Es sind zwei Ursachen, die dazu führen, dass Beschäftigten, die in den Jahren 2023 bis 2025 in Pension gehen, hohe Pensionsverluste drohen. Die eine Ursache nennt sich „Verzögerte Aufwertung im Pensionskonto“, die andere Ursache trägt im Fachjargon den Namen „Aliquotierung der Pensionsanpassung“. Beide wirken sich bei der hohen Teuerung nachteilig auf die Pensionshöhe aus und beide verstärken einander in ihren negativen Folgen, sodass für Neuzugänge in die Pension Verluste von bis zu 13 Prozent drohen. Doch was steckt hinter den beiden Begriffen? Und wie lassen sich die Verluste in Grenzen halten?
Alexander Pasz, Jurist in der Abteilung Sozialversicherung in der AK Wien
Im Pensionskonto erhält man nach 45 Versicherungsjahren 80 Prozent des wertgesicherten durchschnittlichen Lebenseinkommens. Frau Hellers durchschnittliches Einkommen lag bei 2.000 Euro brutto, das ergibt nach 45 Jahren 1.600 Euro an Pension. „Bei einem Pensionsantritt 2023 bekommt Frau Heller wegen der verzögerten Aufwertung statt 1.600 Euro nur mehr 1.515 Euro, 2024 gar nur mehr 1.477 Euro“, rechnet Pasz vor.
Damit die Teuerung nicht die Pension im Laufe der Jahre auffrisst, erfolgt jährlich eine Pensionsanpassung. Das bedeutet, dass die Pensionen jeden Jänner um die durchschnittliche Inflation zwischen dem August des zweitvorangegangenen Jahres und dem Juli des vorangegangenen Jahres erhöht werden. Im ersten Jahr nach dem Pensionsantritt erhalten Pensionist:innen aber – abhängig von ihrem Stichtag – nur eine „aliquotierte“, sprich anteilige Pensionsanpassung. „Wer im Jänner 2023 in Pension gegangen ist, erhält 2024 die volle Pensionsanpassung. Wer im Februar geht, erhält nur neun Zehntel der Anpassung, wer im März geht, acht Zehntel und so fort. Wer im November oder im Dezember 2023 in Pension geht, erhält 2024 überhaupt keine Pensionsanpassung. Zudem erfolgen alle Folgeanpassungen von der minderangepassten Pension. In Zeiten einer hohen Teuerung verstärken sich die Verluste dieser jenseitigen Regelung“, sagt Pasz.
Tritt Frau Heller ihre Pension im Jänner 2023 an, wird ihre Pension im Jänner 2024 um die volle Teuerung erhöht. Wir nehmen eine Inflationsrate von neun Prozent an. Ihre Pension steigt von 1.515 Euro auf 1.651,35 Euro. Geht Frau Heller im November oder Dezember 2023 in Pension, erhält sie null Euro Anpassung im Jahr 2024. Ein Verlust, der sich lebenslang auf die Pensionshöhe niederschlägt.
Frau Heller erhält statt der erwarteten Pension von 1.600 Euro beim Pensionsantritt 2023 nur 1.515 Euro. Weil sie erst im November 2023 in Pension gehen kann, fällt sie zudem 2024 auch um die Anpassung der Pension um und erhält bis Ende 2024 nur eine Pension in Höhe von 1.515 Euro. Ohne verzögerte Aufwertung der Pensionsgutschrift hätte sie bereits beim Pensionsantritt 1.600 Euro erhalten, ohne Aliquotierung der Pensionsanpassung würde die Pension 2024 auf 1.744 Euro steigen. Die beiden Mängel im Pensionssystem führen für Frau Heller zu einem monatlichen Verlust von 229 Euro. „Wenn wir davon ausgehen, dass Frau Heller 24 Jahre als Pensionistin verbringen wird, ergibt das einen Gesamtverlust von rund 77.000 Euro für die Frau“, sagt Pasz.
Alexander Pasz, Jurist in der Abteilung Sozialversicherung in der AK Wien
Betroffen von diesen Ungerechtigkeiten sind alle Pensionsarten und Pensionssysteme der gesetzlichen Pensionsversicherung. „Besonders schlimm ist, dass Frauen, die meist ohnehin eine niedrigere Pension haben, von den Kürzungen ab 2024 besonders stark betroffen sein werden“, sagt Pasz. Denn ab 2024 wird das Regelpensionsalter für Frauen schrittweise an jenes der Männer angeglichen, bis 2033 steigt es von 60 auf 65 Jahre. Die jährliche Anhebung um ein halbes Jahr erfolgt zu Jahresbeginn, sodass sich die Pensionsantritte der Frauen in den kommenden zehn Jahren jeweils auf die zweite Jahreshälfte konzentrieren werden. Dadurch werden besonders Frauen die Leidtragenden der Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung sein.
Auch Beschäftigten, die ihren Pensionsantritt aufschieben und über das gesetzliche Antrittsalter hinaus arbeiten, droht eine böse Überraschung: Die Pension kann aufgrund der verzögerten Aufwertung niedriger ausfallen als bei einem früheren Pensionsantritt. „Das steht völlig im Widerspruch zum Ziel, den späteren Pensionsantritt zu fördern“, sagt Pasz.
Beide Problemlagen lassen sich beheben, sofern der politische Wille dazu vorhanden ist. „Die Aliquotierung bei der Pensionsanpassung gehört abgeschafft. Unabhängig davon, ob man im Jänner, Juli oder Dezember in Pension geht, soll die Pension im Folgejahr entsprechend der Teuerung erhöht werden. Die Höhe der Pension darf nicht vom Geburtsmonat abhängen“, sagt Pasz. Als zweites will die AK, dass für die Aufwertung der Pensionsgutschriften eine Schutzklausel eingeführt wird. Sie soll sicherstellen, dass die Aufwertung der Kontogutschrift vor Pensionsantritt zumindest im Ausmaß der Inflationsrate erfolgt.
Nach Schätzung der AK sind von den Verlusten jährlich 100.000 Personen betroffen, in den nächsten drei Jahren insgesamt rund 300.000. Wichtig ist es abzuwarten und keine übereilten Schritte zu setzen, weil mit höheren Pensionsverlusten erst in der zweiten Jahreshälfte zu rechnen ist. Der Sozialminister hat zudem eine Reparatur in Aussicht gestellt. Unklar ist, wann und in welcher Weise diese Reparatur erfolgen wird. Die AK ist bemüht, die Bundesregierung zu einer möglichst zeitnahen Klarstellung zu bewegen, um für die Betroffenen Rechtssicherheit zu schaffen. Deshalb ist es wichtig, sich rechtzeitig zu informieren.
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