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Urlaubsrecht

­EuGH zu Ur­laubs­­ver­­brauch: Arbeit­neh­mer:in­nen rücken in den Vor­der­grund

Können Urlaubstage angesammelt werden, ohne zu verjähren? Hier sind Gerichte und Gesetzeslage in Österreich bis dato restriktiv. Das oberste EU-Gericht sieht das jetzt anders. Mit einem Zeitalter-Wechsel im Arbeitsverhältnis rechnet daher AK-Arbeitsrechtsexperte Wolfgang Kozak im AKtuell-Interview.

Heike Hausensteiner
30.11.2022
"Der EuGH rückt  Urlaub in die Nähe eines Grund­rechtes."

Wolfgang Kozak, Jurist im Bereich Arbeitsrechtliche Beratung und Rechtsschutz in der AK Wien

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stärkt mit einem Urteil die Rechte der Arbeitnehmer:innen und unterstreicht den Vorrang von europäischem vor nationalem Recht.

Wolfgang Kozak: Ein glühender Europäer kann hier die positiven Auswirkungen der Union feststellen: Die Situation von Arbeitnehmer:innen wird verbessert, wo man am Verhandlungsweg nicht weiterkommt. Das Spannende ist, dass das oberste Gericht der EU die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber:innen als wesentlich empfindet. Im Allgemeinen ist in einem Arbeitsvertrag der/die Arbeitnehmer:in die schwächere Partei, und von der kann man realistischerweise nicht verlangen, dass sie ganz scharf die eigenen Rechte durchsetzt. In Österreich kann in den meisten Betrieben ohne Betriebsrat ein Urlaub faktisch nur vereinbart werden. Selbst in Betriebsratsbetrieben gilt, salopp gesprochen: Sobald Arbeitgeber:innen gegen einen Urlaubsantritt klagen, wird der Urlaub für die Beschäftigten gegessen sein, wenn sie am Erhalt des Arbeitsplatzes interessiert sind. Jetzt urteilt der EuGH: Grundsätzlich sind Arbeitgeber:innen gegenüber den Arbeitnehmer:innen verpflichtet, den Jahresurlaub zu ermöglichen.


Sonst kann man sich nicht auf Verjährung berufen. Laut ständiger österreichischer Rechtsprechung ist es aber unzulässig, Urlaub anzusammeln, nach drei Jahren verfällt er. Die Gründe dafür interessieren die Gerichte nicht und die Auswirkungen tragen die Beschäftigten. Meist sind das Streitereien bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, wenn es um Zahlung einer Urlaubsersatzleistung geht.


Das dreht sich jetzt um?  

Wolfgang Kozak: Die Arbeitgeber:innen müssen die Arbeitnehmer:innen auffordern, den angesparten Urlaub zu konsumieren – und auch rechtzeitig ermöglichen, den Urlaub zu verbrauchen. Damit Arbeitgeber:innen eine Urlaubsverjährung wirksam vorbringen können, müssen sie nachweisen, dass sie dieser Verpflichtung nachgekommen sind.

Warum verweist der EuGH ausdrücklich auf die EU-Grundrechte-Charta? 

Wolfgang Kozak: Er rückt Urlaub in die Nähe eines Grundrechtes. Das ist ein starkes Argument! Wahrscheinlich wird das nur das europäische Urlaubsausmaß von vier Wochen betreffen – nicht unsere fünf oder sechs Wochen.

Das EU-Gericht unterstreicht sogar, dass die Arbeitnehmer:innen der schwächere Part sind.

Wolfgang Kozak: Das finde ich am bemerkenswertesten an dieser Entscheidung. Wir hatten dieses Bewusstsein in Österreich, es ist aber zurückgegangen. Dass es der EuGH hier ausspricht, könnte ein Zeitalter-Wechsel werden. So sehr man über wirtschaftsliberale Urteile aus österreichischer Sicht den Kopf geschüttelt hat, rückt der Gerichtshof jetzt den notwendigen Schutz der Beschäftigten in den Vordergrund, für die die Bestimmungen über den Urlaub gemacht wurden.

INFOBOX

Tipp Symbolbild © AK Wien

Regierung repariert nur Notwendigstes

Der EuGH stärkt auch in punkto Urlaubs­ersatz­leistung bei vor­zei­tigem Austritt die Rechte der Arbeit­neh­mer:innen. Nach dem EuGH-Urteil gab es eine öster­rei­chi­sche Gesetzes­änderung - die Regierung hat allerdings nur eine Minimalvariante um­ge­setzt.

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