Das Firmenyoga wird die Situation kaum retten. Und der hübsche Obstkorb auch nicht. Wer in Österreich arbeitet, läuft Gefahr, krank zu werden – körperlich und/ oder psychisch. Über 86 Prozent aller Erwerbstätigen sind mindestens einem Risikofaktor am Arbeitsplatz ausgesetzt. Trotz Sonnengruß via Teams und einem Apfel nach dem Mittagessen.
Die Krankmacher-Palette ist breit: Von krebserzeugenden Arbeitsstoffen und Arbeit mit schweren Lasten über psychischen Druck im Job. Bis zur Pension gesund und sicher durchs Arbeitsleben zu kommen, wird zunehmend zur Herausforderung. Wie kann das sein? Immerhin gilt in Österreich seit 30 Jahren das ASchG – das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz. Damit stehen Arbeitgeber:innen gesetzlich in der Fürsorgepflicht. Sprich, sie sind verpflichtet, für die Sicherheit und Gesundheit ihrer Beschäftigten am Arbeitsplatz zu sorgen. Und zwar präventiv.
Doch eine neue FORBA-Studie, im Auftrag der AK und mit Unterstützung des ÖGB, zeigt: Seit 1994 hat sich viel verbessert, gut ist die Situation aber auch 2024 nicht. „Das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz ist eine große Errungenschaft für die Beschäftigten in Österreich“, erklärt Johanna Klösch im Gespräch. Sie ist Expertin für Sicherheit, Gesundheit und Arbeit der AK Wien.
Mit dem ASchG wurden Arbeitgeber:innen zur Evaluierung ihrer Arbeitsplätze verpflichtet. Das beinhaltet auch Schutzmaßnahmen, wenn Gefahren für Sicherheit und Gesundheit erfasst wurden. „Jedoch zeigt unsere Studie, dass es noch viele Baustellen gibt und dass viele Arbeitgeber:innen bei ihren Schutzverpflichtungen säumig sind.“
Die Studie „Arbeitnehmer:innenschutz in Österreich: Eine Bestandsaufnahme – mit Zukunft“ (Juni 2024) findest du hier.
„Ein guter Arbeitnehmer:innenschutz hängt an der Mitwirkung des Betriebsrats.“
Johanna Klösch, AK Wien
„Ein Yogakurs ist nett. Aber tatsächlich brauchen wir ein System, das nicht krank macht und gesund erhält.“
Dorottya Kickinger, ÖGB
Das macht vor allem die Befragung unter Betriebsratsvorsitzenden deutlich. So würde in fast 30 Prozent der Betriebe keine regelmäßige Ermittlung körperlicher oder psychischer Belastungen stattfinden. Und wer nichts erhebt, kann auch nichts verbessern. Kleinere Betriebe evaluieren sogar noch seltener. Die Befragung zeigt auch, dass gerade einer der beliebtesten Arbeitsplätze nur höchst selten unter die Lupe genommen wird: „Homeoffice“ wird in 79 Prozent der Betriebe nicht evaluiert.
Dabei kann auch Arbeiten in heimeliger Umgebung krankmachen. Ergonomische Probleme belasten hier genauso, wie wenn Arbeitswelt und Privatleben miteinander verschwimmen. Die befragten Betriebsratsvorsitzenden attestieren, dass 30 Prozent der Betriebe die Arbeit (eher) nicht so gestalten, dass die Beschäftigten sie bis zur Pensionierung sicher und gesund ausführen können.
Was viele nicht wissen: Arbeitsbedingter Krebs ist nach wie vor die häufigste Todesursache am Arbeitsplatz. Im Vergleich zu Deutschland sind die geltenden Vorschriften zur höchstzulässigen Dosis von krebserzeugenden Stoffen in der Luft ungenügend. Verbindliche Obergrenzen für das Bewegen von Lasten fehlen ebenso. Und stundenlanges Sitzen und Stehen führt vermehrt zu Muskel-Skeletterkrankungen. Die Gesundheitsrisiken haben sich wie die Arbeitswelt verändert.
Alle wichtigen Infos zu diesem Thema findest du im AK Ratgeber „Arbeitnehmer:innenschutz und Gesundheit. Arbeit darf nicht krank machen“.
„Die Digitalisierung bringt steigende Anforderungen an die Beschäftigten mit sich,“ erklärt Klösch. Als Arbeitspsychologin sieht sie, wie etwa mit der Flut an Benachrichtigungen der Arbeitsdruck zunimmt. Ob am Bau, in der Pflege oder im Handel, an Zeitdruck leiden die Arbeitnehmer:innen überall. Laut Statistik Austria waren 60 Prozent aller Erwerbstätigen 2022 zumindest einem psychischen Gesundheitsrisiko am Arbeitsplatz ausgesetzt. Mit Folgen: Schlafstörungen, Sucht und Angstzustände.
Und ein Blick auf die Zahlen der Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspension führt die Konsequenzen vor Augen: Beinahe die Hälfte, etwa 45 Prozent, beziehen 2022 die Berufsunfähigkeitspension aufgrund psychischer Störungen. Als Arbeitspsychologin ist Johanna Klösch auch Expertin für die Arbeitsplatzgestaltung. „Nicht der Mensch ist unser Patient, sondern der Arbeitsplatz.“ Es brauche strukturelle Änderungen. Dem Betriebsrat kommt hier eine zentrale Funktion zu. Dort, wo er eingebunden ist, läuft es besser. „Ein guter Arbeitnehmer:innenschutz hängt an der Mitwirkung des Betriebsrats.“