Konfrontationen zwischen Betriebsrat und Geschäftsführung, Konflikte unter Kolleg:innen oder Unstimmigkeiten im Gremium selbst: Der Wellnessfaktor im Betriebsratsalltag ist mitunter überschaubar. Beschließt jemand, sich für die Rechte der Beschäftigten engagieren zu wollen, kann eine Voraussetzung also nicht schaden: „Ich finde, man muss dafür schon ziemlich konfliktfähig sein“, sagt Nicola Sekler. Die promovierte Politwissenschafterin war früher in der Abteilung Weiterbildung für Arbeitnehmervertreter:innen der Arbeiterkammer Wien angestellt und ist heute als selbstständige Trainerin, Coach und Prozessbegleiterin aktiv.
„Interessant ist, dass sich viele Betriebsratsmitglieder ihrer Konfliktmanagementfähigkeiten oft gar nicht bewusst sind. Die empfinden das als ganz normal, was sie da täglich für die Belegschaft stemmen.“
Was würde Sekler in erster Linie empfehlen, wenn es darum geht, Konflikte zu lösen? „Die Grundmotivation vieler Betriebsratsmitglieder ist es, zu helfen und zu unterstützen. Das ist aber nicht so einfach, wenn es viele sehr unterschiedliche Positionen in einem Streitfall gibt. Ich rate daher immer dazu, sich alle Seiten gut anzuhören – und das mit großer Offenheit.“
Und unterschiedliche Positionen gibt es oft: Sei es durch heterogene Belegschaften, die der Betriebsrat zu vertreten hat, oder die Zusammensetzung des Gremiums, in dem divergierende Interessen, Listen und Generationen aufeinandertreffen. Festmachen kann man diese Polarisierung auch an einzelnen Themen.
Sekler: „Ganz stark gehen die Wogen in Fragen zum Homeoffice hoch, also beim Thema Präsenz und Nichtpräsenz. Aber auch zwischen Altersgruppen: Etwa, wenn junge Beschäftigte ihre Bedürfnisse in Sachen Work-Life-Balance viel besser äußern können als dienstältere Kolleg:innen. Da kollidieren dann auch die gegensätzlichen Arbeits- und Lebensrealitäten.“
Aus Befragungen von Betriebsratsmitgliedern und Beschäftigten weiß man, dass sich beide Gruppen mehrheitlich wünschen, Probleme im Einvernehmen zu lösen. Wie passt das zu einer Welt der multiplen Krisen, die sich auch in den Betrieben spiegelt?
„Der Wunsch nach einem Kompromiss ist hier ein Abbild der Gesellschaft. Und er entspricht letztlich auch dem österreichischen Verständnis von Arbeitnehmer:innenvertretung, die sich in anderen Ländern deutlich konfrontativer gestaltet. Oft ist es auch ein Hemmschuh, dass das Wort Konflikt etwas Schambehaftetes hat oder die Meinung vorherrscht, jemand hätte Schuld daran, wenn Konflikte entstehen. Dabei sind die Ursachen dafür meist strukturell.“
„Ich rate immer dazu, sich alle Seiten gut anzuhören – und das mit großer Offenheit .“
Nicola Sekler, Trainerin, Coach und Prozessbegleiterin
Für besonders wichtig hält es Sekler, persönliche und soziale Kompetenzen zu schulen. „Das ist aber nicht mit einem Leitfaden zu schaffen – und es braucht Fingerspitzengefühl. Betriebsräte sind oft die Erstanlaufstelle. Da kommen Menschen mit Schulden, Wohnungsproblemen und anderen Sorgen, die mit dem Betrieb selbst gar nichts zu tun haben. Als Betriebsratsmitglied muss ich auch wissen, wie ich ein Rollenbewusstsein entwickle, Grenzen ziehe – und mitunter an andere Stellen verweise."
Außerdem plädiert Sekler für gelebte Teamarbeit. „Im Gremium sollte man schauen, wer sich bei welchem Thema vielleicht besser auskennt als ich. Früher haben Betriebsräte sehr oft von starken Vorsitzenden gelebt, heute ist Aufgabenteilung der Schlüssel zum Erfolg. Viele Betriebsratsmitglieder sind wahnsinnig gut ausgebildet und bringen Zusatzausbildungen mit, auf die man zurückgreifen kann, etwa im Bereich Coaching.
Ist das nicht der Fall, sollte man sich vor externer Unterstützung nicht scheuen.“ Diese könne Betriebsräten dabei helfen, eigene Lösungsstrategien zu entwickeln. Wichtig dafür seien in jedem Fall Personen, die mit Betriebsratsthemen vertraut sind und ein gutes Gespür für den Kontext haben.
Warum Zeit für die Betriebsratsarbeit im Allgemeinen und den Umgang mit Konflikten im Speziellen so wichtig ist, erklärt Sekler an einem Beispiel. „Ein Problem ist häufig die Frage: Löse ich nur den vorliegenden Einzelfall oder stürze ich mich auf die Veränderung der Strukturen, die dem Konflikt zugrunde liegen? Zweiteres benötigt klarerweise viel mehr Ressourcen.“
Außerdem bedarf es dafür einer Gesprächsbasis mit der Geschäftsführung, für die sich der permanente wechselseitige Austausch empfiehlt. Setzt man dann noch auf Früherkennung, ist bereits vieles gewonnen. Nicola Sekler: „Immer das Ohr an allen Kanälen haben – und in guten Zeiten für schlechtere vorsorgen.“