Kranke Frau sitzt an Büro-Schreibtisch © Adobe Stock, mrmohock
Krankenstand

Krank in die Arbeit

Neun von zehn Beschäftigten gehen krank in die Arbeit. Was muss der Betriebs­rat über die Rechte und Pflichten kranker Arbeit­nehmer:innen wissen? Die wichtigsten Fakten zum Weiter­verbreiten. 
Theresa Goisauf
09.02.2023
in diesem Artikel
    "Wenn neun von zehn krank arbeiten, gibt es auf jeden Fall Hand­lungs­bedarf."

    Biljana Savic, AK-Arbeits­rechts­expertin

    Die häufigsten Fragen zum Thema Krankenstand

    Eine aktuelle Online-Befragung der AK Wien präsentiert alarmierende Ergebnisse. Wer krank arbeiten geht, schadet nicht nur sich selbst, sondern auch den Kolleg:innen. Dennoch stellen viele einen reibungslosen Ablauf im Betrieb und ihre Jobsicherheit über ihre Gesundheit. Meist stecken ein enormer Druck und die Angst, den Job zu verlieren, dahinter.

    Krankenstände gehören zu den Dauerbrennern in der AK-Rechtsberatung. Denn vielfach fehlen die richtigen Informationen, was im Krankenstand erlaubt ist und was nicht. AK-Arbeitsrechtsexpertin, Biljana Savic, klärt auf


    Welche Pflichten haben kranke Beschäftigte? 

    Zuerst gilt es, den Arbeitgeber unverzüglich von der Arbeitsunfähigkeit zu informieren; bestenfalls nachweislich, beispielsweise schriftlich. Auch wenn manche Betriebe erst ab dem dritten Tag eine ärztliche Bestätigung einfordern, ist oftmals empfehlenswert, dass sich Arbeitnehmer:innen bereits am ersten Tag beim Arzt oder bei der Ärztin krankmelden und die Arbeitsunfähigkeitsbestätigung abholen. 

    Wer krank ist, muss grundsätzlich keine Auskünfte über das gesundheitliche Problem oder die genaue Diagnose geben. Im Gesetz steht zwar, dass die Dauer und Ursache genannt werden müssen; mit Ursache ist aber gemeint, ob es eine Krankheit oder ein Arbeitsunfall ist. Zu empfehlen ist, dass man mitteilt, wann man beim Arzt wiederbestellt ist. 


    Was dürfen kranke Arbeitnehmer:innen im Krankenstand?

    Was arbeitsunfähige Beschäftigte im Krankenstand tun dürfen, ist eine medizinische Frage. Aus arbeitsrechtlicher Sicht ist zu sagen, dass im Krankenstand alles gemacht werden kann, was aus medizinischer Sicht dem Genesungsprozess nicht entgegensteht. Wenn jemand aufgrund einer Depression arbeitsunfähig ist, spricht wohl nichts gegen einen Spaziergang an der frischen Luft.


    Krank in die Arbeit Infografik © AKtuell
    © AKtuell

    Was passiert, wenn Arbeiter:innen und Angestellte im Urlaub erkranken? 

    Wenn der vereinbarte Urlaub durch einen Krankenstand unterbrochen wird und der Krankenstand länger als drei Kalendertage dauert, wird dieser Zeitraum nicht vom Urlaubsausmaß abgezogen. Eine Forderung der Arbeiterkammer ist, auch für den Zeitausgleich eine entsprechende Regel zu schaffen.

    Wir haben in der AK-Studie gesehen, dass rund die Hälfte der Beschäftigten im Krankenstand von ihrer bzw. ihrem Vorgesetzten kontaktiert wird. Ist das rechtlich erlaubt?

    Arbeitsleistungen müssen im Krankenstand nicht verrichtet werden und können abgelehnt werden. Grundsätzlich müssen Erkrankte im Krankenstand auch nicht für den bzw. die Arbeitgeber:in erreichbar sein. 


    Fast 60 % arbeiten krank im Homeoffice. Aus der AK-Umfrage geht hervor, dass es Vorgesetzte gibt, die die Beschäftigten dazu zwingen, krank im Homeoffice zu arbeiten. Gibt es dafür eine gesetzliche Regelung? 

    Der Arbeitgeber kann nicht verlangen, dass die Beschäftigten krank im Homeoffice arbeiten. Ob jemand arbeitsfähig ist, ist eine medizinische Frage. Wenn aus ärztlicher Sicht eine Arbeitsunfähigkeit besteht, kann der Arbeitgeber – egal ob im Büro oder zu Hause – keine Arbeitsleistung verlangen. Das ist ein wichtiger Punkt, den auch die Arbeiterkammer aktuell verfolgt. Wer trotz Krankheit aufgefordert wird zu arbeiten, sollte das dem Betriebsrat melden.


    Darf ich im Krankenstand gekündigt werden? 

    Gesetzlich gibt es keinen besonderen Kündigungsschutz im Krankenstand. Beschäftigte können also unter Einhaltung der Kündigungsfrist und des Kündigungstermins im Krankenstand gekündigt werden. Der Arbeitgeber muss das Beenden des Dienstverhältnisses nicht begründen. Deshalb gehen viele krank arbeiten.


    Die Angst gekündigt zu werden ist groß

    Aus der Online-Befragung geht hervor, dass Arbeiter:innen hier stärker unter Druck stehen als Angestellte. In der arbeitsrechtlichen Beratung erzählen Beschäftigte, dass sie sich nicht trauen, krank zu Hause zu bleiben. Es gibt leider Branchen, wo das wirklich häufig passiert, gerade in der Reinigungsbranche, im Hotel- und Gastgewerbe und im Transport. 

    Die penible Dokumentation eines Krankenstandes ist hier oft essenziell. Deshalb ist die unverzügliche, nachweisliche Meldung so wichtig. So kann der Arbeitgeber nicht behaupten, dass die Person unentschuldigt nicht zum Dienst gekommen wäre. Mein Tipp: Die Krankmeldung so durchführen, dass Sie auch den Zugang nachweisen können. Am besten den gesamten Kommunikationsverlauf inklusive Antwort der Arbeitgeberseite abspeichern und ausdrucken. 


    Was können Arbeiter:innen und Angestellte bei einer Kündigung im Krankenstand tun? 

    In diesem Fall sollten Betroffene sofort den Betriebsrat kontaktieren. Auch bei der AK-Rechtsberatung kann man sich Hilfe holen. Was zu empfehlen ist, ist bei einem Angebot einer einvernehmlichen Auflösung nichts überstürzt zu unterschreiben. Nicht überrumpeln lassen.

    Unter Umständen kann die Anfechtung einer Kündigung mit der Berufung auf Sozialwidrigkeit oder ein verpöntes Motiv innerhalb von 14 Tagen ab Zugang der Kündigung erfolgen. Um kranke Beschäftigte besser zu schützen und Druck rauszunehmen, fordert die AK einen Kündigungsschutz im Krankenstand.


    Viele Anfragen in der arbeitsrechtlichen Beratung sind zum Thema Entgeltfortzahlung. Wie sieht es mit dem Geld im Krankenstand aus? Wie lange besteht Anspruch darauf?

    Wer krank wird, muss weiterhin Entgelt bekommen. Der Arbeitgeber muss vorerst das volle Entgelt zahlen, später zur Hälfte. Auch regelmäßige Überstunden werden im Durchschnitt mit berechnet. Wie lange der Arbeitgeber das Entgelt zahlen muss, hängt von der Dauer des Arbeitsverhältnisses ab. Je länger Beschäftigte schon im Betrieb sind, desto länger erhalten sie das volle Entgelt.  


    Grafik Krank in die Arbeit - Krankengeld © AK Wien
    © AK Wien

    Wichtig ist, dass das Arbeitsjahr immer mit dem Eintrittsdatum und nicht mit dem Kalenderjahr beginnt. Beispiel: Der erste Arbeitstag war am 1.5. Der Krankenstand läuft über das Eintrittsdatum hinaus, so beginnt mit 1.5 wieder ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch. 


    Tipp 1: Antrag nicht vergessen!

    Wenn Beschäftigte nur mehr die Hälfte des Entgelts vom Arbeitgeber bekommen, zahlt die Gesundheitskassa das halbe Krankengeld. Wer gar kein Entgelt mehr bekommt, erhält das volle Krankengeld. Das Krankengeld erhalten Betroffene grundsätzlich bis zu 26 Wochen. Unter bestimmten Bedingungen auch länger.

    Mehr dazu: Geld bei Krankheit | Arbeiterkammer.


    Der bzw. die Arbeitgeber:in muss eine Arbeits- und Entgeltbestätigung ausstellen, und das Formular an die Krankenkasse übermitteln. 


    Tipp 2: Beratung in Anspruch nehmen 

    Der Betriebsrat ist die erste Anlaufstelle und unterstützt bei Problemen im Job. Bei Unsicherheiten zur Entgeltzahlung können sich Beschäftigte auch bei der Gewerkschaft und bei der arbeitsrechtlichen Beratung der Arbeiterkammer melden. Dies sollte zeitnah passieren. Es können kurze Verfallsfristen (z.B. drei Monate ab Fälligkeit) gelten. Bei Beendigungsansprüchen unterstützt die AK auch mit einer Endabrechnungskontrolle. Wenn die Beschäftigung im Krankenstand beendet wurde und die Entgeltfortzahlung über das Beendigungsdatum hinaus geht, ist das Nachkontrollieren sinnvoll.

    Arbeitsrechtliche Beratung in der AK Wien

    Tipp Symbolbild © AK Wien

    +43 1 501 65 1201

    Zum Nachlesen: AK Online-Befragung 

    Nähere Details im Ratgeber: Krankenentgelt (arbeiterkammer.at)

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