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Mitbestimmen

Konfliktlösung:
„Das Ohr an allen Kanälen haben“

Betriebs­rats­mit­glieder sind in ihrem Arbeits­alltag mit verschie­denen Arten von Konflikten kon­fron­tiert. Doch wie gelingt der Umgang damit? Trainerin Nicola Sekler gibt Auskunft.

Andreas  Rauschal
27.08.2025

Konfron­tationen zwischen Betriebs­rat und Geschäfts­führung, Konflikte unter Kolleg:innen oder Unstimmig­keiten im Gremium selbst: Der Wellness­faktor im Betriebs­rats­alltag ist mitunter überschaubar. Beschließt jemand, sich für die Rechte der Beschäftigten engagieren zu wollen, kann eine Voraus­setzung also nicht schaden: „Ich finde, man muss dafür schon ziemlich konfliktfähig sein“, sagt Nicola Sekler. Die promovierte Politwissen­schafterin war früher in der Abteilung Weiterbildung für Arbeitnehmer­vertreter:innen der Arbeiterkammer Wien angestellt und ist heute als selbstständige Trainerin, Coach und Prozess­begleiterin aktiv. 

„Interessant ist, dass sich viele Betriebsrats­mitglieder ihrer Konflikt­management­fähigkeiten oft gar nicht bewusst sind. Die empfinden das als ganz normal, was sie da täglich für die Beleg­schaft stemmen.“

Wenn die Wogen hochgehen

Was würde Sekler in erster Linie empfehlen, wenn es darum geht, Konflikte zu lösen? „Die Grund­motivation vieler Betriebsrats­mitglieder ist es, zu helfen und zu unterstützen. Das ist aber nicht so einfach, wenn es viele sehr unterschiedliche Positionen in einem Streitfall gibt. Ich rate daher immer dazu, sich alle Seiten gut anzuhören – und das mit großer Offenheit.“

Und unterschiedliche Positionen gibt es oft: Sei es durch heterogene Beleg­schaften, die der Betriebsrat zu vertreten hat, oder die Zusammen­setzung des Gremiums, in dem divergierende Interessen, Listen und Generationen aufeinandertreffen. Festmachen kann man diese Polarisierung auch an einzelnen Themen. 

Sekler: „Ganz stark gehen die Wogen in Fragen zum Homeoffice hoch, also beim Thema Präsenz und Nichtpräsenz. Aber auch zwischen Altersgruppen: Etwa, wenn junge Beschäftigte ihre Bedürfnisse in Sachen Work-Life-Balance viel besser äußern können als dienstältere Kolleg:innen. Da kollidieren dann auch die gegensätzlichen Arbeits- und Lebens­realitäten.“

Zwischen Schuld und Scham

Aus Befragungen von Betriebsrats­mitgliedern und Beschäftigten weiß man, dass sich beide Gruppen mehrheitlich wünschen, Probleme im Einvernehmen zu lösen. Wie passt das zu einer Welt der multiplen Krisen, die sich auch in den Betrieben spiegelt?

Der Wunsch nach einem Kompromiss ist hier ein Abbild der Gesellschaft. Und er entspricht letztlich auch dem österreichischen Verständnis von Arbeit­nehmer:innen­vertretung, die sich in anderen Ländern deutlich konfrontativer gestaltet. Oft ist es auch ein Hemmschuh, dass das Wort Konflikt etwas Scham­behaftetes hat oder die Meinung vorherrscht, jemand hätte Schuld daran, wenn Konflikte entstehen. Dabei sind die Ursachen dafür meist strukturell.“



Nicola Sekler, Trainerin, Coach und Prozessbegleiterin © Heidrun Henke
Nicola Sekler, Trainerin, Coach und Prozessbegleiterin © Heidrun Henke

Ich ra­te immer dazu, sich alle Sei­ten gut an­zu­hö­ren – und das mit gro­ßer Offen­heit .


Nicola Sekler, Trainerin, Coach und Prozessbegleiterin

Für besonders wichtig hält es Sekler, persönliche und soziale Kompetenzen zu schulen. „Das ist aber nicht mit einem Leitfaden zu schaffen – und es braucht Finger­spitzen­gefühl. Betriebsräte sind oft die Erstanlaufstelle. Da kommen Menschen mit Schulden, Wohnungs­problemen und anderen Sorgen, die mit dem Betrieb selbst gar nichts zu tun haben. Als Betriebsrats­mitglied muss ich auch wissen, wie ich ein Rollen­bewusstsein entwickle, Grenzen ziehe – und mitunter an andere Stellen verweise." 

Außerdem plädiert Sekler für gelebte Teamarbeit. „Im Gremium sollte man schauen, wer sich bei welchem Thema vielleicht besser auskennt als ich. Früher haben Betriebsräte sehr oft von starken Vorsitzenden gelebt, heute ist Aufgabenteilung der Schlüssel zum Erfolg. Viele Betriebsrats­mitglieder sind wahnsinnig gut ausgebildet und bringen Zusatz­ausbildungen mit, auf die man zurückgreifen kann, etwa im Bereich Coaching.

Ist das nicht der Fall, sollte man sich vor externer Unterstützung nicht scheuen.“ Diese könne Betriebsräten dabei helfen, eigene Lösungs­strategien zu entwickeln. Wichtig dafür seien in jedem Fall Personen, die mit Betriebsrats­themen vertraut sind und ein gutes Gespür für den Kontext haben. 

Austausch und Früherkennung

Warum Zeit für die Betriebs­ratsarbeit im Allgemeinen und den Umgang mit Konflikten im Speziellen so wichtig ist, erklärt Sekler an einem Beispiel. „Ein Problem ist häufig die Frage: Löse ich nur den vorliegenden Einzelfall oder stürze ich mich auf die Veränderung der Strukturen, die dem Konflikt zugrunde liegen? Zweiteres benötigt klarerweise viel mehr Ressourcen.“

Außerdem bedarf es dafür einer Gesprächs­basis mit der Geschäfts­führung, für die sich der permanente wechselseitige Austausch empfiehlt. Setzt man dann noch auf Früh­erkennung, ist bereits vieles gewonnen. Nicola Sekler: „Immer das Ohr an allen Kanälen haben – und in guten Zeiten für schlechtere vorsorgen.“


gut zu wissen

Konflikte stemmen:

Praxis­tipps für die Betriebs­rats­arbeit


  • In die Beleg­schaft hineinhören. Sie kennt die Probleme am besten.
     
  • Die Situation analysieren. Hinter die Kulissen schauen und unterschiedliche Perspektiven durchleuchten. Bin ich als Betriebsrat zuständig? Liegt die Lösung überhaupt in meinem Handlungs­spielraum?
     
  • Austausch ist Vorbeugung. Regel­mäßige Treffen, fortlaufender Kommunikations­fluss. Informations­politik zur Selbst­verständlich­keit machen.
     
  • Zeit nehmen. Konflikt­lösung geht nicht im Hand­umdrehen. 
     
  • Im Netzwerk agieren.  Externe Begleitung kann wertvoll sein. Und: Gewerk­schaften und Arbeiter­kammer sind immer für dich da! 


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