GF und BR WienIT © Markus Zahradnik
Interview

Zulassen, dass es menschelt im Unternehmen

Mit flexiblen Arbeitsmodellen, offenen Türen für Quer­ein­stei­ger:innen und einem kolle­gialen Be­triebs­klima schraubt WienIT den Frauen­an­teil wei­ter nach oben. Geschäfts­führerin Daniela Lidl und Betriebs­rats­vor­sitzen­der Gerald Oujezky ziehen hier an einem Strang.

Heike Hausensteiner
24.04.2023

Wie das konkret funktioniert, erläutern uns Daniela Lidl und Gerald Oujezky im Gespräch.


AKtuell: Viele Unter­nehmen jammern über Arbeits­kräfte­­man­­gel. Was macht WienIT, um Fach­kräfte zu gewinnen?

Daniela Lidl: Jam­mern ist nicht meine Art. Fach­kräfte­mangel haben auch wir, nur nehmen wir ihn anders wahr. Wir bilden die Leute selber aus, haben ein Lehr­lings­manage­ment und nehmen auch Quer­ein­stei­ger:innen auf – wir haben ja nicht nur IT-Jobs. Ein großer Hebel ist unser Betriebs­klima. Wir gehen wert­schät­zend und kollegial miteinander um, auch zwischen Betriebs­rat und Geschäfts­füh­rung. Für mich sind die Mitar­beiter:innen das höchste Gut. Ich habe zwar eine Rolle, die muss, kann, darf und werde ich wahr­nehmen – aber die beste Führung hilft nichts ohne enga­gierte Mitarbeiter:innen. 


„Frauen sind in der IT rich­tig – nicht OB­WOHL sie Frau­en sind, son­dern WEIL sie Frau­en sind, die gut in ihrem Job sind.“

Daniela Lidl, Geschäftsführerin, WienIT

Daniela Lidl, Geschäftsführerin WienIT © Markus Zahradnik
© Markus Zahradnik
Daniela Lidl, Geschäftsführerin WienIT

AKtuell: Sie haben Elektronik studiert. Inwieweit ist es ein Vorurteil, dass es in der IT verhältnis­mäßig wenige Frauen gibt? 

Daniela Lidl: Zumindest in der WienIT ist der Frauenanteil relativ hoch. Im Top­-Manage­ment haben wir einen Frauen-Anteil von rund 50 Prozent. In der übri­gen Welt draußen sieht es anders aus. Das habe ich selbst erlebt: Schon im Stu­dium musstest du dich als Frau drei Mal beweisen, um akzeptiert zu werden. Davon hab‘ ich mich nicht ab­bringen lassen. Ich habe einfach mein Ding gemacht. 
Die Gesell­schaft ist hier als Ganzes gefordert. Auch jede und jeder Ein­zelne von uns. Das beginnt schon bei der Er­ziehung, wo beide Eltern­teile das entsprechende Mind­set einbringen müssen. Sonst werden wir das nicht schaffen. Im Kon­zern haben wir ebenfalls einen „Töchter­tag“: Wir laden die Mädels zu WienIT ein, damit sie Ein­blick in die Tech­nik bekommen und eventuell Un­sicher­hei­ten und Än­gste ablegen können.


AKtuell: Herr Oujezky, wie ist es für Sie, eine so unortho­doxe Vorgesetzte zu haben?

Gerald Oujezky:  Es ist angenehm. Daniela geht die Dinge mit großem Opti­mis­mus an und ist offen für die Themen, die wir aus der Beleg­schaft an sie heran­tragen. Gegen­über den Geschäfts­führun­gen, die ich schon erlebt habe, ist das ein großer Gewinn. Also der Führungs­stil ist ganz anders. Auch der Zugang zu den Themen. Noch haben wir in der Technik ein Ver­hältnis zwei zu eins zwischen Männern und Frauen. Daniela ist seit sechs Jahren hier und hat mit einem Verhält­nis von zehn zu eins übernommen. Das spiegelt sich auch im Betriebs­rat wider, da haben wir derzeit einen Frauen­anteil von 33 Prozent. 


AKtuell: Sind Frauen weniger bereit, eine Funktion als Betriebsrätin zu übernehmen?

Gerald Oujezky: Ich habe den Eindruck, dass sich Frauen weniger in den Vorder­grund drängen und dass sich Männer mehr Fähig­keiten zutrauen, die sie viel­leicht gar nicht haben. Da haben wir als Betriebs­rat unseren Job zu tun und die Frauen zu überzeugen – „Ihr könnt das!“. 


AKtuell: Das sagen Sie nicht nur, sondern das meinen Sie auch so? 

Gerald Oujezky: Das meine ich auch so, natürlich! Ich bemühe mich, Frauen ins Man­dat zu heben – wenn sich da Kolleginnen finden, sind sie mehr als nur will­kommen. Am Ende meines Man­dats habe ich bereits eine mögliche Nach­folgerin im Auge.

„Da haben wir als Be­triebs­­rat un­se­ren Job zu tun und die Frauen zu über­zeu­gen – ihr könnt das!“

Gerald Oujezky, Betriebsrat, WienIT

Gerald Oujezky, Betriebsrat WienIT © Markus Zahradnik
© Markus Zahradnik
Gerald Oujezky, Betriebsrat WienIT

AKtuell: Frau Lidl, Sie haben sogar eine Kondi­torin angeworben, die nun bei WienIT im Change & Adoption Manage­ment tätig ist. Welche Methoden wenden Sie an?

Daniela Lidl: Ich versuche ein Role Model zu sein, gehe viel hinaus, spreche in anderen Unter­nehmen. Mein zweiter Hebel ist: In den direkten Besetzun­gen achte ich darauf, Frauen zu fördern. Wobei das so klingt, als ob wir das notwendig hätten – das ist Bullshit.  Insge­samt haben wir einen Frauen­anteil von rund 31 Prozent, da geht noch mehr. Was ich aber nicht möchte, ist eine weib­liche Besetzung, nur weil es eine Frau ist.  Frauen sind in der IT richtig – nicht OBWOHL sie Frauen sind, sondern WEIL sie Frauen sind, die gut in ihrem Job sind. Am Ende zählt, dass wir menschlich sind, auf Augenhöhe.


AKtuell: Das Wirtschafts­leben ist ohne Menschen, also Familien, nicht möglich. Nützen Sie die arbeitsrechtlichen Möglichkeiten für die Beschäftigten verstärkt aus?

Daniela Lidl: Ich reize die Konzern­richt­linien maximal aus. Die Mitar­beiter:innen dürfen bis zu drei Home­office-Tage pro Woche machen. Wie die Arbeitszeit­bedürf­nisse sind, ist mit der Führungs­kraft zu vereinbaren. Je mehr Frei­heiten man hat, desto größer ist die Arbeits­leistung. Und das belegen die Umsatz­zahlen der WienIT eindeutig. Das ist für mich einer unserer Erfolgs­faktoren. 


AKtuell: Also Sie lassen zu, dass es im Unter­nehmen menschelt?

Daniela Lidl: Genau, das ist gut beschrie­ben. Momen­tan überlegen wir noch, unsere Home­office-Richt­linie auszu­weiten. Wir haben nicht nur Mitar­beiter:innen aus Österreich – da ist es oft sinn­voll, wenn man Mobile Working von woanders machen kann. 


Aktuel­I: Ihr Betrieb geht stärker als andere in Rich­tung flexible Zeit­ein­tei­lung.

Gerald Oujezky: Beruf­liches und Priva­tes ist bei uns gut verein­bar. Wir haben Gleit­zeit zwischen sechs und 20 Uhr. Homeoffice sehe ich posi­tiv, aber auch als eine Grat­wan­derung. Es sollte nicht eine Pflege­frei­stellung ersetzen, die wir bewusst auch stunden­weise ermög­lichen, oder gar einen Kranken­stand.


Aktuell: Wie stellen Sie als Betriebsratsvorsitzender sicher, dass trotz Homeoffice das Bonding mit den Arbeitnehmer:innen nicht verloren geht?

Gerald Oujezky: Ich bin rund um die Uhr erreich­bar, telefo­nisch, per Mail oder über MS-Teams. Und ich melde mich proaktiv. Seit zwei Monaten haben wir einen neuen Welcome Bereich, eine Art Social Hub. Da kommen die Teams aus allen Stock­werken zusammen, man bleibt nicht nur im eigenen Radius – dieses lockere Ambiente ist extrem wertvoll.


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Tipp Symbolbild © AK Wien

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