Verluste bei den Handelsbeschäftigten
Der Mangel an Arbeitskräften spitzt sich zu. Derzeit gibt es über 20.000 offene Stellen im Handel. Viele Lehrstellen bleiben unbesetzt. Besonders der Lebensmitteleinzelhandel sucht nach Personal. Im Einzelhandel arbeitet jede zweite Arbeitskraft in Teilzeit, in der Mehrzahl Frauen und Personen mit Betreuungspflichten. Gerade im Handel ist der Frauenanteil mit 58 Prozent deutlich größer als in anderen Branchen. „Der Handel ist nicht unbedingt familienfreundlich. Die Attraktivität des Handels ist aufgrund der Arbeitszeiten oft nicht gegeben. Deshalb fordern wir, der Personalknappheit entgegenzuwirken“, sagt der GPA-Vorsitzende des Wirtschaftsbereichs Handel und Betriebsrat, Martin Müllauer. Dafür brauche es bessere Arbeitsbedingungen für Handelsbeschäftigte, insbesondere mehr Arbeitszeitqualität.
„Planbare Arbeitszeiten, die Einführung von 5- statt 6-Tage-Wochen und die sechste Urlaubswoche als ‚Zuckerl’ sind das, was die Beschäftigten brauchen. Das würde dazu beitragen, dass sich Menschen leichter entscheiden, ein Jobangebot aus einem Handelsbetrieb anzunehmen. Wilde Attacken gegen die Beschäftigten im Handel, wie Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will das kürzlich machte, sind aufs schärfste zurückzuweisen und tragen – so wie geteilte Dienste und Arbeit bis mitunter 21 Uhr – nicht zur Attraktivität des Handels bei."
Mehr Rechte erwünscht
Die IFES-Studie zeigt: Handelsbeschäftigte wünschen sich die Achtung ihrer Rechte durch den Arbeitgeber. „Im Kollektivvertrag stehen immer gewisse schöne Dinge, aber in der Realität sieht das anders aus“, so Martin Müllauer, der Betriebsratsvorsitzender von Morawa Bucheinzelhandel ist. Er verweist auf die Schwarz-Weiß-Regelung, die vorsieht, dass Handelsangestellte jeden zweiten Samstag frei haben müssen. Beim aktuellen Personalmangel ist die Realität eine andere. Beschäftigte hören immer wieder: ‚Kannst du am Samstag einspringen?’ Müllauer: „Viele machen aus Kollegialität einen dritten Samstagsdienst, obwohl sie es rechtlich nicht dürfen. Die Kollegialität ist aber auch etwas, wo der Arbeitgeber die Kolleg:innen oft ausspielt.“
Der Druck steigt
Besonders aus dem Lebensmittelhandel berichten Betriebsrät:innen häufig, dass von Beschäftigten erwartet wird, laufend Überstunden zu machen und kurzfristig einzuspringen. Mehr als zwei Drittel spürt über die letzten zwei Jahre einen immer größer werdenden Druck. „Wie hoch der Druck auf die Handelsbeschäftigten ist, zeigt sich auch an der hohen Anzahl an Anfragen in unserer Arbeitsrechtsberatung“, sagt Renate Anderl. Die Differenz zwischen Wunscharbeitszeit und tatsächlich geleisteter Arbeitszeit wird immer größer: Immer mehr Vollzeitarbeitskräfte wollen weniger arbeiten als noch vor der Pandemie.
Handel bei gesundheitlichen Belastungen ganz oben
„Was die Beschäftigten jeden Tag von A nach B schleppen, ist ein Irrsinn. Je älter sie sind, desto schwieriger ist es, gewisse körperliche Leistung zu bringen“, so Martin Müllauer. Schlechte Gesundheitsbedingungen sind vor allem im KFZ-Bereich zu beobachten. Laut der Studie von Wifo und IFES haben gesundheitliche Belastungen zugenommen, vor allem durch schwere körperliche Anstrengung, langes Stehen und künstliches Licht. Handelsbeschäftigte leiden oft an Schmerzen im Rücken und in den Beinen sowie an Ermüdungserscheinungen. Psychischer Stress, Nicht-Abschalten-Können und Depressivität steigen im Handel höher als in anderen Branchen.