Vereinbarkeit Job und Kind © Markus Zahradnik
Vereinbarkeit

Ver­ein­bar­keit von Job und Familie: Halbe-Halbe – geht das?

Bezahlte und un­bezahl­te Arbeit gut zu verein­baren, ist ein Heraus­forderung. Wie kriegen berufs­tätige Eltern alles unter einen Hut? 

Heike Hausensteiner
12.01.2024

 

© AKtuell, AK. Quelle: Statistik Austria

Noah ist drei Jahre und besucht den Kindergarten, seit er 17 Monate ist. Seine Eltern, Cornelia und Daniel Kargl, arbeiten beide in Vollzeit bei der ÖBB-Tochter Rail Cargo, wo Daniel auch stell­vertretendes Betriebs­ratsmitglied ist. „Hätten wir nicht so einen flexiblen Arbeit­geber, wäre es nicht möglich, alles so super hinzubekommen“, schildert Cornelia. Verständnisvolle Kolleg:innen und Vorgesetzte sowie die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, sind eine Selbst­verständlichkeit in ihrem Betrieb. 


Vereinbarkeit von Job und Familie: Trendwende

Jubel­stimmung darüber, wie Beruf und Familie unter einen Hut passen, lässt in Österreich jedoch auf sich warten. „Die Rahmen­bedingungen erleichtern Halbe-Halbe nicht unbedingt“, erklärt Karin Zimmermann, Bundesfrauen­sekretärin des ÖGB. Eva Burger, Leiterin der Abteilung für Frauen und Familie in der AK Wien, stellt fest: „Es gibt eine Trendwende retour, obwohl wir lange daran gearbeitet haben, dass es in die andere Richtung geht.“  

Jede zweite Frau in Österreich ist teilzeit­beschäftigt (50,7 Prozent, Zahlen aus 2022). Die Teilzeit­quote von Frauen mit betreuungs­pflichtigen Kindern unter 15 Jahren ist im Zeitraum 1994 bis 2021 von 39 auf fast 73 gestiegen. Ab dem dritten Geburtstag des jüngsten Kindes teilen sich mehr als die Hälfte der Paare ihre Erwerbs­arbeit so auf, dass der Vater in Vollzeit arbeitet und die Mutter „dazuverdient“. Hinzu kommt die unbezahlte Arbeit: Frauen über­nehmen knapp zwei Drittel der Hausarbeit (64 Prozent), selbst wenn sie in gleichem Ausmaß erwerbstätig sind wie Männer. Das hat die jüngst veröffentlichte Zeit­verwendungs­studie ergeben. 

"Ver­ein­bar­keit sollte etwas Gän­gi­ges wer­den. So kön­nen Be­trie­be ihre Be­schäf­tig­ten eher hal­ten."

Eva Burger, AK Wien

Eva Burger,  Leiterin der Abteilung für Frauen und Familie in der AK Wien © Lisi Specht
© Lisi Specht
Eva Burger, Leiterin der Abteilung für Frauen und Familie in der AK Wien

 

"Sowohl Frau­en als auch Män­ner sol­len ak­tiv an­ge­spro­chen wer­den."

Karin Zimmermann, ÖGB

Karin Zimmermann, Bundesfrauensekretärin des ÖGB © Elisabeth Mandl
© Elisabeth Mandl
Karin Zimmermann, Bundesfrauensekretärin des ÖGB

 

Cornelia und Daniel Kargl mit ihrem Sohn Noah. © Markus Zahradnik
© Markus Zahradnik
Cornelia und Daniel Kargl mit ihrem Sohn Noah.

Beteiligung der Männer?

Alles andere als Fortschritte gibt es auch bei der Beteiligung der Männer an der Kinder­erziehung: 2016 gingen bei Geburten in rund 15 Prozent der Paare die Papis in Karenz, 2018 waren es 13 Prozent. Bei weiteren fünf Prozent beziehen die Väter zwar Kinder­betreuungsgeld – eine von der Elternkarenz getrennte Leistung. Sie unterbrechen ihre Erwerbs­tätigkeit aber nicht. Damit geht bei 82 Prozent der Paare der Mann weder in Karenz noch bezieht er Kinderbetreuungsgeld. 

Außerdem fehlen Betreuungs­plätze für Kinder – auch in Wien, vor allem aber in ländlichen Gebieten und insbesondere für Kleinkinder unter drei Jahren und für Kinder mit erhöhtem Unterstützungs­bedarf. In der Elementar­bildung, bei den Kindergärten, herrscht ein Mangel an ganztägigen und ganzjährigen Öffnungs­zeiten. 


Verständnis in Betrieben

Zum Glück gibt es auch positive Praxis-Beispiele, aus Unter­nehmen ebenso wie auf individueller Ebene. Anita V. ist in einem ausgelagerten Unternehmen tätig, ihr Mann Peter für ein Softwareunternehmen. Beide arbeiten in Vollzeit. Tochter Sarah besucht eine ganztägige Volksschule. Anita schätzt es sehr, im Homeoffice sowie in Gleitzeit arbeiten zu können. „Wir haben keine Oma in Wien, die uns helfen könnte.“ 

Bei der Statistik Austria sind „geteilte Karenz, Papamonat und Elternteilzeit diskussions­los Teil der gelebten Praxis“, sagt Betriebsrats­vorsitzende Judith Falkinger. Eine familienfreundliche Personalpolitik zähle zum Grund­verständnis. In den nächsten Jahren soll die Vereinbarkeit noch weiter ausgebaut werden. 

Beim ÖAMTC sind selbst bei den Nothilfeaufnahmen „väterfreundliche“ Teilzeit-Dienstpläne möglich, schildert Betriebsrats­vorsitzende Nora Pradl. Zum Papamonat gibt es einen zusätzlichen Zuschuss für die Zeit der Freistellung. Für die im Unter­nehmen beschäftigten Eltern in Karenz gibt es Workshops und Netzwerk­treffen. 

Manche Unternehmen schaffen es gemeinsam mit dem Betriebsrat, Vätern Maßnahmen anzubieten, die über den gesetzlich geregelten Papamonat hinausgehen. Etwa die Beschäftigten bei Nokia können nach der Geburt eines Kindes bis zu drei Monate bei vollem Gehalt zu Hause bleiben. Den Frauen­anteil von 15 Prozent will man durch positive Diskriminierung beheben, so Betriebsratsvorsitzende Elisabeth Kubicek.

Steuerung durch Betriebsrät:innen

Betriebsrät:innen haben bei der Vereinbarkeit von Beruf mit Familie eine wichtige Steuerungs­funktion. Mögliche blinde Flecken im Umgang mit Karenz oder Wieder­einstieg anzusprechen und zum Positiven zu verändern, sei in allen Unternehmens­größen möglich. Darin sind sich Eva Burger von der AK Wien und Karin Zimmermann vom ÖGB einig. 

Unternehmen sind Teil der Gesellschaft, daher sollte Vereinbarkeit etwas ganz Gängiges werden. So können Betriebe ihre Beschäftigten eher halten, gerade in Zeiten von hoher Nachfrage nach Arbeitskräften, sind sich die Expertinnen sicher. Und unter­streichen das Familien­arbeits­zeitmodell, das ÖGB und AK fordern. 

Es sieht einen finanziellen Anreiz für Eltern vor, die jeweils zwischen 28 und 32 Stunden pro Woche arbeiten. Konkret soll es dafür im Anschluss an das Kinderbetreuungsgeld für jedes Elternteil eine Geldleistung von 250 Euro im Monat geben. Frauen könnten dadurch entlastet werden, Männer mehr Zeit für Familie bekommen.


Eltern aktiv ansprechen

Bei allen Initiativen zur besseren Verein­barkeit im Betrieb sollen sowohl Frauen als auch Männer aktiv angesprochen werden. Wichtig ist, mit Beschäftigen in Elternkarenz den Kontakt zu halten: Sie zum Beispiel zur jährlichen Unternehmens­feier einzuladen oder zu einem Karenzfrühstück, um über das betriebliche Geschehen und Weiterbildungen zu informieren. 
 

Eva Burger von der AK Wien plädiert für Karenz­management in allen Betrieben. Das kann ein Gespräch zur Planung vor der „Karenz-Pause“ zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden sein oder auch ein aktives Begleiten beim Wieder­einstieg. 

Auf jeden Fall auch im Betriebsratsgremium soll das Thema aufschlagen, betont Karin Zimmermann vom ÖGB. Denkbar sind Umfragen, um ein Stimmungsbild unter den Beschäftigten hinsichtlich Vereinba­rkeit zu bekommen oder den Bedarf von Ferien­aktionen auszuloten. Bei Betriebs­vereinbarungen unterstützt die zuständige Gewerk­schaft. 

Wenn Noah schläft, werden Cornelia und Daniel endlich Zeit gefunden haben, diesen Text zu lesen. Manchmal helfen Tante und Opa mit, so dass die berufstätigen Eltern eine kurze Auszeit bekommen.

webtipp

Tipp Symbolbild © AK Wien

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Die AK Videos rund ums Thema Karenz und Kinder­betreuungs­geld findest du gesammelt in diese Playliste auf YouTube.

 

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