensionsversicherungsbeiträge für geringfügig Beschäftigte zahlen. Es fehlt jedoch die generelle Absicherung in allen Bereichen (Kranken-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung) ab dem ersten Euro. Ab 2008 gab es dann Verbesserungen für freie Dienstnehmer:innen und Neue Selbstständige/Werkvertragnehmer:innen. Bei meiner Beratungstätigkeit in der ÖGB-Flexpower-Beratung für atypisch Beschäftigte habe ich gesehen, dass noch viel zu tun ist – insbesondere, was eine eigenständige und ausreichende Absicherung vieler Frauen im Alter betrifft.
AKtuell: Seit 2011 sind Unternehmen ab 150 Mitarbeiter:innen in Österreich verpflichtet, alle zwei Jahre einen Einkommensbericht zu erstellen. Dennoch zählen wir in der EU zu den Ländern mit den größten geschlechtsspezifischen Einkommensunterschieden. Vor wenigen Wochen, Mitte Dezember, haben sich die EU-Kommission, der Rat und das Parlament auf die EU-Lohntransparenz-Richtlinie geeinigt. Von Frauenministerin Raab hörte man dazu nichts, während die ÖGB-Frauen die Einigung in einer Aussendung begrüßten. Welche Verbesserungen bringt die Richtlinie aus deiner Sicht?
Korinna Schumann: Mehr Transparenz bei Löhnen und Gehältern europaweit ist jedenfalls ein wichtiger frauenpolitischer Schritt. Ganz konkret würde die Richtlinie bei uns in Österreich zu einer Senkung der Beschäftigtenzahl für Einkommensberichte auf 100 ArbeitnehmerInnen und eine öffentliche Kontrollinstanz zur Datensammlung führen – das sind wichtige Schritte, um Lohndiskriminierung zu beseitigen und das Recht auf gleichen Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit für Männer und Frauen durchzusetzen. Dass die Frauenministerin dazu schweigt, ist unverständlich, denn Handlungsbedarf hätten wir mehr als genug. Österreich ist auf EU-Ebene traditionell gemeinsam mit Estland und Lettland Schlusslicht beim Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern.
AKtuell: Als Käthe Leichter die Frauenabteilung in der AK Wien aufbaute, stand ihr teilweise nur halbtags ein Sekretariat zur Verfügung. Dennoch kam sie dem Wunsch vieler weiblicher Beschäftigte in der AK nach und kandidierte für den Betriebsrat. Käthe Leichter war die erste weibliche Betriebsrätin in der AK. Auch ihr drei habt euch vor eurer gewerkschaftlichen Laufbahn im Betrieb für die Kolleg:innen eingesetzt. Irmgard als Betriebsrätin in einem Betrieb der Steinindustrie in St. Martin bei Traun, Elisabeth als Jugendvertrauensrätin und Betriebsrätin bei der Österreichischen Brown Boveri-Werke AG in Wien, Korinna als Personalvertreterin im Sozialministerium. Was können Belegschaftsvertreter:innen beitragen, um die Chancengleichheit von Frauen im Betrieb zu fördern?
Irmgard Schmidleithner: Ganz wichtig ist es Frauen zu motivieren und zu unterstützen, als Betriebsrätin zu kandidieren und zu arbeiten. Wichtig ist es aber auch, dass Betriebsrät:innen regelmäßig überprüfen, wie die einzelnen Tätigkeiten bewertet und bezahlt werden und dass sie bei der Regelung der Arbeitszeit Bedacht nehmen, dass Familie und Beruf sowie eine Betriebsrät:innenfunktion vereint werden können. Es gilt noch immer 50 Prozent der bezahlten Arbeit und der Funktionen für die Frauen, dafür bekommen die Männer 50 Prozent des Glücks der Haus- und Kinderarbeit!
Elisabeth Rolzhauser-Kantner: Ich wurde 1974 Jugendvertrauensrätin und 1979 Betriebsrätin. Der damalige Leiter der Sektion Industrie in der GPA, Walter Laichmann, hat mich als erste Jugendvertrauensrätin in die Erwachsenenorganisation kooptiert. So konnte ich bereits in jungen Jahren vieles in die diversen Gremien einbringen und habe auch viel Erfahrung gesammelt. So haben wir damals als Betriebsrat eine Gleitzeitvereinbarung, zuerst auf ein Jahr befristet, abgeschlossen. Vor Ablauf der Befristung fand eine Befragung der Beschäftigten statt, wo es um die Beibehaltung ging. Fast alle Frauen haben für die Beibehaltung der Gleitzeit gestimmt. Ein wesentlicher Punkt der Frauenpolitik auf allen Ebenen ist die Arbeitszeit. Eine flexible Arbeitszeit darf nicht nur zu Gunsten von Betrieben erfolgen, sondern muss auch für die Beschäftigten Vorteile bringen. Daher ist die Ausgestaltung von Betriebsvereinbarungen – zu welchen Themen auch immer – wichtig. Betriebsvereinbarungen müssen die unterschiedliche Wirkung auf die Geschlechter beachten. Frauenförderung ist erlaubt und erwünscht.
Korinna Schumann: Aus meiner Erfahrung in der Personalvertretung sind wir Frauen eine wichtige Anlaufstelle und ein Sprachrohr für die Anliegen der weiblichen Kolleginnen. Ich habe gelernt: Je vielfältiger ein Betriebsratsteam aufgestellt ist, desto besser können sie die Interessen aller vertreten. Man muss aber auch ehrlich sagen: es macht einen Unterschied, wenn Frauen im Betriebsrat die Führungsrolle übernehmen und wesentlich mitgestalten. Mich persönlich hat das auch gut auf meine jetzigen Aufgaben in der Gewerkschaft und Politik vorbereitet. Es war und ist mir immer ein starkes Anliegen, weitere Frauen zu motivieren, sich zu engagieren und für andere einzusetzen. Dabei war mir Käthe Leichter immer als Vorbild präsent.