Adi Buxbaum: Als langjähriger Beobachter von Debatten zum Sozialstaat hatte ich schon länger den Anspruch, neoliberale Verschiebungen von Diskursen und Budgets kompakt aufzubereiten. Hält man sich die soziale Krise und die bestehenden Schieflagen vor Augen, könnte man zuspitzen: Die Sozial- und Wirtschaftspolitik haben die richtige Peilung verloren und greifen seit einiger Zeit die Fundamente des Sozialstaats an. Verpeilen kann ja passieren, aber stetig auf eine soziale Krise zuzugehen, das gilt es zu vermeiden und das Leben der Vielen besser und leichter zu machen.
Adi Buxbaum: Die Bundesregierung führt einen Familien-„Bonus“ ein. Klingt gut, aber der kommt speziell nur Besserverdienenden zugute – die strukturellen Defizite etwa bei den fehlenden Kinderbetreuungsplätzen bleiben hingegen bestehen. Auch die proklamierte „Patientenmilliarde“ war am Ende nur ein medial gehypter Anschlag auf die sozialen Rechte der Vielen. Für mich ist augenscheinlich: Jeder Angriff auf die sozialen Rechte beginnt zuerst in Debatten und moralischen Grenzverschiebungen, vor allem im Umgang mit den materiell Schwächsten in der Gesellschaft. Am Ende sollten dann Budgetkürzungen auch nicht überraschen. Viele harmlos wirkende Narrative führen am Ende zu Sozialabbau. Das möchte ich mit dem Buch auch aufzeigen.
Adi Buxbaum, AK Wien
Adi Buxbaum: Es sind viele, insbesondere dass mit viel Zynismus das Arbeits- und Sozialrecht beschnitten wird. Diese Kaltherzigkeit ist unerträglich. Wir sehen die Folgen tagtäglich in der AK in Beratungen: Tausende Schicksale sind von Einschnitten oder Unterversorgung im Sozialstaat betroffen. Das Bitterste ist die Ungleichheit in der Gesellschaft, das beschreibe ich ausführlich in meinem Buch. Die Debatte zu den Schieflagen sollte daher prägnanter geführt werden. Sonst sind die Beharrungskräfte für den ungerechten Status quo wohl ausgeprägter.
Adi Buxbaum: Gerade beim Verhaltensökonomen Kocher war das ja kein Zufall. Wer ein neoliberales Weltbild hat und absurde „Anreiz“-Debatten führt, die vermeintlich unaufgeregt auf Leistungskürzungen von Arbeitsuchenden und Familien abzielen, strebt nicht nach einem besseren Sozialstaat.
Adi Buxbaum: Die Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft ist sehr wohl positiv gestaltbar. Gerade die Sozialpolitik sehe ich immer als Teil der Lösung. Das „Tina-Prinzip“, also „There is no alternative“, das ich im Buch zerlege, ist somit ein Killerargument. Ich bin im „ABC des Unsozialen“ keiner politischen Partei gegenüber nachsichtig und ich richte meine Kritik vorrangig an die politische Gegenwart, aber auch an die Vergangenheit.
Adi Buxbaum: Wir haben seit Jahren keinen umfassenden „Sozialbericht“ für Österreich. Nicht hinzuschauen, löst keine sozialen Probleme! Wir brauchen wieder ein gutes Datenfundament und eine Politik, die den Anspruch hat, das Leben der Menschen zu verbessern. Mit einer guten sozialen Absicherung öffnen wir für mehr Menschen Gelegenheitsfenster, speziell in der Bildung, Kinderbetreuung und Pflege. Auf die Ellbogen in der Gesellschaft können wir dabei gerne verzichten.
Adi Buxbaum: Interessant ist, was manche aus Statistiken ableiten und argumentiert wird, die Sozialausgaben wären so stark gestiegen. In absoluten Zahlen sind sie gestiegen, ebenso wie die Preise gestiegen sind. Aber im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung hatten wir in Österreich über ein Vierteljahrhundert eine stabile Sozialquote von 27 bis 30 Prozent. Nach dem Höchststand 2020 aufgrund der Pandemie ist auch der Ausblick wieder stabil.
Was sie sagen, was sie meinen
Adi Buxbaum
ÖGB-Verlag / 2023 / 164 Seiten
ISBN: 978-3-99046-650-6 / Euro 24,90
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