Grafik Gemeinsam mächtig - Gewerkschaftsschule © Lana Lauren
Gewerkschaft

Alt und gut: Die Gewerkschaftsschule

Abends neben dem Job zwei Jahre die Schul­bank drücken, wer tut sich das an? Zum Beispiel Menschen, die sich Wissen für die praktische Betriebs­rats­arbeit aneignen wollen. Für sie gibt es die Gewerk­schaftsschule. Zwei Absolvent:innen und eine Trainerin geben im AKtuell-Interview Ein­blicke in das Ausbildungs­programm. Der nächste Lehr­gang startet im Herbst. 

Theresa Goisauf
14.07.2023

75 Jahre trägt die Ausbildung bereits auf den Schultern. Die Gewerk­schafts­schule wurde 1926 gegründet und 1947 wieder eingerichtet. Sie ist eine der ältesten gewerk­schaftlichen Aus­bildungen in Österreich.  Heute ist die Gewerk­schafts­schule in allen österreichischen Bundes­ländern als Abend­lehrgang etabliert. Die Aus­bildung dauert zwei Jahre und findet an zwei Abenden pro Woche sowie einigen Wochen­enden statt. 

Der nächste Lehrgang für praktische Gewerk­schafts­arbeit startet Anfang September 2023 in Wien. Die Gewerk­schafts­schule ist kostenlos und für alle Betriebs­rät:innen, Personal­vertreter:innen und interessierten Gewerk­schafts­mitglieder offen. 



Elisabeth Klaus, Lehrgangscoach der Wiener Gewerkschaftsschule  © Markus Zahradnik
© Markus Zahradnik
„Betriebsrät:innen bekommen das nötige Handwerkszeug für ihre alltägliche Arbeit.“ Elisabeth Klaus, Lehrgangscoach der Wiener Gewerkschaftsschule



Thomas Stiller, Absolvent und Betriebsratsvorsitzender bei Dr. Richard Niederösterreich © Thomas Stiller
© Thomas Stiller
„Aus der Gruppendynamik kann ich viel für meine Betriebsratsarbeit mitnehmen", Thomas Stiller, Absolvent und Betriebsratsvorsitzender bei Dr. Richard Niederösterreich

Engagement zeigen

„Ich wollte unbedingt im Arbeits­recht fit werden, und das ist mir gelungen“, so Sarah Scheil, die den letzten Lehrgang absolvierte. Die Wiener Gewerkschafts­schule hat das Ziel, gewerkschafts­politische Arbeit und praktische Betriebsrats­arbeit zu unterstützen. Gewerkschafts­mitglieder können sich Wissen aneignen und an sich selbst wachsen. „Warum man diese zwei Jahre unbedingt durchziehen sollte, ist, um sich als Betriebs­rat zu stärken. Es ist ein wertvolle Zeit für jede:n, der:die sich weiter­entwickeln will“, rät die Absolventin.

Hand­werks­zeug aneignen

Das Programm reicht von Arbeits- und Sozial­recht, Gewerkschaftskunde, Wirt­schaft, Politik bis hin zur Stärkung der sozialen Kompetenzen. Die Teil­nehmer:innen lernen, wie sie Arbeit­nehmer: inneninteressen erfolg­reich durch­setzen und überzeugt für Demokratie eintreten. „Betriebsrät:innen bekommen das nötige Handwerkszeug für ihre alltägliche Arbeit: Wie berate ich meine Belegschaft? Wie verhandle ich mit der Geschäftsführung?“, so Elisabeth Klaus, die den Lehrgang als Coach begleitete.


Wissen und Netzwerk erweitern

Der Lehrgang gliedert sich in drei Säulen: Praktische Gewerkschaftsarbeit, Sachkompetenz und Soziale Kompetenz sowie weitere Module. Innerhalb der Module gibt es zum Beispiel einen EU-Workshop, der Sarah Scheil besonders überzeugte.  Absolvent Thomas Stiller schätzt die vielen Kontakte zu anderen Betriebsrät:innen und Referent:innen, die er gewonnen hat: „Es waren viele wertvolle Unterrichtseinheiten dabei. Das Netzwerk, das wir aufgebaut haben, ist für uns als Betriebrät:innen goldwert.“


Selbstsicher auftreten

Neben dem politischen Bewusstsein stärken die Teilnehmenden obendrauf ihr Selbstbewusstsein. „Als Lehrgangscoach habe ich wahrgenommen, wie sich die einzelnen Persönlichkeiten entwickelten. Selbst schüchterne Personen gingen nach den zwei Jahren aus sich heraus“, sagt Elisabeth Klaus. Besonders gefördert wird die persönliche Entwicklung im Modul Soziale Kompetenz, indem die Teilnehmer:innen lernen, wie sie präsentieren, Verhandlungen führen und Konflikte regeln. 


WEbtipp

Tipp Symbolbild © AK Wien

Gewerkschaftsschule: jetzt anmelden:

Die Anmeldung für den neuen Lehr­gang, der Anfang September im ÖGB in Wien startet, ist noch bis Ende August möglich. Die freien Plätze sind limitiert, melde dich hier gleich an.

Sarah Scheil, Absolventin und Betriebsratsvorsitzende beim Bildungszentrum Fonds Soziales Wien © Sarah Scheil
© Sarah Scheil
„Warum man diese zwei Jahre unbedingt durchziehen sollte, ist, um sich als Betriebsrat zu stärken." Sarah Scheil, Absolventin und Betriebsratsvorsitzende beim Bildungszentrum Fonds Soziales Wien

Aus der Praxis für die Praxis

Unter dem Motto „Aus der Praxis – für die Praxis“ lebt die Gewerkschafts­schule von den Er­fahrungen der Teil­nehmer:innen, die sie aus ihrem Alltag und ihrer Lebens­welt mitnehmen. „Wenn zum Beispiel ein Problem in der Firma auftaucht, kann das abends gleich diskutiert und darüber beraten werden“, erzählt Elisabeth Klaus. Die Trainer:innen kommen aus dem ÖGB, Gewerk­schaften, den Arbeiterkammern, unterschiedlichen Betrieben, öffentlichen Institutionen und Nicht­regierungs­organisationen. 


Inter­aktives Lernen 

Was den inter­aktiven Lehr­gang auszeichnet, ist die methodische Vielfalt, die von Diskussionen, über Projekt­arbeiten bis hin zu Exkursionen reicht. „Ich habe extrem wichtige Inhalte gelernt, die mir jetzt in der Kollektivvertrags-Verhandlung weiterhelfen. Besonders wertvoll war ein Planspiel, wo wir Verhandlungs­techniken als KV-Verhandler nachspielten“, erinnert sich Thomas Stiller.  


Diversität und Soli­darität leben

Pro Lehrgang kommen zwischen 15 und 25 Teilnehmer:innen aus ver­schiedenen Branchen, Alters­gruppen und mit unter­schiedlichen Aufgaben­gebieten zusammen. „So eine durch­mischte Gruppe ist wunderbar. Aus der Gruppen­dynamik kann ich viel für meine Betriebsrats­arbeit mitnehmen“, reflektiert Thomas Stiller. Schließlich fördert das voneinander und miteinander Lernen in der Gruppe auch solidarisches Handeln. Sarah Scheil betont: „Ich habe mich sehr wohl gefühlt. Die Gruppe motivierte mich immer aufs Neue, nach einem langen Arbeitstag in die Schule zu gehen.“ 


Gemeinsame Zeichen setzen

Die Gewerkschafts­schule trägt zu einer verantwortungs­vollen Gestaltung von Gesell­schaft bei. Um an gemeinsamen Zielen fest­zuhalten, sie best­möglich zu erfüllen, und für eine gerechtere Welt einzutreten, braucht es eine starke Gewerkschafts­bewegung. Thomas Stiller hat durch die Ausbildung das Hand­werks­zeug gewonnen, um seinen Teil beizutragen: „Nach den zwei Jahren gehe ich ganz anders auf meine Kolleg:innen zu. Ich kann sie jetzt vom Herzen heraus für die Gewerk­schafts­arbeit überzeugen.“ 


Broschürentipp

Folder Gewerkschaftliche Schule © Gewerkschaftsschule

Folder zum Download

Hier findest du alle Infos zur Gewerkschaftsschule.


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