75 Jahre trägt die Ausbildung bereits auf den Schultern. Die Gewerkschaftsschule wurde 1926 gegründet und 1947 wieder eingerichtet. Sie ist eine der ältesten gewerkschaftlichen Ausbildungen in Österreich. Heute ist die Gewerkschaftsschule in allen österreichischen Bundesländern als Abendlehrgang etabliert. Die Ausbildung dauert zwei Jahre und findet an zwei Abenden pro Woche sowie einigen Wochenenden statt.
Der nächste Lehrgang für praktische Gewerkschaftsarbeit startet Anfang September 2023 in Wien. Die Gewerkschaftsschule ist kostenlos und für alle Betriebsrät:innen, Personalvertreter:innen und interessierten Gewerkschaftsmitglieder offen.
„Ich wollte unbedingt im Arbeitsrecht fit werden, und das ist mir gelungen“, so Sarah Scheil, die den letzten Lehrgang absolvierte. Die Wiener Gewerkschaftsschule hat das Ziel, gewerkschaftspolitische Arbeit und praktische Betriebsratsarbeit zu unterstützen. Gewerkschaftsmitglieder können sich Wissen aneignen und an sich selbst wachsen. „Warum man diese zwei Jahre unbedingt durchziehen sollte, ist, um sich als Betriebsrat zu stärken. Es ist ein wertvolle Zeit für jede:n, der:die sich weiterentwickeln will“, rät die Absolventin.
Das Programm reicht von Arbeits- und Sozialrecht, Gewerkschaftskunde, Wirtschaft, Politik bis hin zur Stärkung der sozialen Kompetenzen. Die Teilnehmer:innen lernen, wie sie Arbeitnehmer: inneninteressen erfolgreich durchsetzen und überzeugt für Demokratie eintreten. „Betriebsrät:innen bekommen das nötige Handwerkszeug für ihre alltägliche Arbeit: Wie berate ich meine Belegschaft? Wie verhandle ich mit der Geschäftsführung?“, so Elisabeth Klaus, die den Lehrgang als Coach begleitete.
Der Lehrgang gliedert sich in drei Säulen: Praktische Gewerkschaftsarbeit, Sachkompetenz und Soziale Kompetenz sowie weitere Module. Innerhalb der Module gibt es zum Beispiel einen EU-Workshop, der Sarah Scheil besonders überzeugte. Absolvent Thomas Stiller schätzt die vielen Kontakte zu anderen Betriebsrät:innen und Referent:innen, die er gewonnen hat: „Es waren viele wertvolle Unterrichtseinheiten dabei. Das Netzwerk, das wir aufgebaut haben, ist für uns als Betriebrät:innen goldwert.“
Neben dem politischen Bewusstsein stärken die Teilnehmenden obendrauf ihr Selbstbewusstsein. „Als Lehrgangscoach habe ich wahrgenommen, wie sich die einzelnen Persönlichkeiten entwickelten. Selbst schüchterne Personen gingen nach den zwei Jahren aus sich heraus“, sagt Elisabeth Klaus. Besonders gefördert wird die persönliche Entwicklung im Modul Soziale Kompetenz, indem die Teilnehmer:innen lernen, wie sie präsentieren, Verhandlungen führen und Konflikte regeln.
Die Anmeldung für den neuen Lehrgang, der Anfang September im ÖGB in Wien startet, ist noch bis Ende August möglich. Die freien Plätze sind limitiert, melde dich hier gleich an.
Unter dem Motto „Aus der Praxis – für die Praxis“ lebt die Gewerkschaftsschule von den Erfahrungen der Teilnehmer:innen, die sie aus ihrem Alltag und ihrer Lebenswelt mitnehmen. „Wenn zum Beispiel ein Problem in der Firma auftaucht, kann das abends gleich diskutiert und darüber beraten werden“, erzählt Elisabeth Klaus. Die Trainer:innen kommen aus dem ÖGB, Gewerkschaften, den Arbeiterkammern, unterschiedlichen Betrieben, öffentlichen Institutionen und Nichtregierungsorganisationen.
Was den interaktiven Lehrgang auszeichnet, ist die methodische Vielfalt, die von Diskussionen, über Projektarbeiten bis hin zu Exkursionen reicht. „Ich habe extrem wichtige Inhalte gelernt, die mir jetzt in der Kollektivvertrags-Verhandlung weiterhelfen. Besonders wertvoll war ein Planspiel, wo wir Verhandlungstechniken als KV-Verhandler nachspielten“, erinnert sich Thomas Stiller.
Pro Lehrgang kommen zwischen 15 und 25 Teilnehmer:innen aus verschiedenen Branchen, Altersgruppen und mit unterschiedlichen Aufgabengebieten zusammen. „So eine durchmischte Gruppe ist wunderbar. Aus der Gruppendynamik kann ich viel für meine Betriebsratsarbeit mitnehmen“, reflektiert Thomas Stiller. Schließlich fördert das voneinander und miteinander Lernen in der Gruppe auch solidarisches Handeln. Sarah Scheil betont: „Ich habe mich sehr wohl gefühlt. Die Gruppe motivierte mich immer aufs Neue, nach einem langen Arbeitstag in die Schule zu gehen.“
Die Gewerkschaftsschule trägt zu einer verantwortungsvollen Gestaltung von Gesellschaft bei. Um an gemeinsamen Zielen festzuhalten, sie bestmöglich zu erfüllen, und für eine gerechtere Welt einzutreten, braucht es eine starke Gewerkschaftsbewegung. Thomas Stiller hat durch die Ausbildung das Handwerkszeug gewonnen, um seinen Teil beizutragen: „Nach den zwei Jahren gehe ich ganz anders auf meine Kolleg:innen zu. Ich kann sie jetzt vom Herzen heraus für die Gewerkschaftsarbeit überzeugen.“