Fahrradbote steht vor Skyline © oneinchpunch, stock.adobe.com
Riders on the Storm

Neue Studie zu Arbeits­beding­ungen von Fahrrad­bot:innen in Österreich

Wer radelt so schnell durch Nacht und Wind? Es sind die Fahrradbot:innen mit deinem Burger aus Brot und Rind. Im Rahmen einer aktuellen Studie wurden Fahrradbot:innen in Österreich zu ihren Arbeitsbedingungen befragt.

Oliver Piller
03.10.2022
in diesem artikel

    Studienpräsentation mit spannender Diskussion

    Im Roten Bogen, bei der U6-Station Josefstädter Straße in Wien, finden sich täglich Dutzende Fahrradbot:innen (Rider) ein. Dort hat das sogenannte Riders Collective
    sein Hauptquartier aufgeschlagen. Die Rider mit ihren bunten Jacken und Rucksäcken haben hier einen Ort für Pausen, zum Informationsaustausch
    und für kleine Reparaturen an ihren Fahrrädern. Es ist ein zentraler Ort für gewerkschaftliche Organisation in der Branche.

    Robert Walasinski, Riders Collective © Oliver Piller
    © Oliver Piller
    Robert Walasinski, Riders Collective

    Bei einer Studienpräsentation zu den Arbeitsbedingungen von Fahrrad­zusteller:innen (siehe Box) und anschließender Podiumsdiskussion mischten sich auch Forscher:innen und Journalist:innen zwischen die Rider. Neben Vertreter:innen des Riders Collective, des Forschungsinstituts ECSWPR und dem Digi-Fonds der AK Wien diskutierten die Betriebsrät:innen von mjam und Lieferando sowie der Presse­sprecher von Lieferando am Podium über die Ergebnisse der Studie.

    Gleiche Rechte

    In der Branche der Fahrradbot:innen sticht eines sofort hervor: die unterschiedlichen Arbeitsverhältnisse – und das sogar von Firma zu Firma unter­schiedlich. Während bei einem Unternehmen die Rider durchgängig mit ordentlichem Dienstvertrag beschäftigt sind, arbeiten beim nächsten die Mehrheit als freie Dienstnehmer:innen. Das Problem hierbei ist unterm Strich die unter­schiedliche Entlohnung. Der Kollektivvertrag setzt einen Mindestlohn von 9,21 Euro pro Stunde plus Kilometergeld fest. Doch dieser gilt nicht für freie Dienst­nehmer:innen. Im Durchschnitt stehen sie, verglichen mit ihren angestellten Kolleg:innen, schlechter da. Ein Angleichen der Arbeitsverhältnisse soll nicht nur eine gerechte Entlohnung für alle Rider schaffen, sondern auch die gewerkschaftliche Vertretungsarbeit verbessern.


    "Es braucht ordentliche Beschäfti­gungs­verhältnisse, damit alle nach den gleichen Regeln spielen."

    Robert Walasinski, Riders Collective

     

    gut zu wissen

    Was ist das Riders Collective?

    Das Riders Collective ist eine Initiative des ÖGB gemeinsam mit Fahrradbot:innen, um in der Branche die Rider zu organisieren und sie über ihre Rechte zu informieren. Das Kollektiv ist von Montag bis Freitag im Roten Bogen einquartiert, wo Rider sich austau­schen und beraten lassen können. www.riderscollective.at

    Adele Siegl, Betriebsratsvorsitzende mjam © Oliver Piller
    © Oliver Piller
    Adele Siegl, Betriebsratsvorsitzende mjam

    Ein Job wie jeder andere

    Entgegen der verbreiteten Annahme, die Rider seien hauptsächlich studierende Fahrradfreaks, zeigen die Studienergebnisse ein anderes Bild. Lediglich ein Drittel der Befragten absolviert momentan ein Studium. Mehr als die Hälfte der Fahrradbot:innen steht momentan in keinem Ausbildungsverhältnis, arbeitet bereits mehr als zwölf Monate in der Branche und bezieht den Lohn als Haupteinnahmequelle. Ein Drittel der Rider hat einen österreichischen Pass, ein Drittel kommt aus EU-Mitgliedsländern und ein weiteres Drittel sind Drittstaatsangehörige.


    "Für manche ist es ein Über­brück­ungs­job. Doch auch sie müssen sozial- und arbeits­recht­lich gut ab­gesichert sein."

    Adele Siegl, Betriebs­rats­vor­sitz­ende mjam


    Hartes Pflaster

    Einige der Rider haben schon Bekanntschaft mit dem harten Wiener Asphalt gemacht. Die Gefahren im Straßenverkehr sind tägliche Begleiterinnen der Zusteller:innen. Darüber hinaus gehören Drohungen und Beleidigungen ebenso zum Alltag. Speziell weibliche Rider sind vermehrt von sexueller Belästigung und beleidigendem Verhalten betroffen. Hier gibt es noch einigen Verhandlungsbedarf bei den Sozialpartnern, um einen adäquaten Rahmen für Sicherheits- und Gesundheitsthemen zu schaffen.

    Toni Pravdic, Betriebsratsvorsitzender Lieferando © Oliver Piller
    © Oliver Piller
    Toni Pravdic, Betriebsratsvorsitzender Lieferando

    Die Rolle der Gewerkschaft

    Die Befragten haben durchwegs ein positives Bild der Gewerkschaft. Sie wird insbesondere bei der generellen Interessenvertretung, bei der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und den Lohnverhandlungen als zentral angesehen. Dennoch ist für die ­Gewerkschaft das Gewinnen neuer Mitglieder in der Branche schwierig. Die beiden Hauptgründe, warum Rider noch nicht der Gewerkschaft beigetreten sind, sind vergleichbar mit anderen Branchen: Fehlendes Wissen über und mangelnder Kontakt zu den Gewerkschaften spielen hier bei rund der Hälfte der Befragten die ausschlaggebende Rolle. Das Potenzial für eine stärkere Organisierung der Branche ist demnach durchaus vorhanden. 


    "Gewerkschaften und Betriebs­rat zu erklären ist schwierig. Durch zahl­reiche Einzel­gespräche gewinnen wir neue Mitglieder."

    Toni Pravdic, Betriebsratsvorsitzender Lieferando


     

    Die Studie

    Studie "Essens­­zu­steller­:innen in Österreich" zum Download

    In der Studie werden die Ergebnisse 
    des ­Forschungsprojekts „Arbeitnehmer*innen-Vertretung in der Gig-Economy – ­Erfahrungen von Fahrradzu­steller*innen in Österreich“ präsentiert. Sie wurde vom AK-Digi-Fonds gefördert und u. a. vom ÖGB, dem Riders Collective und dem ETUI unterstützt.
    Hier geht's zur Studie

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