7,2 % betrug die Inflationsrate im April 2022. Sie misst den Anstieg der Preise für den Warenkorb eines Haushalts mit durchschnittlichem Verbrauch gegenüber dem Vorjahr. Bei einzelnen Gütern und Dienstleistungen ist die Teuerung viel höher. Sie betrug zuletzt bei Gas 71 %, bei Treibstoffen 50 % und bei Strom 16 %. Die Inflation ist von hohen Energiepreisen bestimmt, doch nach und nach werden auch andere Produkte teurer, etwa Nahrungsmittel (zuletzt +6 %).
In jeder Wirtschaftskrise gibt es Verlierer und Gewinner, so auch beim Energieschock. Es profitieren arabische Länder, Russland und andere, die fossile Brennstoffe erzeugen. Es profitieren Unternehmen wie der niederländische Öl- und Gasmulti Shell, der seinen Gewinn im ersten Quartal 2022 noch einmal um ein Viertel auf 7 Milliarden Euro steigern konnte. Die Aktionär:innen feiern. Auch in Österreich, wo die OMV ihren operativen Gewinn im ersten Quartal 2022 auf 2,671 Milliarden Euro verdreifachte.
Rekordhohe Strompreise sorgen für Milliardengewinne bei Energieversorgern, die den Strom mit Wasser, Wind oder Sonne produzieren, welche nicht teurer geworden sind. Der Verbund hat seinen operativen Gewinn im ersten Quartal auf 700 Millionen Euro mehr als verdreifacht, ähnliches gilt wohl für andere Energieversorger mit hohem Wasserkraftanteil und auch die Windparks, die das aber unter der Wahrnehmungsschwelle der Öffentlichkeit halten.
Im Energiesektor explodieren Gewinne und Preise auf Kosten der Verbraucher:innen. Der Staat muss eingreifen, indem er Preise deckelt und Übergewinne abschöpft. Und zwar nicht nur bei teilstaatlichen, sondern bei allen Unternehmen mit ungerechtfertigten und volkswirtschaftlich schädlichen Übergewinnen.
Mit 1. April stiegen Kategorie- und Richtwertmieten um 5,8 %, weil sie an die Inflationsrate gebunden sind. Die hohen Energiepreise belasten so die Mieter:innen zuerst über die Energierechnung und dann noch einmal über die automatische Mieterhöhung: Eine ungerechte Umverteilung zu den Zinshausbesitzer:innen. Auch das befeuert die Gewinn-Preis-Spirale.
Für die breite Masse wird die Kaufkraft vor allem über den Kollektivvertrag erhalten. Ohne Gewerkschaften und Betriebsrat gibt es keinen Teuerungsausgleich. Wer könnte auf sich allein gestellt eine Lohnerhöhung von nahezu 5 % und für untere Lohngruppen sogar 7 % erreichen, wie sie zuletzt in der Elektro- und Papierindustrie gelungen ist?
Markus Marterbauer, AK Wien
Manche Einkommen werden jedoch nicht über Kollektivverträge verhandelt, und das trifft die Ärmsten: Für prekär Beschäftigte, Arbeitslose, Alleinerziehende und Mehrkindfamilien machen die Kosten von Energie und Wohnen mehr als ein Drittel der Ausgaben aus. Das Arbeitslosengeld mit durchschnittlich 1.027 Euro, die Sozialhilfe mit höchstens 978 Euro und die Mindestpension mit 1.141 Euro liegen weit unter der Armutsgefährdungsgrenze von 1.328 Euro.
Doch bereits vor dem Energiepreisschock konnten sich 63 % der Arbeitslosen eine unerwartete Ausgabe von 1.300 Euro nicht leisten, 61 % keinen einwöchigen Urlaub, 27 % konnten sich und ihrer Familie keine Kleinigkeit gönnen. Das sind erschreckende Zahlen.
Wir haben Armut in einer der reichsten Gesellschaften der Welt. Nichts ist dringlicher, als den Sozialstaat armutsfest zu machen und die unteren sozialen Netze enger zu knüpfen.