Imagebild zur fehlenden Frauenpolitik © AdobeStock, luismolinero, aquir
Interview

Aktive Frauenpolitik - Fehlanzeige

Die Abschaffung des Käthe-Leichter-Staatspreises fügt sich wie ein Puzzlestein ins Gesamtbild. Auch Frauenbericht gibt es keinen mehr, ganz zu schweigen von einer offensiven Frauenpolitik. 
Martina Fassler
23.01.2023
Irmgard Schmidleithner, vormalige ÖGB-Frauenvorsitzende  © Barbara Klacz
© Barbara Klacz
Irmgard Schmidleithner, vormalige ÖGB-Frauenvorsitzende
„Es wur­de der Frauen-Staats­preis ganz be­wusst nach KÄTHE LEICHTER be­nannt."

Irmgard Schmidleithner

Das AKtuell-Interview mit drei Gewerkschafterinnen zur aktuellen Situation.


Im Dezember sorgte die Abschaffung des Käthe-Leichter-Staatspreises durch Frauenministerin Susanne Raab für Aufsehen. Im AKtuell-Interview sprechen die vormalige ÖGB-Frauenvorsitzende Irmgard Schmidleithner, ihre Mitstreiterin und vormalige Leiterin der ÖGB-Frauenabteilung Elisabeth Rolzhauser-Kantner sowie die aktuelle ÖGB-Frauenvorsitzende Korinna Schumann über das schmerzhafte Fehlen einer eigenständigen Frauenpolitik.


AKtuell: 1991, damals warst du gerade zur ÖGB-Frauenvorsitzenden gewählt worden, führten das Frauen- und das Sozialministerium je einen Käthe-Leichter-Staatspreis für Frauen- und Geschlechterforschung ein. 2000, unter Schwarz-Blau I, strich das Sozialministerium „seinen“ Preis. Frauenministerin Raab hat nun vergangenen Dezember den verbleibenden Käthe-Leichter-Staatspreis abgeschafft. Sie vergibt nun einen namenslosen Frauen-Staatspreis. Erhalten blieb der Käthe-Leichter-Preis für das Lebenswerk, den du erhalten hast, Irmgard. Dazu herzliche Gratulation – verbunden mit der Frage: Wie ging es dir, als du hörtest, dass der Käthe-Leichter Staatspreis „entsorgt“ wurde?

Irmgard Schmidleithner: Meine Betroffenheit war und ist noch immer sehr groß. Denn es wurde der Frauen-Staatspreis ganz bewusst nach KÄTHE LEICHTER benannt. Sie hat unter schwierigen Bedingungen ihr Studium abgeschlossen, ihr Wissen dazu genutzt das harte Leben der Industriearbeiterinnen aufzuzeichnen und aufzuzeigen. Und sie hat selbst noch im KZ zuallererst an andere gedacht. Rosa Jochmann erzählte mir einige Male, welche hervorragende Hilfe Käthe Leichter für sie war. 

AKtuell: Käthe Leichter war vermutlich die erste Österreicherin, die zum „Doktor“ der Staatswissenschaften promoviert wurde. Sie schloss ihr Studium 1918 in Heidelberg ab, da dies in Wien zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich war. Sie baute ab 1925 die Frauenabteilung in der AK Wien auf, war Wissenschaftlerin und setzte sich vehement für mehr Rechte der Arbeiterinnen ein. „Für die Frauen ist zuhause nur Schichtwechsel“, zitierte sie eine Industriearbeiterin in ihrem Werk „So leben wir. 1.320 Industriearbeiterinnen berichten über ihr Leben“ im Jahr 1932. Unsere aktuelle Frauenministerin thematisiert kaum die Benachteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt. Ist der Kampf um die Chancengleichheit der Frauen in der Arbeitswelt und um „Halbe-Halbe“ bei Haus- und Betreuungsarbeit obsolet?

Korinna Schumann: Ganz klar: nein. Sogenannte Care-Tätigkeiten wie Kinderbetreuung, Hausarbeit und die Pflege von Angehörigen sind gesellschaftlich wichtige Beiträge. Trotzdem sind sie meist unbezahlt und liegen oftmals in der Verantwortung von Frauen. Laut einer aktuellen Studie der Wirtschaftsuniversität Wien leisten Frauen ganze elf Stunden unbezahlte Arbeit pro Woche mehr als Männer. Nimmt man bezahlte und unbezahlte Arbeit zusammen, arbeiten Frauen mehr Stunden als Männer – nur weniger in bezahlter Arbeit. Mehr als 50 Prozent der Frauen arbeiten Teilzeit. Die Folgen: Neben gesundheitlichen Problemen durch die Doppel- und Mehrfachbelastungen sind Frauen durch die hohe Teilzeitquote oftmals finanziell von ihrem Partner abhängig und in der Pension armutsgefährdet. Die ÖGB-Frauen setzen sich darum aktiv für eine bessere Aufteilung der unbezahlten Arbeit zwischen Mann und Frau ein und fordern beispielsweise den Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem ersten Geburtstag des Kindes, um mehr Frauen Vollzeitarbeit zu ermöglichen. 

AKtuell: Käthe Leichter war eine Pionierin der Frauenforschung. Die Daten und Fakten, die sie etwa 1930 im „Handbuch der Frauenarbeit“ in enger Zusammenarbeit mit den Gewerkschafterinnen zusammentrug, dienten dazu, bessere Arbeitsbedingungen für Frauen einzufordern. Wer einen Einblick über die Situation der Frauen in Österreich haben wollte, konnte auch ab Mitte der 1970er Jahre umfassende Forschungsarbeiten nutzen. Alle zehn Jahre erschien der „Bericht über die Situation der Frauen“, der sich auf Basis von Daten mit der Gleichstellung der Frauen befasste. Den letzten Frauenbericht dieser Art gab es 2010 unter Ministerin Heinisch-Hosek. Ministerin Raab hat sich bisher nicht dazu bereit erklärt, einen Frauenbericht erarbeiten zu lassen. Wie bewertest du das? Hat das Auswirkungen auf die Frauenpolitik?

Elisabeth Rolzhauser-Kantner: Unsere Tätigkeit basierte auf Daten, Fakten und gewerkschaftlichen Erfahrungen. Netzwerke und Informationsaustausch mit den unterschiedlichsten Personen, Gruppen und Organisationen waren uns sehr wichtig. Gerade im Bereich der Frauenpolitik ist es wesentlich einen umfassenden Bericht, wie es der Frauenbericht war, zu haben.
Die Frauenpolitik ist zwar eine Querschnittsmaterie, dennoch bedarf es einer aktiven eigenständigen Frauenpolitik. Diese braucht umfassende Daten, Fakten und Forschungen. Daher hat aus meiner Sicht der fehlende Frauenbericht massive Auswirkungen auf die aktuelle Frauenpolitik, weil nicht alle Beteiligten von der gleichen Basis ausgehen. Die Gestaltung einer aktiven Frauenpolitik muss auf einer einheitlichen Grundlage erfolgen. Es fehlt auch an der Vernetzung und Einbeziehung aller relevanten AkteurInnen, um eine aktive Frauenpolitik zu gestalten und diesbezügliche Gesetzesvorhaben umzusetzen.

Korinna Schumann, Vizepräsidentin und Bundesfrauenvorsitzende des ÖGB © Markus Zahradnik
© Markus Zahradnik
Korinna Schumann, Vizepräsidentin und Bundesfrauenvorsitzende des ÖGB

 

„Die ÖGB-Frauen set­zen sich ak­tiv für eine bes­sere Auf­tei­lung der un­be­zahl­ten Ar­beit zwi­schen Mann und Frau ein."

Korinna Schumann, ÖGB

AKtuell: Im Dezember 1990 veröffentlichte der Verfassungsgerichtshof sein Urteil, wonach das ungleiche Pensionsalter von Frauen und Männern verfassungswidrig sei. Die ÖGB-Frauen forderten daraufhin gemeinsam mit Frauen aus allen Parteien, ausgenommen der FPÖ, die Aufnahme von Verhandlungen über ein Gleichbehandlungspaket. In Frauenministerin Dohnal hatten sie eine streitbare Bündnispartnerin. Die Verhandlungen endeten im Oktober 1992. Die „Frauenfront“, wie manche Medien damals schrieben, konnte ein umfassendes Maßnahmenpaket als Ausgleich für die Anhebung des Frauenpensionsalters ab 2024 durchsetzen. Wie gelang die parteiübergreifende Zusammenarbeit – teils auch gegen die männlichen Politiker aus den eigenen Parteien, um frauenpolitisch voranzukommen? 

Irmgard Schmidleithner: Die Frauen der FPÖ waren genauso eingeladen an dem Paket mitzuwirken, aber sie glänzten sehr bald mit Abwesenheit.
Dass das Frauenpensionsalter angehoben werden sollte, wollten die meisten Frauen nicht. Aufgrund des Urteils wussten wir aber, dass die Anhebung nicht verhindert werden konnte. Johanna Dohnal nahm dann im Parlament Kontakt mit Frauen anderer Fraktionen auf. Wir ÖGB-Frauen erarbeiteten in Zusammenarbeit mit einer Juristin der Arbeiterkammer Wien ein Forderungspaket, das dann mit den Forderungen der Frauenministerin ergänzt wurde. In den darauffolgenden Monaten gab es immer wieder Abstimmungen mit den anderen Fraktionen, aber auch die Katholische Frauenbewegung gehörte zu den Unterstützerinnen.
Kurz gesagt, den Frauen war bewusst, wenn sie hier nicht zusammenhalten, dann sind sie die Verliererinnen.

AKtuell: Ist eine derartige parteiübergreifende „Frauenfront“ auch heute denkbar bzw. was sind Voraussetzungen dafür?

Korinna Schumann: Frauen müssen gut zusammenhalten, um gemeinsam die Zukunft zu gestalten. Wir Frauen wissen, wie wichtig Netzwerke sind, um unsere Anliegen durchzusetzen. Wir im ÖGB haben auch eine lange Tradition über alle Fraktionen hinweg, gemeinsame Lösungen für die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen in den Mittelpunkt zu stellen. Aber auch auf Sozialpartnerebene tragen wir diesen Spirit weiter. Gerade eben haben wir mit dem erfolgreichen Kinderbetreuungsgipfel von Sozialpartnern und Industriellenvereinigung in der Hofburg eindrucksvoll bewiesen, dass wir für ein frauen- und gesellschaftspolitisch wichtiges Thema gemeinsam eintreten.  

AKtuell: Die große Einkommensschere zwischen den Frauen- und den Männereinkommen war bei den Verhandlungen um das Gleichbehandlungspaket das zentrale Thema. Das Gleichbehandlungsgesetz wurde ausgeweitet. Das Gleichbehandlungsgebot bei der Entlohnung bezieht sich nun nicht nur auf „gleiche“, sondern auch auf „gleichwertige“ Arbeit, für die Beschäftigten im Bundesdienst wurde ein eigenes Bundes-Gleichbehandlungsgesetz geschaffen. Für Teilzeitarbeitende wurde ein Benachteiligungsverbot eingeführt und Elternkarenz wurde erstmals bei Vorrückungen angerechnet. Ganz zufrieden wart ihr mit den erreichten Verbesserungen aber nicht. Weshalb?

Irmgard Schmidleithner: Es wurden einerseits viele Verbesserungen erreicht, aber oft nur mit Kompromissen. Andererseits gab es auch Bereiche, die offen geblieben sind. In der Zwischenzeit gab es teilweise Fortschritte, teilweise gibt es weiterhin einige Punkte, die absolut nicht zufriedenstellend sind. Zum Beispiel die Kinderbetreuung.

Elisabeth Rolzhauser-Kantner, vormalige Leiterin der ÖGB-Frauenabteilung  © Fotoarchiv
© Fotoarchiv
Elisabeth Rolzhauser-Kantner, vormalige Leiterin der ÖGB-Frauenabteilung

 

„Die Ge­stal­tung einer ak­tiven Frauen­po­li­tik muss auf einer ein­heit­lichen Grund­lage er­fol­gen."

Elisabeth Rolz­­hauser-Kant­ner

AKtuell: Du hast ab Mitte der 1990er Jahre an der Seite von Irmgard als ÖGB-Bundesfrauensekretärin für die Chancengleichheit der Frauen gekämpft, ihr wart beim ersten Frauenvolksbegehren 1997 aktiv mit dabei. Danach hast du im ÖGB die Beratung für atypisch Beschäftigte, genauer für freie Dienstnehmer:innen und Neue Selbständige aufgebaut. Welche Fortschritte für Frauen gab es seit Anfang der 1990er Jahre? Was fehlt?

Elisabeth Rolzhauser-Kantner: Ein großer Schritt war das Gleichbehandlungspaket, in dem erstmals mittelbare Diskriminierung verankert wurde. So konnten etwa Benachteiligungen von Teilzeitbeschäftigten und geringfügig Beschäftigten bekämpft werden.

Der Arbeitsmarkt – gerade für Frauen – hat aber oft prekäre Ausmaße angenommen. So entstanden auch neue atypische Arbeitsformen, wie freie Dienstverträge, Werkverträge, etc. und die Zahl der atypisch bzw. prekär Beschäftigten nahm ständig zu. Eine gute statistische Aufarbeitung der atypisch Beschäftigten, wozu auch Teilzeitarbeit, Leiharbeit und befristete Dienstverhältnisse zählen, gibt es nicht. Da haben sogar die Sozialversicherungen viele bestehende Statistiken wieder abgeschafft.

Für geringfügig Beschäftigte erfolgte 1997 ein Schritt in die richtige Richtung: Erstmals konnten geringfügig Beschäftigte in die Kranken- und Pensionsversicherung optieren, sie können sich seither also freiwillig für die Einzahlung des Kranken- und Pensionsversicherungsbeitrages entscheiden. Damit mussten auch die Unternehmungen Kranken- und Pensionsversicherungsbeiträge für geringfügig Beschäftigte zahlen. Es fehlt jedoch die generelle Absicherung in allen Bereichen (Kranken-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung) ab dem ersten Euro. Ab 2008 gab es dann Verbesserungen für freie Dienstnehmer:innen und Neue Selbstständige/Werkvertragnehmer:innen. Bei meiner Beratungstätigkeit in der ÖGB-Flexpower-Beratung für atypisch Beschäftigte habe ich gesehen, dass noch viel zu tun ist – insbesondere, was eine eigenständige und ausreichende Absicherung vieler Frauen im Alter betrifft. 

AKtuell: Seit 2011 sind Unternehmen ab 150 Mitarbeiter:innen in Österreich verpflichtet, alle zwei Jahre einen Einkommensbericht zu erstellen. Dennoch zählen wir in der EU zu den Ländern mit den größten geschlechtsspezifischen Einkommensunterschieden. Vor wenigen Wochen, Mitte Dezember, haben sich die EU-Kommission, der Rat und das Parlament auf die EU-Lohntransparenz-Richtlinie geeinigt. Von Frauenministerin Raab hörte man dazu nichts, während die ÖGB-Frauen die Einigung in einer Aussendung begrüßten. Welche Verbesserungen bringt die Richtlinie aus deiner Sicht?

Korinna Schumann: Mehr Transparenz bei Löhnen und Gehältern europaweit ist jedenfalls ein wichtiger frauenpolitischer Schritt. Ganz konkret würde die Richtlinie bei uns in Österreich zu einer Senkung der Beschäftigtenzahl für Einkommensberichte auf 100 ArbeitnehmerInnen und eine öffentliche Kontrollinstanz zur Datensammlung führen – das sind wichtige Schritte, um Lohndiskriminierung zu beseitigen und das Recht auf gleichen Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit für Männer und Frauen durchzusetzen. Dass die Frauenministerin dazu schweigt, ist unverständlich, denn Handlungsbedarf hätten wir mehr als genug. Österreich ist auf EU-Ebene traditionell gemeinsam mit Estland und Lettland Schlusslicht beim Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern. 

AKtuell: Als Käthe Leichter die Frauenabteilung in der AK Wien aufbaute, stand ihr teilweise nur halbtags ein Sekretariat zur Verfügung. Dennoch kam sie dem Wunsch vieler weiblicher Beschäftigte in der AK nach und kandidierte für den Betriebsrat. Käthe Leichter war die erste weibliche Betriebsrätin in der AK. Auch ihr drei habt euch vor eurer gewerkschaftlichen Laufbahn im Betrieb für die Kolleg:innen eingesetzt. Irmgard als Betriebsrätin in einem Betrieb der Steinindustrie in St. Martin bei Traun, Elisabeth als Jugendvertrauensrätin und Betriebsrätin bei der Österreichischen Brown Boveri-Werke AG in Wien, Korinna als Personalvertreterin im Sozialministerium. Was können Belegschaftsvertreter:innen beitragen, um die Chancengleichheit von Frauen im Betrieb zu fördern?

Irmgard Schmidleithner: Ganz wichtig ist es Frauen zu motivieren und zu unterstützen, als Betriebsrätin zu kandidieren und zu arbeiten. Wichtig ist es aber auch, dass Betriebsrät:innen regelmäßig überprüfen, wie die einzelnen Tätigkeiten bewertet und bezahlt werden und dass sie bei der Regelung der Arbeitszeit Bedacht nehmen, dass Familie und Beruf sowie eine Betriebsrät:innenfunktion vereint werden können. Es gilt noch immer 50 Prozent der bezahlten Arbeit und der Funktionen für die Frauen, dafür bekommen die Männer 50 Prozent des Glücks der Haus- und Kinderarbeit!

Elisabeth Rolzhauser-Kantner: Ich wurde 1974 Jugendvertrauensrätin und 1979 Betriebsrätin. Der damalige Leiter der Sektion Industrie in der GPA, Walter Laichmann, hat mich als erste Jugendvertrauensrätin in die Erwachsenenorganisation kooptiert. So konnte ich bereits in jungen Jahren vieles in die diversen Gremien einbringen und habe auch viel Erfahrung gesammelt. So haben wir damals als Betriebsrat eine Gleitzeitvereinbarung, zuerst auf ein Jahr befristet, abgeschlossen. Vor Ablauf der Befristung fand eine Befragung der Beschäftigten statt, wo es um die Beibehaltung ging. Fast alle Frauen haben für die Beibehaltung der Gleitzeit gestimmt. Ein wesentlicher Punkt der Frauenpolitik auf allen Ebenen ist die Arbeitszeit. Eine flexible Arbeitszeit darf nicht nur zu Gunsten von Betrieben erfolgen, sondern muss auch für die Beschäftigten Vorteile bringen. Daher ist die Ausgestaltung von Betriebsvereinbarungen – zu welchen Themen auch immer – wichtig. Betriebsvereinbarungen müssen die unterschiedliche Wirkung auf die Geschlechter beachten. Frauenförderung ist erlaubt und erwünscht.

Korinna Schumann: Aus meiner Erfahrung in der Personalvertretung sind wir Frauen eine wichtige Anlaufstelle und ein Sprachrohr für die Anliegen der weiblichen Kolleginnen. Ich habe gelernt: Je vielfältiger ein Betriebsratsteam aufgestellt ist, desto besser können sie die Interessen aller vertreten. Man muss aber auch ehrlich sagen: es macht einen Unterschied, wenn Frauen im Betriebsrat die Führungsrolle übernehmen und wesentlich mitgestalten. Mich persönlich hat das auch gut auf meine jetzigen Aufgaben in der Gewerkschaft und Politik vorbereitet. Es war und ist mir immer ein starkes Anliegen, weitere Frauen zu motivieren, sich zu engagieren und für andere einzusetzen. Dabei war mir Käthe Leichter immer als Vorbild präsent.

Zu den Personen

Käthe Leichter (geb. 1895, 1942 im KZ Ravensbrück ermordet) leitete von 1925 bis 1934 das neugeschaffene Referat für Frauenarbeit in der Arbeiterkammer Wien. Mit wissenschaftlichen Studien, durch die Schulung von Funktionärinnen und in Radiovorträgen über Frauenarbeit trat sie für die Stärkung der Frauenrechte und für ihre Organisierung in den Gewerkschaften und als Betriebsrätinnen ein. Daneben war Käthe Leichter in der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei aktiv und engagierte Antifaschistin. 1934 im Austrofaschismus verlor Käthe Leichter ihre Anstellung in der Arbeiterkammer. Nach dem Verbot der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei gehörte Käthe Leichter gemeinsam mit ihrem Mann zu den Gründern der Revolutionären Sozialisten. Käthe Leichter, die jüdischer Abstammung war, wurde 1938 von den Nazis verhaftet und 1942 im KZ Ravensbrück ermordet.

Irmgard Schmidleithner (geb. 1948) war von 1991 bis 1999 Vizepräsidentin und Bundesfrauenvorsitzende des ÖGB. In dieser Funktion war sie eine Mitverhandlerin des Gleichbehandlungspakets. Von 1996 bis 1999 war Irmgard Schmidleithner Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings und Mitinitiatorin des 1. Österreichischen Frauenvolksbegehrens „Alles, was recht ist“. Am 19.12. 2022 wurde Irmgard Schmidleithner mit dem Käthe-Leichter Preis für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.

Elisabeth Rolzhauser-Kantner (geb. 1958) war von 1995 bis 1999 ÖGB-Bundesfrauensekretärin. Danach leitete sie das ÖGB-Beratungszentrum, wo sie unter anderem die Flexpower-Beratung für atypisch Beschäftigte aufbaute. 

Korinna Schumann (geb. 1966) ist seit 2018 Vizepräsidentin und Bundesfrauenvorsitzende des ÖGB. Sie ist Mitglied des österreichischen Bundesrates und war von Juli bis Dezember 2022 Bundesrats-Präsidentin.

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