Gender Pay Gap dargestellt mit einem Symbol für einen Mann, der vor vielen Münzen und einem Symbol für Frauen, die vor wenigen Münzen steht. © AdobeStock_Prostock-studio
Gender Pay Gap

Einkommensberichte, die wirken

Die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern hat sich verkleinert. Ein Grund zur Freude – oder nicht? Und wie kann man im Betrieb eine faire Entlohnung vorantreiben?
Martina Fassler
17.11.2022
in diesem Artikel

    Equal Pay Day - Anlass das Werkzeug des Einkommensberichts unter die Lupe zu nehmen


    Am 30. Oktober ist heuer der Equal-Pay Day. Ab diesem Tag bis zum Jahresende arbeiten Frauen gratis, wenn man ihr Einkommen mit jenem der Männer vergleicht. Vergangenes Jahr fand der Equal-Pay Day noch eine Woche früher statt, denn die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern hat sich verkleinert. AKtuell hat mit der Ökonomin Katharina Mader aus der Frauenabteilung der AK Wien gesprochen. Sie erklärt, weshalb die eine Woche früher kein Grund zum Jubeln ist und wie der Betriebsrat das Werkzeug des Einkommensberichts nutzen kann, um im Betrieb Verbesserungen anzustoßen.


    Katharina Mader, Frauenabteilung der AK Wien zum Thema Gender Pay Gap und Einkommensbericht © Lisi Specht
    © Lisi Specht
    Katharina Mader, Frauenabteilung der AK Wien

    Was die Zahlen sagen

    Vorneweg: Der Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern ging von 2019 auf 2020, dem Jahr aus dem die aktuellen Daten stammen, zurück. Frauen verdienten in der Privatwirtschaft 2020 um 18,9 Prozent brutto pro Stunde weniger als Männer. Der Rückgang des Gender Pay Gap war im Vergleich zur Entwicklung der vorangehenden Jahre durchaus beträchtlich. Trotzdem führen die Zahlen nicht zu lauten Jubelrufen – und das aus zwei Gründen. 


    Österreich gehört nach wie vor innerhalb der EU zu den Ländern mit den größten Einkommensunterschieden zwischen Frauen und Männern. „Wir sind die Drittletzten - nur Lettland und Estland stehen noch schlechter da“, erklärt Katharina Mader. Zudem hat sich die Einkommensschere von 2019 auf 2020 nicht verringert, weil es für die Frauen besser wurde; sondern vielmehr deshalb, weil sich die Einkommenssituation für viele Menschen verschlechtert hat. 


    Geringerer Einkommensunterschied „dank“ Krise

    Zurückzuführen ist das auf die Struktur unseres Arbeitsmarktes. „Immer wenn die Arbeitslosigkeit steigt, sinkt der Gender Pay Gap, weil die schlecht bezahlten Jobs als erstes wegfallen“, nennt Katharina Mader die Ursache für die Entwicklung. Von der Corona-Krise besonders stark betroffen waren viele Dienstleistungsberufe, in denen mehrheitlich Frauen arbeiten. So gingen zum Beispiel im Hotel- und Gastgewerbe viele gering entlohnte Jobs von Frauen verloren. Frauen mit besser entlohnten Tätigkeiten in anderen Branchen blieben am Arbeitsmarkt.  Zusätzlich wurden in der Hochphase der Pandemie insgesamt weniger Überstunden geleistet, was Männer stärker betraf als Frauen. Auch die Kurzarbeit führte zu Lohneinbußen in den betroffenen Branchen.


    „Unser Ziel ist natürlich, dass die Einkommensschere aus einem anderen Grund kleiner wird. Nämlich dadurch, dass die Fraueneinkommen steigen“, sagt Mader. Und dafür ist es entscheidend, auf Betriebsebene Ungerechtigkeiten und Ungereimtheiten aufzuspüren, die zur schlechteren Bezahlung der Frauen führen. 

    „Toolbox Einkommensbericht“ – endlich ist sie da

    Rechtzeitig vor dem Equal Pay Day online gegangen ist die aktualisierte „Toolbox Einkommensbericht“ des Bundeskanzleramts, an der Expert:innen von AK und ÖGB maßgeblich mitgearbeitet haben.  Die Toolbox, die als Website und als Ratgeber (Download) verfügbar ist, zeigt, wie der Einkommensbericht aussagekräftiger gestaltet werden kann. Unternehmen mit mehr als 150 Beschäftigten müssen alle zwei Jahre einen Einkommensbericht erstellen, um die Einkommensschere zwischen Frauen und Männern im Betrieb zu erheben. 

     
    Doch so, wie das beim Zahlenwerk für ganz Österreich gilt, ist das auch auf Betriebsebene. „Wer den Kontext außen vor lässt oder sich nur mit einer Minimalversion begnügt, bekommt ein ungenaues Zahlenwerk, das wenig aussagekräftig ist“, sagt Mader. 


    Infografik Gender-Pay-Gap in Österreich © AKtuell. Quelle: Eurostat
    Ein mühevoller Weg zur Fairness © AKtuell. Quelle: Eurostat

     

    „Die Er­geb­nis­se des Ein­kom­mens­be­richts kön­nen ein gu­ter Start­punkt sein, Ein­kom­mens­ge­rech­tig­­keit an­zu­­gehen."

    Katharina Mader, Frauenabteilung AK Wien

    Betriebsrat als Gestalter

    Hier kommt der Betriebsrat als entscheidender Hebel ins Spiel. Denn das Betriebsratsteam kennt den Betrieb bestens von innen. Und es kann die Unternehmensleitung dazu auffordern und motivieren die Einkommensberichte so zu gestalten, dass sie etwas bewirken. Mit der Toolbox Einkommensbericht liegt dafür auch eine hilfreiche Anleitung vor.

    1. Daten erheben
      Schon beim Erheben der Daten listet die Toolbox wertvolle Tipps auf. Neben der absoluten Zahl der Beschäftigten in den Verwendungsgruppen werden etwa immer auch die Prozentanteile berechnet. Ebenso hilft es, nicht nur das Gesamtarbeitsentgelt anzugeben, sondern es in die Gehaltsbestandteile aufzugliedern.

    2. Ergebnis analysieren
      Warum befinden sich mehr Frauen oder Männer in einer Verwendungsgruppe? Ist die Tätigkeit einer Sekretärin mit der eines Haustechnikers vergleichbar? Die Toolbox zeigt, wie man Arbeitsplätze in einzelne Merkmale untergliedern kann, um ihre Wertigkeit zu vergleichen. Die Analyse nach Verwendungsgruppen kann auch Auskunft darüber geben, ob etwa in höher bewerteten Jobs vorwiegend Männer beschäftigt werden. Ist das so? Dann sollte dies ein Anstoß sein, um zu prüfen, ob Frauen und Männer im Unternehmen gleiche Aufstiegschancen haben.

    3. Reden, reden, reden
      Die Unternehmensleitung muss dem Betriebsrat den Einkommensbericht übermitteln. Der Betriebsrat sollte die Ergebnisse mit der Unternehmensleitung beraten – und auch die Beschäftigten informieren. Die Toolbox klärt darüber auf, wie das mit der Verschwiegenheitspflicht ist. Vorneweg: Betriebsintern können und sollen die Ergebnisse des Berichts sehr wohl mit den Kolleg:innen besprochen werden, denn der Einkommensbericht ist ja in anonymisierter Form zu erstellen, ohne dass daraus Rückschlüsse auf Einzelpersonen möglich ist.

       „Manchmal höre ich von Betriebsrät:innen, dass sie niemand auf das Thema Einkommen anspricht. Da heißt es oft als Begründung: Über Geld redet man nicht. Es ist aber wichtig, das Reden übers Einkommen zu normalisieren“, sagt Mader. Der Betriebsrat kann im Rahmen einer Betriebsversammlung die wichtigsten Ergebnisse des Einkommensberichts präsentieren. Ebenso könnte der Betriebsrat einen Folder zum Thema Einkommensgerechtigkeit verteilen, um den Beschäftigten zu verdeutlichen, dass sie sich mit Fragen an ihn wenden können. Auch AK, Gewerkschaft und Gleichbehandlungsanwaltschaft können zur Beratung des Einkommensberichts vom Betriebsrat eingebunden werden. Schließlich geht es darum, Handlungsfelder zu identifizieren, um die Gleichstellung voranzutreiben.

      Gegenüber der Unternehmensleitung bietet es sich an, die Analyse des Einkommensberichts in das Wirtschaftsgespräch einfließen zu lassen, um die Sichtweise auf die Zahlen abzugleichen und mögliche Handlungsfelder zu identifizieren.

    4. Handeln, damit es besser wird
      Ergab der Einkommensbericht eine ungleiche Vertretung von Frauen und Männern in bestimmten Bereichen? Dann sollten eventuell die Suchstrategien des Unternehmens, um Personal zu finden, überdacht werden. Schneiden die Männer bereits beim Einstiegsgehalt besser ab? Zwar ist eine niedrigere Einstufung einer weiblichen Bewerberin für die gleiche Arbeit gesetzlich verboten, in der Praxis kommt das aber vor.

      „Stellenanzeigen, die nicht nur ein Mindestgehalt anführen, sondern eine Bandbreite angeben, sind hier ein guter Ansatz, um bereits von Beginn an einer Entgeltdiskriminierung entgegenzuwirken. Studien belegen, dass Frauen im Bewerbungsgespräch ihre Gehaltsforderung höhen ansetzen, wenn sie abschätzen können, wieviel ein Unternehmen wirklich bereit ist zu zahlen“, sagt Mader. Auch bei weiteren Handlungsfeldern kann man – je nachdem, welche Auffälligkeiten festgestellt wurden – ansetzen. Maßnahmen im Bereich der Aus- und Weiterbildung etwa oder Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. 


    kontakte

    Tipp Symbolbild © AK Wien

    Beratung zur Toolbox Einkommensbericht

    Für Fragen und Unterstützung für Betriebsrät:innen rund um den Einkommensbericht stehen folgende Anlaufstellen von AK, ÖGB und Gewerkschaften zur Verfügung:

    - die Frauenabteilungen der Gewerkschaften
    - die ÖGB-Frauenabteilung (+43-1-53444-39042 / frauen@oegb.at)
    - die Abteilung "Frauen, Familien" der AK Wien (+43-1-501-12418 / FF@akwien.at)

    Einkommensbericht: Startpunkt für Betriebsvereinbarung

    Maßnahmen der betrieblichen Frauenförderung können in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden, ebenso Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Toolbox Einkommensbericht liefert dazu best practice Beispiele. „Die Ergebnisse des Einkommensberichts können ein guter Startpunkt sein, um gemeinsam zu sagen: Ja, gehen wir das Thema Einkommensgerechtigkeit ernsthaft an“, meint Mader.

    Engagierte Betriebsrät:innen, die die Einkommensgerechtigkeit thematisieren, könnten im Bemühen um mehr Lohntransparenz Rückenwind durch die EU erhalten. Die Verhandlungen von EU-Parlament, Rat und die Kommission über eine eigene Lohntransparenz-Richtlinie sind im Laufen.


    Webtipp

    Tipp Symbolbild © AK Wien

    Toolbox

    Toolbox für den Good Practice Einkommensbericht.

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