„Die Menschen lieben ihre Haustiere. In der Corona-Zeit haben sich noch mehr Familien ein Haustier zugelegt. Deshalb haben wir auf Hochdruck produziert und die Firma hat sich entschlossen, die Produktion weiter auszubauen“, erzählt Julius-Jürgen Mayer im AKtuell-Interview. „Die Firma“, das ist das Unternehmen Royal Canin im niederösterreichischen Bruck an der Leitha, ein Tochterunternehmen des französischen Mars-Konzerns. Royal Canin produziert Heimtiernahrung, allen voran Hunde- und Katzenfutter. Als Vorsitzender des Arbeiter:innen-Betriebsrats vertritt Julius die rund 300 Arbeiter:innen am Standort.
Zuhören, was den Beschäftigten wichtig ist, Verhandlungsergebnisse präsentieren und diskutieren und die Belegschaft dann in geheimer Wahl über die vorgelegten Vorschläge abstimmen lassen. So arbeiten Julius und das Betriebsratsteam. Auf diese Weise wurde bei Royal Canin ein Arbeitszeitmodell eingeführt, das dem Unternehmen eine durchgängige Rund-um-die-Uhr Produktion ermöglicht. Und den Arbeiter:innen eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich brachte.
Julius-Jürgen Mayer, Betriebsratsvorsitzender Royal Canin
Beim Aushandeln des neuen Fünf-Schicht-Modells zog der Betriebsrat einen ausgewiesenen Arbeitszeitexperten der Gewerkschaft PRO-GE mit ein. „So hatte nicht nur die Arbeitgeberseite fachkundige Expert:innen, sondern auch wir einen Experten zur Seite, der unsere Branche kennt und dem wir vertrauen konnten.“ Am Ende standen drei verschiedene Arbeitszeitmodelle zur Auswahl. Die Belegschaft stimmte darüber ab und entschied sich mit 75 Prozent Zustimmung für das aktuelle Modell.
Die Arbeiter:innen profitieren bei diesem Modell von einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich von 38,5 Stunden auf 33,6 Stunden. Das Unternehmen von einem durchgängigen Betrieb rund um die Uhr, Arbeit an Wochenenden miteingeschlossen. Die Einführung der fünften Schicht führte dazu, dass auch 50 zusätzliche Arbeitsplätze entstanden. „Bei der Besetzung dieser Stellen hat die Geschäftsführung gesehen, dass es gar nicht so einfach ist, passende Fachkräfte zu finden. Die haben wir mittlerweile. Zugleich konnten wir die Geschäftsführung dazu bewegen, erstmals auch Lehrlinge auszubilden“, ist Julius erfreut.
„Aus Fehlern lernt man“, scheut sich Julius nicht davor, einzugestehen, dass trotz sorgfältiger Planung und Verhandlungen manchmal nachgebessert werden muss. So hat sich gezeigt, dass wegen des Hochbetriebs im Sommer nicht alle Arbeiter:innen, die das wollten, Urlaub nehmen konnten. Gemeinsam mit der Geschäftsführung hat das Betriebsratsteam deshalb eine generelle Regelung für den Urlaub ausverhandelt. Die Belegschaft konnte sich abermals aus zwei verschiedenen Varianten ihr Modell per geheimer Abstimmung auswählen. Dieses gilt nun und ermöglicht es allen, im Sommer zumindest zwei Wochen am Stück freizubekommen.
Nicht alles, was Julius und sein Team ausprobieren, stößt immer auf volle Zustimmung. „Wir verwenden die Betriebsrats-App des ÖGB, um über Neues im Betrieb zu informieren. Die Kolleg:innen können uns auch direkt über die App kontaktieren. Ein Kollege hat mich auf diesem Weg mehrfach auf Rechtschreibfehler hingewiesen, die ich gemacht habe. Erst habe ich mich ein bisschen geärgert. Dann habe ich ihn gefragt, ob er uns unterstützen und mitarbeiten will. Dank seiner Hilfe sind unsere Texte jetzt ansprechender und die Rechtschreibung passt.“
Betriebsräte stärken die Demokratie. Wer im Unternehmen merkt, dass seine Stimme zählt und er oder sie ernst genommen wird, beteiligt sich auch eher an anderen Wahlen. Doch die Anforderungen an die Betriebsratsteams werden immer komplexer. „Egal, ob man nun 80 Beschäftigte vertritt oder 150: Wenn man nicht im stillen Kammerl sitzt, sondern die Mitbestimmung im Betrieb aktiv lebt, ist das ein Riesenaufwand“, sagt Julius-Jürgen Mayer. Er unterstützt deshalb die Forderung von AK und ÖGB nach mehr Freistellungsmöglichkeiten für Betriebsräte, auch schon bei geringeren Beschäftigungszahlen. Zudem sollten auch Ersatz-Betriebsrät:innen einen eigenen Anspruch auf Bildungsfreistellung haben.
„Wer die Seminare und Kurse besucht, profitiert mehrfach. Das Wissen, das man erwirbt. Der Austausch und die Vernetzung mit anderen Betriebsrät:innen, die einen auf neue Ideen bringt. Und das Kennenlernen von ausgewiesenen Expert:innen aus den Gewerkschaften und der Arbeiterkammer. Auf diese Weise gewinnt man ein Netzwerk, das stärkt und auch im Notfall gemeinsam mit dir an einem Strang zieht“, ist Julius-Jürgen Mayer überzeugt.