Ökonom Adi Buxbaum mit seinem neuen Buch "ABC des Unsozialen" © Lisi Specht
Interview

 Kein X für ein U vormachen lassen

Im „ABC des Unsozialen“ zerlegt Ökonom Adi Buxbaum neoliberale Frames. Und er diskutiert Alternativen, die ein gutes Leben für alle ermöglichen. 
Heike Hausensteiner
21.02.2023

AKtuell: Warum hast du dieses Buch geschrieben?

Adi Buxbaum: Als langjähriger Beo­bach­ter von Debatten zum Sozialst­aat hatte ich schon länger den Anspruch, neo­liberale Ver­schie­bungen von Dis­kursen und Budgets kompakt aufzubereiten. Hält man sich die soziale Krise und die be­stehen­den Schief­lagen vor Augen, könnte man zu­spitzen: Die Sozial- und Wirtschafts­politik haben die rich­tige Peilung verloren und greifen seit einiger Zeit die Funda­mente des Sozial­staats an. Ver­peilen kann ja passieren, aber stetig auf eine soziale Krise zuzu­gehen, das gilt es zu vermeiden und das Leben der Vielen besser und leichter zu machen.


AKtuell: Zum Beispiel?

Adi Buxbaum: Die Bundes­regierung führt einen Familien-„Bonus“ ein. Klingt gut, aber der kommt speziell nur Besser­ver­dienen­den zugute – die struk­turellen Defi­zite etwa bei den fehlenden Kinder­betreuungs­plätzen bleiben hingegen bestehen. Auch die prokla­mierte „Patienten­milliarde“ war am Ende nur ein medial gehypter Anschlag auf die sozia­len Rechte der Vielen. Für mich ist augen­schein­lich: Jeder An­griff auf die sozia­len Rechte beginnt zuerst in Debatten und mora­li­schen Grenz­ver­schiebungen, vor allem im Um­gang mit den materiell Schwächsten in der Gesell­schaft. Am Ende sollten dann Budget­kür­zun­gen auch nicht überraschen. Viele harmlos wirkende Narrative führen am Ende zu Sozial­abbau. Das möchte ich mit dem Buch auch aufzeigen.

"Die Sozial- und Wirt­­schafts­po­li­tik ha­ben die rich­ti­ge Pei­lung ver­lo­ren und grei­fen seit ei­ni­ger Zeit die Fun­da­men­te des So­zial­staats an."

Adi Buxbaum, AK Wien

AKtuell: Welche Frames ärgern dich am meisten?

Adi Buxbaum: Es sind viele, ins­beson­dere dass mit viel Zynismus das Arbeits-­ und Sozial­recht beschnitten wird. Diese Kalt­herzig­keit ist unerträglich. Wir sehen die Folgen tag­täglich in der AK in Beratungen: Tausende Schicksale sind von Ein­schnitten oder Unterversorgung im Sozial­staat betroffen. Das Bitterste ist die Un­gleich­heit in der Gesell­schaft, das beschreibe ich aus­führlich in meinem Buch. Die Debatte zu den Schief­lagen sollte daher präg­nanter geführt werden. Sonst sind die Be­harrungs­kräfte für den ungerechten Status quo wohl aus­ge­präg­ter.


AKtuell: Wirtschafts-­ und Arbeits­minister Martin Kocher hat über Kürzungen von Sozial­leis­tun­gen bei Teil­zeit-Be­schäf­tig­ten laut nach­ge­dacht. 

Adi Buxbaum: Gerade beim Ver­haltens­ökonomen Kocher war das ja kein Zufall. Wer ein neo­li­bera­les Welt­bild hat und ab­surde „Anreiz“-Debatten führt, die ver­meint­lich unaufgeregt auf Leis­tungs­kürzungen von Arbeit­suchen­den und Familien abzielen, strebt nicht nach einem bes­seren Sozial­staat.


AKtuell: Gäbe es ein Schatten­kabinett, welche Pflöcke müsste statt­dessen der oder die Ressort-­Verant­wort­liche ein­schlagen?

Adi Buxbaum: Die Zu­kunft von Wirt­schaft und Gesell­schaft ist sehr wohl positiv gestalt­bar. Gerade die Sozial­politik sehe ich immer als Teil der Lösung. Das „Tina-Prinzip“, also „There is no alternative“, das ich im Buch zerlege, ist somit ein Killer­argument. Ich bin im „ABC des Unsozialen“ keiner politi­schen Partei gegen­über nach­sich­tig und ich richte meine Kritik vor­rangig an die poli­tische Gegen­wart, aber auch an die Ver­gan­gen­heit.


AKtuell: Was müsste konkret getan werden?

Adi Buxbaum: Wir haben seit Jahren keinen umfassenden „Sozialbericht“ für Österreich. Nicht hinzuschauen, löst keine sozialen Probleme! Wir brauchen wieder ein gutes Datenfundament und eine Politik, die den Anspruch hat, das Leben der Menschen zu verbessern. Mit einer guten sozialen Absicherung öffnen wir für mehr Menschen Gelegenheitsfenster, speziell in der Bildung, Kinderbetreuung und Pflege. Auf die Ellbogen in der Gesellschaft können wir dabei gerne verzichten.


AKtuell: Wie sieht das mit der Fi­nan­zier­bar­keit aus?

Adi Buxbaum: Interes­sant ist, was manche aus Statis­tiken ab­leiten und argu­men­tiert wird, die Sozial­aus­gaben wären so stark ge­stiegen. In abso­luten Zahlen sind sie ge­stie­gen, ebenso wie die Preise ge­stiegen sind. Aber im Verhältnis zur Wirt­schafts­leis­tung hatten wir in Österreich über ein Viertel­jahr­hun­dert eine stabile Sozial­quote von 27 bis 30 Prozent. Nach dem Höchst­stand 2020 aufgrund der Pan­de­mie ist auch der Aus­blick wieder stabil.


Buchtipp

Buchcover ABC des Unsozialen © ÖGB Verlag

ABC des Unsozialen

Was sie sagen, was sie meinen

Adi Buxbaum
ÖGB-Verlag / 2023 / 164 Seiten
ISBN: 978-3-99046-650-6 / Euro 24,90

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